BAG – 9 AZR 321/16

ECLI:DE:BAG:2019:190219.U.9AZR321.16.0
NZA 2019, 1043    ZTR 2019, 523

Verfall von Urlaub – Mitwirkungsobliegenheiten des Arbeitgebers – Kündigung

Bundesarbeitsgericht,  Urteil vom 19.02.2019, 9 AZR 321/16

Tenor

  1. Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts München vom 20. April 2016 – 11 Sa 983/15 – aufgehoben.
  2. Auf die Berufung des Klägers wird das Endurteil des Arbeitsgerichts München vom 30. Oktober 2015 – 13 Ca 3620/15 – abgeändert:
    Es wird festgestellt, dass der Kläger aus dem Kalenderjahr 2013 einen Urlaubsanspruch von 30 Arbeitstagen hat.
  3. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

 

Tatbestand

9 AZR 321/16 > Rn 1

Die Parteien streiten über Urlaub des Klägers aus dem Jahr 2013.

9 AZR 321/16 > Rn 2

Der Kläger ist seit dem 1. Februar 2009 bei der Beklagten beschäftigt.

9 AZR 321/16 > Rn 3

In einem Einstellungsschreiben der Beklagten vom 5. Dezember 2008 heißt es ua.:

„Wir führen Sie in der Vertragsgruppe Außertariflicher Mitarbeiter.

Die beiliegenden Vertragsbedingungen Führungskreis und Außertarifliche Mitarbeiter sind Bestandteil Ihres Dienstvertrages. Tarifvertragliche Regelungen gelten für Ihr Dienstverhältnis nicht.“

9 AZR 321/16 > Rn 4

Die „Vertragsbedingungen Führungskreis und Außertarifliche Mitarbeiter“ lauten auszugsweise:

„6

Urlaub
Der Erholungsurlaub beträgt 30 Arbeitstage je Kalenderjahr.

…“

9 AZR 321/16 > Rn 5

In einem von der Beklagten erstellten „Merkblatt über Erholungsurlaub“ von Oktober 2012 (im Folgenden Merkblatt 2012) heißt es ua.:

„V.
Erlöschen, Übertragung, Vorgriff

1.
Grundsätze

Urlaubsjahr ist das Kalenderjahr. Der Urlaub soll grundsätzlich im laufenden Kalenderjahr gewährt und genommen werden, anderenfalls erlischt der Urlaubsanspruch grundsätzlich am 31.12., soweit keine Übertragung ins nächste Urlaubsjahr erfolgt.

Ist die Gewährung des Urlaubs im laufenden Kalenderjahr entweder aus dringenden betrieblichen Gründen oder aus in der Person des Mitarbeiters liegenden Gründen nicht möglich (Krankheit), wird der Urlaub in das erste Kalendervierteljahr (bis 31.03.) des Folgejahres übertragen. Liegen die Voraussetzungen tatsächlich vor, bedarf es keines Antrages bzw. keiner Vereinbarung der Übertragung.

…“

9 AZR 321/16 > Rn 6

Die Beklagte ist Mitglied des Bayerischen Unternehmensverbands Metall und Elektro e. V. Im Manteltarifvertrag für die Arbeitnehmer der bayerischen Metall- und Elektroindustrie vom 23. Juni 2008 (im Folgenden MTV) ist ua. geregelt:

„§ 1 Geltungsbereich

Der Tarifvertrag gilt:

3. Persönlich:

(I) Für alle Arbeitnehmer sowie für die Auszubildenden.

(II) Nicht als Arbeitnehmer i. S. dieses Vertrages gelten:

d) sonstige Arbeitnehmer, denen auf außertariflicher Grundlage ein garantiertes monatliches Entgelt zugesagt worden ist, das den Tarifsatz der Entgeltgruppe 12 (Stufe B) um 30,5 v. H. übersteigt, oder

denen auf außertariflicher Grundlage ein garantiertes Jahreseinkommen zugesagt worden ist, das den zwölffachen Tarifsatz der Entgeltgruppe 12 (Stufe B) um 35 v. H. übersteigt.

Anmerkung zu § 1 Ziff. 3 Abs. (II) d

‚Garantiert‘ ist das Monatsentgelt bzw. Jahreseinkommen dann, wenn auch hinsichtlich der Entgelthöhe ein Anspruch besteht, der nur einvernehmlich oder durch Änderungskündigung beseitigt werden kann. Erfolgs- bzw. ergebnisabhängige Zahlungen sind nur in der Höhe zu berücksichtigen, in der sie garantiert sind.

§ 18 Urlaubsregelung

A. Allgemeine Bestimmungen

1.

Jeder Arbeitnehmer hat in jedem Kalenderjahr (Urlaubsjahr) Anspruch auf bezahlten Erholungsurlaub. …

7.

Der Anspruch auf Urlaub erlischt drei Monate nach Ablauf des Urlaubsjahres, es sei denn, dass er erfolglos geltend gemacht wurde.

…“

9 AZR 321/16 > Rn 7

Mit Schreiben vom 25. Februar 2011 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis zum 30. September 2011 und bot dem Kläger die Fortsetzung zu geänderten Bedingungen an. Der Kläger nahm das Änderungsangebot nicht – auch nicht unter Vorbehalt – an. Seiner Kündigungsschutzklage gab das Arbeitsgericht München durch Urteil vom 26. März 2012 (- 14 Ca 3120/11 -) statt. Mit Urteil vom 14. November 2013 (- 4 Sa 518/12 -) wies das Landesarbeitsgericht München die Berufung der Beklagten zurück. Nach Rechtskraft der Entscheidung leistete die Beklagte an den Kläger Nachzahlungen, unter deren Berücksichtigung er eine monatliche Vergütung erhielt, die den tariflichen Mindestabstand iSv. § 1 Ziff. 3 Abs. (II) Buchst. d MTV zum höchsten Tarifentgelt wahrte.

9 AZR 321/16 > Rn 8

Die Beklagte gewährte dem Kläger im Jahr 2013 keinen Urlaub. Mit E-Mail vom 6. Februar 2014 beantragte er, ihm den Urlaub aus dem Jahr 2013 in der Zeit vom 17. Februar bis zum 28. März 2014 zu gewähren. Sein Vorgesetzter teilte ihm daraufhin durch E-Mail vom 10. Februar 2014 mit, dass über die Genehmigung von Urlaub erst nach rechtskräftigem Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens entschieden werden könne. Mit Schreiben seines Prozessbevollmächtigten von Dezember 2014 und nochmals mit E-Mail vom 9. Februar 2015 beantragte der Kläger, ihm den „Jahresurlaub 2013“ im Zeitraum vom 16. Februar bis zum 27. März 2015 zu gewähren. Mit E-Mail vom 12. Februar 2015 lehnte die Beklagte dies mit der Begründung ab, der Urlaub sei mit Ablauf des 31. Dezember 2013 verfallen. Den Antrag des Klägers, der Beklagten im Wege einer einstweiligen Verfügung aufzugeben, ihm vom 2. bis zum 27. März 2015 den Urlaub aus dem Jahr 2013 zu gewähren, wies das Arbeitsgericht München mit Urteil vom 26. Februar 2015 (- 25 Ga 30/15 -) zurück.

9 AZR 321/16 > Rn 9

Auf der Grundlage einer zwischen den Parteien am 18. Februar 2016 geschlossenen Vereinbarung befand sich der Kläger vom 1. Mai 2016 bis zum 31. Oktober 2018 in der Arbeitsphase der Alterszeit. Am 1. November 2018 ist er in die Freistellungsphase der Altersteilzeit eingetreten, die am 30. April 2021 enden wird.

9 AZR 321/16 > Rn 10

Mit der am 31. März 2015 eingereichten Klage hat der Kläger geltend gemacht, ihm stünden aus dem Jahr 2013 30 Arbeitstage Urlaub zu. Er hat die Rechtsansicht vertreten, sein Anspruch auf Urlaub aus dem Jahr 2013 sei nicht erloschen. Der Arbeitgeber sei von sich aus zur Gewährung von Urlaub verpflichtet. Solange dieser seiner Pflicht nicht nachkomme, könne der Urlaub nicht verfallen oder müsse als Schadensersatz gewährt werden. Der Urlaub sei zudem schon deshalb nicht verfallen, weil er ihn rechtzeitig iSv. § 18 Abschn. A Ziff. 7 Satz 1 MTV im ersten Quartal des Jahres 2014 verlangt habe. Der MTV finde kraft beiderseitiger Tarifgebundenheit auf das Arbeitsverhältnis Anwendung. Er sei seit September 2010 Mitglied der IG Metall. Vom persönlichen Geltungsbereich des MTV sei er nicht ausgenommen, weil seine Vergütung von Oktober 2010 bis zum 30. September 2011 den tariflichen Mindestabstand unterschritten habe. Im Jahr 2013 sei dieser erst durch die Nachzahlungen der Beklagten gewahrt worden.

9 AZR 321/16 > Rn 11

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verpflichten, ihm Urlaub aus dem Jahr 2013 von 30 Arbeitstagen zu gewähren;

hilfsweise

festzustellen, dass er aus dem Kalenderjahr 2013 einen Urlaubsanspruch von 30 Arbeitstagen hat.

9 AZR 321/16 > Rn 12

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Rechtsansicht vertreten, der Urlaub des Klägers aus dem Jahr 2013 sei verfallen, weil der Kläger dessen Gewährung im Urlaubsjahr 2013 nicht verlangt habe, obwohl er die Erforderlichkeit einer rechtzeitigen Geltendmachung dem Merkblatt 2012 habe entnehmen können. Die Regelungen des Manteltarifvertrags seien nicht anzuwenden, weil der Kläger außertariflicher Mitarbeiter sei und ihm eine den tariflichen Mindestabstand wahrende Vergütung mit dem Einstellungsschreiben zugesagt worden sei.

9 AZR 321/16 > Rn 13

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Nachdem der Kläger in die Freistellungsphase seiner Altersteilzeit eingetreten ist, verfolgt er mit der Revision nur noch den Hilfsantrag weiter. Die Parteien haben den ursprünglich angekündigten Hauptantrag übereinstimmend für erledigt erklärt.

 

 

Entscheidungsgründe

9 AZR 321/16 > Rn 14

Die Revision des Klägers ist begründet. Das Landesarbeitsgericht hat seine Berufung gegen das klageabweisende Urteil des Arbeitsgerichts zu Unrecht zurückgewiesen. Der auf Feststellung des Bestehens eines Urlaubsanspruchs von 30 Arbeitstagen aus dem Kalenderjahr 2013 gerichtete Antrag ist begründet. Der Urlaub des Klägers ist weder mit Ablauf des Urlaubsjahres 2013 noch zu einem späteren Zeitpunkt nach § 7 Abs. 3 BUrlG verfallen.

9 AZR 321/16 > Rn 15

A. Der Feststellungsantrag ist zulässig.

9 AZR 321/16 > Rn 16

I. Der Übergang vom ursprünglich als Hauptantrag gestellten Leistungsantrag zum Feststellungsantrag ist keine in der Revisionsinstanz unzulässige Klageänderung iSv. § 263 ZPO.

9 AZR 321/16 > Rn 17

1. Die Antragsänderung ist wegen einer „später eingetretenen Veränderung“ gemäß § 264 Nr. 3 ZPO zulässig (vgl. BAG 19. März 2014 – 5 AZR 252/12 (B) – Rn. 16, BAGE 147, 342). Der Kläger trägt mit ihr lediglich der nach Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht eingetretenen Unmöglichkeit einer Urlaubsgewährung in der Freistellungsphase der Altersteilzeit Rechnung. Der Urlaubsanspruch ist auf eine bezahlte Befreiung von der Arbeitspflicht gerichtet (vgl. BAG 24. Juni 2003 – 9 AZR 563/02 – zu I 2 a aa der Gründe, BAGE 106, 368). Die Erfüllung des Anspruchs auf Erholungsurlaub setzt voraus, dass der Arbeitnehmer durch eine sog. Freistellungserklärung des Arbeitgebers zu Erholungszwecken von einer sonst bestehenden Arbeitspflicht befreit wird (vgl. BAG 9. August 2016 – 9 AZR 575/15 – Rn. 11, BAGE 156, 65; 15. Januar 2013 – 9 AZR 430/11 – Rn. 20, BAGE 144, 150). Eine Urlaubsgewährung ist innerhalb der Freistellungsphase der Altersteilzeit mangels Arbeitspflicht des Klägers nicht mehr möglich. Das Arbeitsverhältnis der Parteien besteht zwar während dieser Zeit fort. Der Kläger ist jedoch nicht mehr zur Arbeitsleistung verpflichtet, weil er die Arbeitsleistung bereits während der Arbeitsphase erbracht hat (vgl. BAG 16. Mai 2017 – 9 AZR 572/16 – Rn. 15, BAGE 159, 106).

9 AZR 321/16 > Rn 18

2. Nichts anderes gölte, wollte man eine Klageänderung annehmen. Zwar ist eine Klageänderung in der Revisionsinstanz grundsätzlich ausgeschlossen. Klageänderungen können aber aus prozessökonomischen Gründen zugelassen werden, wenn das Berufungsgericht – wie hier – über den Hilfsantrag entschieden hat. In diesem Fall ist mit der alleinigen Verfolgung des Hilfsantrags keine Erweiterung des bisherigen Prüfungsprogramms verbunden, sodass prozessökonomische Gründe für die Zulassung der Klageänderung sprechen würden (vgl. BAG 19. März 2014 – 5 AZR 954/12 – Rn. 13).

9 AZR 321/16 > Rn 19

II. Die Voraussetzungen des § 256 Abs. 1 ZPO sind erfüllt. Der Kläger hat ein besonderes Interesse an der von ihm begehrten Feststellung, weil die Beklagte den von ihm behaupteten Anspruch auf (Ersatz-)Urlaub aus dem Jahr 2013 bestreitet (vgl. BAG 5. August 2014 – 9 AZR 77/13 – Rn. 11 ff.; 12. April 2011 – 9 AZR 80/10 – Rn. 11 f., BAGE 137, 328).

9 AZR 321/16 > Rn 20

B. Die Klage ist begründet. Entgegen der Entscheidung des Landesarbeitsgerichts steht dem Kläger aus dem Jahr 2013 noch ein Urlaubsanspruch in geltend gemachtem Umfang von 30 Arbeitstagen zu.

9 AZR 321/16 > Rn 21

I. Der Kläger erwarb nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts zu Beginn des Jahres 2013 einen vertraglichen Urlaubsanspruch von 30 Arbeitstagen, der den gesetzlichen Urlaubsanspruch einschließt (§§ 1, 3, 4 BUrlG). Der Urlaubsanspruch des Klägers ist nicht durch Erfüllung gemäß § 362 Abs. 1 BGB erloschen. Dies steht zwischen den Parteien außer Streit.

9 AZR 321/16 > Rn 22

II. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, der Urlaub des Klägers sei am Ende des Kalenderjahres 2013 nach § 7 Abs. 3 Satz 1 BUrlG verfallen, weil er die Gewährung von Urlaub nicht rechtzeitig verlangt habe. Ein Anspruch auf Ersatzurlaub nach § 275 Abs. 1 und Abs. 4, § 280 Abs. 1 und Abs. 3, § 283 Satz 1, § 286 Abs. 1 Satz 1, § 287 Satz 2 und § 249 Abs. 1 BGB sei nicht entstanden, weil sich die Beklagte mit der Urlaubsgewährung nicht in Verzug befunden habe.

9 AZR 321/16 > Rn 23

III. Diese Begründung hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand. Der Urlaubsanspruch des Klägers besteht fort, weil die Beklagte ihren nach § 7 Abs. 1 Satz 1 BUrlG bestehenden Mitwirkungsobliegenheiten, den Kläger in die Lage zu versetzen, seinen Urlaubsanspruch wahrzunehmen, nicht nachgekommen ist. Eine Befristung des Urlaubsanspruchs auf das Urlaubsjahr 2013 oder eines der nachfolgenden Urlaubsjahre ist deshalb nicht eingetreten. Dies folgt für den gesetzlichen Mindesturlaub aus einer richtlinienkonformen Auslegung von § 7 BUrlG und gilt entsprechend für den vertraglichen Mehrurlaub, weil die Parteien keine vom Bundesurlaubsgesetz abweichende Vereinbarung getroffen haben.

9 AZR 321/16 > Rn 24

1. Das Landesarbeitsgericht hat allerdings zutreffend erkannt, dass einem Verfall des Urlaubs nicht schon § 18 Abschn. A Ziff. 7 Satz 1 Halbs. 2 MTV entgegensteht. Der MTV findet auf das Arbeitsverhältnis der Parteien keine Anwendung. Der Kläger unterfällt als außertariflicher Angestellter nicht dem Geltungsbereich des MTV. Dies gilt unabhängig davon, ob der Kläger Mitglied der den Tarifvertrag schließenden Gewerkschaft IG Metall ist und/oder war.

9 AZR 321/16 > Rn 25

a) Nach § 1 Ziff. 3 Abs. (II) Buchst. d MTV gelten die Bestimmungen des MTV nicht für „sonstige Arbeitnehmer“, denen auf außertariflicher Grundlage ein garantiertes monatliches Entgelt zugesagt worden ist, das den Tarifsatz der Entgeltgruppe 12 (Stufe B) um 30,5 vH übersteigt, oder denen auf außertariflicher Grundlage ein garantiertes Jahreseinkommen zugesagt worden ist, das den zwölffachen Tarifsatz der Entgeltgruppe 12 (Stufe B) um 35 vH übersteigt. Der MTV schließt damit Arbeitnehmer aus seinem persönlichen Geltungsbereich aus, denen auf außertariflicher Grundlage eine Vergütung zugesagt wurde, die das Mindestabstandsgebot wahrt.

9 AZR 321/16 > Rn 26

b) Zwischen den Parteien steht außer Streit, dass der Kläger aufgrund seiner Aufnahme „in der Vertragsgruppe Außertariflicher Mitarbeiter“ mit Einstellungsschreiben der Beklagten einen arbeitsvertraglichen Anspruch auf Zahlung einer das tarifliche Mindestabstandsgebot nach § 1 Ziff. 3 Abs. (II) Buchst. d MTV wahrenden Vergütung hat und der MTV räumlich und fachlich einschlägig ist (vgl. zu den Voraussetzungen einer Zusage iSv. § 1 Ziff. 3 Abs. (II) Buchst. d MTV: BAG 25. April 2018 – 5 AZR 84/17 – Rn. 22 ff.; 3. September 2014 – 5 AZR 240/13 – Rn. 13 f.). Entgegen der Ansicht des Klägers ist für die Frage, ob der Kläger dem Geltungsbereich des Tarifvertrags unterfällt, unerheblich, dass die Beklagte ihrer Verpflichtung zur Zahlung der vereinbarten Vergütung teilweise nicht rechtzeitig nachgekommen ist. Der Tarifvertrag stellt in § 1 Ziff. 3 Abs. (II) Buchst. d MTV wie in der Anmerkung zu dieser Bestimmung, die zum Tariftext gehört und Regelungscharakter hat (BAG 25. April 2018 – 5 AZR 84/17 – Rn. 31), allein auf die zugesagte bzw. garantierte Vergütung ab. Dem Tarifvertrag sind keine Anhaltspunkte zu entnehmen, die eine vom (eindeutigen) Wortlaut abweichende Auslegung rechtfertigen könnten.

9 AZR 321/16 > Rn 27

2. Für den gesetzlichen Mindesturlaub iSd. §§ 1, 3 Abs. 1 BUrlG schreibt § 7 Abs. 3 Satz 1 BUrlG vor, dass der Urlaub im laufenden Kalenderjahr gewährt und genommen werden muss.

9 AZR 321/16 > Rn 28

a) Nach der bisherigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts verfiel nicht genommener Urlaub unabhängig davon, ob der Arbeitgeber den Arbeitnehmer zuvor in die Lage versetzt hatte, den Urlaub zu nehmen, nach § 7 Abs. 3 Satz 1 BUrlG mit Ablauf des Urlaubsjahres, sofern kein Übertragungsgrund iSv. § 7 Abs. 3 Satz 2 und Satz 4 BUrlG gegeben war (vgl. BAG 19. Juni 2018 – 9 AZR 615/17 – Rn. 14; 13. Dezember 2016 – 9 AZR 541/15 (A) – Rn. 13). Dies galt selbst dann, wenn der Arbeitnehmer rechtzeitig vor Ablauf des Urlaubsjahres die Gewährung des Urlaubs verlangte und der Arbeitgeber den verlangten Urlaub nicht gewährte. Jedoch trat, wenn sich der Arbeitgeber mit der Urlaubsgewährung in Verzug befand, gemäß § 275 Abs. 1 und Abs. 4, § 280 Abs. 1 und Abs. 3, § 283 Satz 1, § 286 Abs. 1 Satz 1, § 287 Satz 2 und § 249 Abs. 1 BGB an die Stelle des im Verzugszeitraum verfallenen Urlaubs ein Schadensersatzanspruch, der die Gewährung von Ersatzurlaub zum Inhalt hatte (vgl. BAG 16. Mai 2017 – 9 AZR 572/16 – Rn. 12, BAGE 159, 106) und – mit Ausnahme des Fristenregimes (vgl. BAG 11. April 2006 – 9 AZR 523/05 – Rn. 24) – hinsichtlich Inanspruchnahme und Abgeltung den Modalitäten des verfallenen Urlaubs unterlag (vgl. BAG 16. Mai 2017 – 9 AZR 572/16 – Rn. 13, aaO).

9 AZR 321/16 > Rn 29

b) Mit Beschluss vom 13. Dezember 2016 (- 9 AZR 541/15 (A) -) hat der Senat den Gerichtshof der Europäischen Union gemäß Art. 267 AEUV um Vorabentscheidung ersucht, ob Art. 7 der Richtlinie 2003/88/EG oder Art. 31 Abs. 2 GRC einer nationalen Regelung entgegenstehen, die vorsieht, dass der Arbeitnehmer Urlaub unter Angabe seiner Wünsche zu dessen zeitlicher Festlegung beantragen muss, damit der Urlaubsanspruch am Ende des Bezugszeitraums nicht ersatzlos untergeht, und die den Arbeitgeber damit nicht verpflichtet, von sich aus einseitig und für den Arbeitnehmer verbindlich die zeitliche Lage des Urlaubs innerhalb des Bezugszeitraums festzulegen. Sollte die Frage bejaht werden, hat der Senat den Gerichtshof weiter um Auskunft ersucht, ob dies auch für ein Arbeitsverhältnis zwischen Privatpersonen gilt.

9 AZR 321/16 > Rn 30

c) Der Gerichtshof hat durch Urteil vom 6. November 2018 (- C-684/16 – [Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften]) entschieden, dass Art. 7 der Richtlinie 2003/88/EG und Art. 31 Abs. 2 GRC einer nationalen Regelung entgegenstehen, nach der ein Arbeitnehmer, der im betreffenden Bezugszeitraum keinen Antrag auf Wahrnehmung seines Anspruchs auf bezahlten Jahresurlaub gestellt hat, am Ende des Bezugszeitraums die ihm gemäß diesen Bestimmungen für den Bezugszeitraum zustehenden Urlaubstage und entsprechend seinen Anspruch auf eine finanzielle Vergütung für den bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht genommenen Urlaub automatisch verliert (vgl. EuGH 6. November 2018 – C-684/16 – [Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften] Rn. 61).

9 AZR 321/16 > Rn 31

aa) Art. 7 der Richtlinie 2003/88/EG könne zwar nicht dahin gehend ausgelegt werden, dass der Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub und – im Fall der Beendigung des Arbeitsverhältnisses – der an seine Stelle tretende Anspruch auf Vergütung, dem Arbeitnehmer völlig unabhängig von den Umständen erhalten bleiben müssten, die dazu geführt hätten, dass er den bezahlten Jahresurlaub nicht genommen habe (EuGH 6. November 2018 – C-684/16 – [Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften] Rn. 30; vgl. so bereits zum Verfall des Urlaubs bei Vorliegen besonderer, dies rechtfertigender Umstände, insbesondere bei Erkrankung des Arbeitnehmers: EuGH 29. November 2017 – C-214/16 – [King] Rn. 56 ff.; 22. November 2011 – C-214/10 – [KHS] Rn. 28, 38, 44). Eine nationale Regelung wie § 7 Abs. 1 und Abs. 3 BUrlG, die vorsehe, dass bei der zeitlichen Festlegung des Urlaubs die Urlaubswünsche des Arbeitnehmers zu berücksichtigen seien, es sei denn, dass dringende betriebliche Belange oder Urlaubswünsche anderer Arbeitnehmer vorlägen, die den Vorrang verdienten, oder dass der Urlaub grundsätzlich im Bezugsjahr zu nehmen sei, falle zwar in den Bereich der Modalitäten für die Wahrnehmung des Anspruchs auf bezahlten Jahresurlaub iSv. Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88/EG. Eine solche Regelung gehöre zu den auf die Festlegung des Urlaubs der Arbeitnehmer anwendbaren Bestimmungen und Verfahren des nationalen Rechts, deren Ziel es sei, den verschiedenen widerstreitenden Interessen Rechnung zu tragen (EuGH 6. November 2018 – C-684/16 – [Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften] Rn. 36 f.). Die Grenzen, die von den Mitgliedstaaten bei der Festlegung dieser Modalitäten zwingend einzuhalten seien, würden jedoch verkannt, wenn die Vorschriften des nationalen Rechts dahin gehend ausgelegt würden, dass der Arbeitnehmer seinen Urlaubsanspruch am Ende des Bezugszeitraums und entsprechend seinen Anspruch auf eine Vergütung für den bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht genommenen Urlaub automatisch verlöre, auch wenn er nicht in die Lage versetzt wurde, den Anspruch wahrzunehmen (vgl. EuGH 6. November 2018 – C-684/16 – [Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften] Rn. 40 ff.).

9 AZR 321/16 > Rn 32

bb) Der Arbeitgeber kann sich nach der vom Gerichtshof vorgenommenen Auslegung auf den fehlenden Urlaubsantrag des Arbeitnehmers deshalb nur berufen, wenn er zuvor konkret und in völliger Transparenz dafür Sorge getragen hat, dass der Arbeitnehmer tatsächlich in der Lage war, seinen bezahlten Jahresurlaub zu nehmen, indem er ihn – erforderlichenfalls förmlich – auffordert, dies zu tun, und ihm klar und rechtzeitig mitteilt, dass der Urlaub, wenn er ihn nicht nimmt, am Ende des Bezugszeitraums oder eines zulässigen Übertragungszeitraums verfallen wird. Der Arbeitgeber trägt die Beweislast für die Erfüllung dieser Mitwirkungsobliegenheiten (vgl. EuGH 6. November 2018 – C-684/16 – [Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften] Rn. 45 f.). Erbringt der Arbeitgeber den ihm insoweit obliegenden Nachweis und zeigt sich daher, dass der Arbeitnehmer seinen bezahlten Jahresurlaub aus freien Stücken und in voller Kenntnis der sich daraus ergebenden Konsequenzen nicht genommen hat, stehen Art. 7 der Richtlinie 2003/88/EG und Art. 31 Abs. 2 GRC dem Verlust des Urlaubsanspruchs und – bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses – dem Wegfall der finanziellen Vergütung für nicht genommenen bezahlten Jahresurlaub nicht entgegen (EuGH 6. November 2018 – C-684/16 – [Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften] Rn. 47, 56). Eine Verpflichtung des Arbeitgebers, den Arbeitnehmer dazu zu zwingen, diesen Anspruch tatsächlich wahrzunehmen, besteht nicht (vgl. EuGH 6. November 2018 – C-684/16 – [Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften] Rn. 44).

9 AZR 321/16 > Rn 33

d) Die nationalen Gerichte sind gehalten, bei der Anwendung des nationalen Rechts dieses so weit wie möglich anhand des Wortlauts und des Zwecks der Richtlinie auszulegen, um das in der Richtlinie festgelegte Ziel zu erreichen und damit Art. 288 Abs. 3 AEUV nachzukommen (vgl. EuGH 6. November 2018 – C-684/16 – [Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften] Rn. 58 f.).

9 AZR 321/16 > Rn 34

aa) Art. 267 AEUV weist dem Gerichtshof zur Verwirklichung der Verträge über die Europäische Union, der Rechtssicherheit und der Rechtsanwendungsgleichheit sowie einer einheitlichen Auslegung und Anwendung des Unionsrechts die Aufgabe der verbindlichen Auslegung der Verträge und Richtlinien zu (vgl. BAG 21. Februar 2017 – 1 ABR 62/12 – Rn. 27, BAGE 158, 121; 7. August 2012 – 9 AZR 353/10 – Rn. 26, BAGE 142, 371). Daraus folgt, dass die nationalen Gerichte die Unionsvorschrift in dieser Auslegung (grundsätzlich) auch auf andere Rechtsverhältnisse als das dem Vorabentscheidungsersuchen zugrunde liegende anwenden können und müssen, und zwar auch auf solche, die vor Erlass der auf das Auslegungsersuchen ergangenen Entscheidung des Gerichtshofs entstanden sind (BVerfG 10. Dezember 2014 – 2 BvR 1549/07 – Rn. 26).

9 AZR 321/16 > Rn 35

bb) Allerdings unterliegt der Grundsatz der richtlinienkonformen Auslegung des nationalen Rechts Schranken. Die Pflicht zur Verwirklichung eines Richtlinienziels im Wege der Auslegung findet ihre Grenzen an dem nach innerstaatlicher Rechtstradition methodisch Erlaubten. Sie darf nicht als Grundlage für eine Auslegung des nationalen Rechts contra legem dienen. Besteht jedoch ein Auslegungsspielraum, ist das nationale Gericht verpflichtet, diesen zur Verwirklichung des Richtlinienziels bestmöglich auszuschöpfen (vgl. BVerfG 26. September 2011 – 2 BvR 2216/06, 2 BvR 469/07 – Rn. 46 f.). Ob und inwieweit das innerstaatliche Recht eine entsprechende richtlinienkonforme Auslegung zulässt, haben allein die nationalen Gerichte zu beurteilen (BVerfG 26. September 2011 – 2 BvR 2216/06, 2 BvR 469/07 – Rn. 47; 21. Februar 2017 – 1 ABR 62/12 – Rn. 29, BAGE 158, 121; 7. August 2012 – 9 AZR 353/10 – Rn. 31, BAGE 142, 371).

9 AZR 321/16 > Rn 36

cc) Der Gerichtshof hat in seiner Entscheidung vom 6. November 2018 ausgeführt, dass eine nationale Regelung über den Verfall des Urlaubs oder dessen finanzieller Abgeltung nicht anzuwenden sei, wenn sie nicht im Einklang mit Art. 7 der Richtlinie 2003/88/EG und Art. 31 Abs. 2 GRC ausgelegt werden könne. Das nationale Gericht habe aber auch dann dafür Sorge zu tragen, dass der Arbeitnehmer, wenn der Arbeitgeber nicht nachweisen könne, dass er ihn tatsächlich in die Lage versetzt habe, den ihm nach dem Unionsrecht zustehenden bezahlten Jahresurlaub zu nehmen, weder seine erworbenen Ansprüche auf bezahlten Jahresurlaub noch – im Fall der Beendigung des Arbeitsverhältnisses – den Anspruch auf finanzielle Vergütung für nicht genommenen Urlaub verliere (vgl. EuGH 6. November 2018 – C-684/16 – [Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften] Rn. 81). Stehe dem Arbeitnehmer in einem Rechtsstreit ein staatlicher Arbeitgeber gegenüber, ergebe sich dieses Ergebnis aus Art. 7 der Richtlinie 2003/88/EG und aus Art. 31 Abs. 2 GRC. Stehe ihm ein privater Arbeitgeber gegenüber, folge dies aus Art. 31 Abs. 2 GRC (vgl. EuGH 6. November 2018 – C-684/16 – [Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften] Rn. 63 f., 74 ff.).

9 AZR 321/16 > Rn 37

e) Das Bundesurlaubsgesetz lässt eine richtlinienkonforme Auslegung von § 7 BUrlG zu. Danach trifft den Arbeitgeber die Initiativlast bei der Verwirklichung des Urlaubsanspruchs gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 BUrlG. Grundsätzlich führt erst die Erfüllung der daraus abgeleiteten Mitwirkungsobliegenheiten des Arbeitgebers, den Arbeitnehmer in die Lage zu versetzen, seinen Urlaub auch tatsächlich zu nehmen, zur Befristung des Urlaubsanspruchs nach § 7 Abs. 3 BUrlG. Es bedarf deshalb keiner Entscheidung des Senats, ob und inwieweit diese Vorschrift des Bundesurlaubsgesetzes wegen Unvereinbarkeit mit Art. 31 Abs. 2 GRC unangewendet bleiben müsste (vgl. EuGH 6. November 2018 – C-684/16 – [Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften] Rn. 69 ff.).

9 AZR 321/16 > Rn 38

aa) Das Bundesurlaubsgesetz regelt die für die Arbeitsvertragsparteien im Zusammenhang mit der Gewährung und Inanspruchnahme von Urlaub bestehenden Mitwirkungsobliegenheiten und die Folgen deren Nichtbeachtung nicht ausdrücklich. Dies gestattet es, § 7 Abs. 1 Satz 1 BUrlG richtlinienkonform dahin gehend auszulegen, dass der Arbeitgeber bei der ihm durch das Bundesurlaubsgesetz zugewiesenen Festlegung des Urlaubs die vom Gerichtshof aus Art. 7 der Richtlinie 2003/88/EG abgeleiteten Mitwirkungsobliegenheiten zu beachten hat. Der nicht erfüllte Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub erlischt in der Regel nur dann am Ende des Kalenderjahres, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer zuvor in die Lage versetzt hat, seinen Urlaubsanspruch wahrzunehmen, und der Arbeitnehmer den Urlaub dennoch aus freien Stücken nicht genommen hat. Bei einem richtlinienkonformen Verständnis des § 7 Abs. 3 BUrlG ist die Erfüllung der Mitwirkungsobliegenheiten des Arbeitgebers damit grundsätzlich Voraussetzung für das Eingreifen des urlaubsrechtlichen Fristenregimes. Der Senat entwickelt seine bisherige Rechtsprechung dementsprechend weiter.

9 AZR 321/16 > Rn 39

(1) Der Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub ist nach den Bestimmungen des Bundesurlaubsgesetzes grundsätzlich auf das Kalenderjahr als Urlaubsjahr bezogen ausgestaltet (vgl. zB §§ 1, 7 Abs. 3 Satz 1 BUrlG). § 7 Abs. 3 Satz 1 BUrlG sieht vor, dass der Urlaub im laufenden Kalenderjahr gewährt und genommen werden muss. Eine Übertragung des Urlaubs auf die ersten drei Monate des nächsten Kalenderjahres ist nach § 7 Abs. 3 Satz 2 und Satz 3 BUrlG nur statthaft, wenn dringende betriebliche oder in der Person des Arbeitnehmers liegende Gründe dies rechtfertigen. Liegen solche Gründe nicht vor, verfällt der Urlaub zum Ende eines Kalenderjahres. § 7 Abs. 3 BUrlG steht einer richtlinienkonformen Auslegung damit jedoch nicht entgegen. Die Vorschrift regelt weder die Modalitäten für die Inanspruchnahme und Gewährung des Urlaubs, noch sind dort die Voraussetzungen für den Verfall ausdrücklich festgelegt.

9 AZR 321/16 > Rn 40

(2) Auch durch § 7 Abs. 1 Satz 1 BUrlG wird das Verfahren der Gewährung und Inanspruchnahme von Urlaub nicht abschließend bestimmt. Die zeitliche Festlegung des Urlaubs ist nach Maßgabe dieser Bestimmung dem Arbeitgeber vorbehalten. Er gewährt den Urlaub durch eine einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung (vgl. BAG 10. Februar 2015 – 9 AZR 455/13 – Rn. 21 ff., BAGE 150, 355). Ein Recht des Arbeitnehmers, sich selbst zu beurlauben, besteht grundsätzlich nicht (vgl. BAG 22. Januar 1998 – 2 ABR 19/97 – zu B II 3 der Gründe). Der Arbeitgeber hat bei der zeitlichen Festlegung des Urlaubs nach § 7 Abs. 1 Satz 1 BUrlG die Urlaubswünsche des Arbeitnehmers zu berücksichtigen, es sei denn, dass ihrer Berücksichtigung dringende betriebliche Belange oder Urlaubswünsche anderer Arbeitnehmer, die unter sozialen Gesichtspunkten Vorrang verdienen, entgegenstehen. Dadurch soll sichergestellt werden, dass neben dem Urlaubswunsch des Arbeitnehmers die Interessen der Belegschaft und die betrieblichen Belange ausreichende Berücksichtigung finden und unter Umständen betriebsverfassungs- oder personalvertretungsrechtliche Vorgaben beachtet werden, sodass der Urlaub des einzelnen Arbeitnehmers tatsächlich im laufenden Urlaubsjahr gewährt werden kann, idealerweise in dem vom Arbeitnehmer gewünschten Zeitraum (vgl. BT-Drs. IV/785 S. 3). Diese gesetzlichen Vorgaben zur „zeitlichen Festlegung des Urlaubs“ stehen einer Einbindung der unionsrechtlich gebotenen Mitwirkungsobliegenheiten in das ohnehin vom Arbeitgeber zu steuernde Verfahren der Urlaubsfestlegung nicht entgegen.

9 AZR 321/16 > Rn 41

bb) Die unionsrechtlich gebotenen Mitwirkungshandlungen unterstützen den Sinn und Zweck der Befristungsregelung des § 7 Abs. 3 BUrlG. Die Vorschrift dient in erster Linie dem Gesundheitsschutz. Die Befristung des Urlaubsanspruchs ist ein vom deutschen Gesetzgeber gewähltes Mittel, um den Arbeitnehmer dazu anzuhalten, den Urlaubsanspruch grundsätzlich im Urlaubsjahr geltend zu machen. Dadurch soll erreicht werden, dass jeder Arbeitnehmer tatsächlich in einem einigermaßen regelmäßigen Rhythmus eine gewisse Zeit der Erholung und Entspannung erhält (vgl. BAG 7. August 2012 – 9 AZR 353/10 – Rn. 24, 39, BAGE 142, 371). Der vom Bundesurlaubsgesetz intendierte Gesundheitsschutz durch eine tatsächliche Inanspruchnahme der bezahlten Arbeitsbefreiung wird gefördert, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer über den Umfang des noch bestehenden Urlaubs informiert, ihn auf die für die Urlaubsnahme maßgeblichen Fristen hinweist und ihn zudem auffordert, den Urlaub tatsächlich in Anspruch zu nehmen. In diesem Fall wird ein verständiger Arbeitnehmer seinen Urlaub typischerweise rechtzeitig vor dem Verfall beantragen. Dem steht nicht entgegen, dass § 7 Abs. 3 BUrlG auch im Interesse des Arbeitgebers ein unbegrenztes Ansammeln von Urlaubsansprüchen durch den Arbeitnehmer verhindern soll. Dieses Interesse ist nur dann schützenswert, wenn es im Einklang mit Art. 7 der Richtlinie 2003/88/EG steht (vgl. EuGH 29. November 2017 – C-214/16 – [King] Rn. 54 ff.; BAG 7. August 2012 – 9 AZR 353/10 – Rn. 26, aaO). Dies setzt regelmäßig voraus, dass der Arbeitgeber seinen Mitwirkungsobliegenheiten nachgekommen ist.

9 AZR 321/16 > Rn 42

cc) Diese Auslegung von § 7 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 Satz 1 BUrlG steht im Einklang mit § 7 Abs. 3 Satz 2 und Satz 4 BUrlG.

9 AZR 321/16 > Rn 43

(1) Nach § 7 Abs. 3 Satz 2 BUrlG ist eine Übertragung des Urlaubs auf das nächste Kalenderjahr nur statthaft, wenn dringende betriebliche oder in der Person des Arbeitnehmers liegende Gründe dies rechtfertigen. Die Übertragung des Urlaubs auf das nächste Kalenderjahr setzt voraus, dass der Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub anderenfalls nach § 7 Abs. 3 Satz 1 BUrlG erloschen wäre. Ohne eine zulässige Befristung des Urlaubsanspruchs wäre die gesetzliche Anordnung einer Übertragung des Urlaubsanspruchs in das Folgejahr bei Vorliegen besonderer Übertragungsgründe entbehrlich. Bei einer richtlinienkonformen Auslegung von § 7 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 Satz 1 BUrlG ist der Anwendungsbereich von § 7 Abs. 3 Satz 2 BUrlG deshalb grundsätzlich auf die Fälle beschränkt, in denen der Arbeitgeber seinen Mitwirkungsobliegenheiten iSv. § 7 Abs. 1 Satz 1 BUrlG nachgekommen ist und infolgedessen der Urlaubsanspruch iSv. § 7 Abs. 3 Satz 1 BUrlG befristet war. Hat der Arbeitgeber seine Mitwirkungsobliegenheiten nicht erfüllt, ist der Urlaubsanspruch für das jeweilige Urlaubsjahr unabhängig vom Vorliegen eines Übertragungsgrundes regelmäßig nicht iSv. § 7 Abs. 3 Satz 1 BUrlG an das Urlaubsjahr gebunden. Einer Übertragung auf das nächste Kalenderjahr bedarf es nicht.

9 AZR 321/16 > Rn 44

(2) Entsprechendes gilt für die Übertragungsregelung des § 7 Abs. 3 Satz 4 BUrlG, der zufolge ein nach § 5 Abs. 1 Buchst. a BUrlG entstehender Teilurlaub auf Verlangen des Arbeitnehmers auf das nächste Kalenderjahr zu übertragen ist. Diese Bestimmung setzt ebenfalls eine (wirksame) Befristung des (Teil-)Urlaubsanspruchs voraus. Auch sie verlangt, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer grundsätzlich durch Erfüllung seiner Mitwirkungsobliegenheiten in die Lage versetzt hat, seinen (Teil-)Urlaubsanspruch tatsächlich wahrzunehmen, damit der Arbeitnehmer durch ein entsprechendes Verlangen den anderenfalls verfallenden Teilurlaub auf das nächste Kalenderjahr übertragen kann.

9 AZR 321/16 > Rn 45

dd) In richtlinienkonformer Auslegung von § 7 Abs. 1 Satz 1 BUrlG muss der Arbeitgeber zur Erfüllung seiner Mitwirkungsobliegenheiten konkret und in völliger Transparenz dafür sorgen, dass der Arbeitnehmer tatsächlich in der Lage ist, seinen bezahlten Jahresurlaub zu nehmen. Er muss ihn – erforderlichenfalls förmlich – dazu auffordern, seinen Urlaub zu nehmen, und ihm klar und rechtzeitig mitteilen, dass der Urlaub verfällt, wenn er ihn nicht nimmt (vgl. EuGH 6. November 2018- C-684/16 – [Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften] Rn. 45).

9 AZR 321/16 > Rn 46

(1) Der Inhalt der in richtlinienkonformer Auslegung von § 7 Abs. 1 Satz 1 BUrlG bestehenden Mitwirkungsobliegenheiten des Arbeitgebers ergibt sich aus ihrem Zweck, zu verhindern, dass der Arbeitnehmer den Urlaubsanspruch nicht wahrnimmt, weil der Arbeitgeber ihn hierzu nicht in die Lage versetzt hat. Infolge des Fehlens konkreter gesetzlicher Vorgaben ist der Arbeitgeber grundsätzlich in der Auswahl der Mittel frei, derer er sich zur Erfüllung seiner Mitwirkungsobliegenheiten bedient. Die Mittel müssen jedoch zweckentsprechend sein. Sie müssen geeignet sein, den Arbeitnehmer in die Lage zu versetzen, in Kenntnis aller relevanten Umstände frei darüber zu entscheiden, ob er seinen Urlaub in Anspruch nimmt. Deshalb darf der Arbeitgeber, will er seinen Mitwirkungsobliegenheiten genügen, den Arbeitnehmer auch nicht in sonstiger Weise daran hindern, den Urlaub in Anspruch zu nehmen (vgl. EuGH 29. November 2017 – C-214/16 – [King] Rn. 39, 65). Er darf zudem weder Anreize schaffen noch den Arbeitnehmer dazu anhalten, seinen Urlaub nicht zu nehmen und dadurch – faktisch – auf ihn zu verzichten (vgl. EuGH 6. November 2018 – C-684/16 – [Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften] Rn. 41 f.). Es ist der Eintritt einer Situation zu vermeiden, in der ein Arbeitnehmer auf Veranlassung des Arbeitgebers davon abgehalten werden kann, seine Rechte gegenüber seinem Arbeitgeber geltend zu machen. Ob der Arbeitgeber das Erforderliche getan hat, um seinen Mitwirkungsobliegenheiten zu genügen, ist unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls festzustellen. Die Erfüllung seiner Mitwirkungsobliegenheiten hat der Arbeitgeber darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen, weil er hieraus eine für sich günstige Rechtsfolge ableitet.

9 AZR 321/16 > Rn 47

(2) Der Arbeitgeber muss sich bei Erfüllung seiner Mitwirkungsobliegenheiten auf einen „konkret“ bezeichneten Urlaubsanspruch eines bestimmten Jahres beziehen und den Anforderungen an eine „völlige Transparenz“ genügen. Er kann seine Mitwirkungsobliegenheiten regelmäßig zum Beispiel dadurch erfüllen, dass er dem Arbeitnehmer zu Beginn des Kalenderjahres in Textform mitteilt, wie viele Arbeitstage Urlaub ihm im Kalenderjahr zustehen, ihn auffordert, seinen Jahresurlaub so rechtzeitig zu beantragen, dass er innerhalb des laufenden Urlaubsjahres genommen werden kann, und ihn über die Konsequenzen belehrt, die eintreten, wenn dieser den Urlaub nicht entsprechend der Aufforderung beantragt. Die Anforderungen an eine „klare“ Unterrichtung sind regelmäßig durch den Hinweis erfüllt, dass der Urlaub grundsätzlich am Ende des Kalenderjahres verfällt, wenn der Arbeitnehmer in der Lage war, seinen Urlaub im Kalenderjahr zu nehmen, er ihn aber nicht beantragt. Nimmt der Arbeitnehmer in diesem Fall seinen bezahlten Jahresurlaub nicht in Anspruch, obwohl er hierzu in der Lage war, geschieht dies aus freien Stücken und in voller Kenntnis der sich daraus ergebenden Konsequenzen.

9 AZR 321/16 > Rn 48

(3) Abstrakte Angaben etwa im Arbeitsvertrag, in einem Merkblatt oder in einer Kollektivvereinbarung werden den Anforderungen einer konkreten und transparenten Unterrichtung hingegen in der Regel nicht genügen. Andererseits verlangt der Zweck der vom Arbeitgeber zu beachtenden Mitwirkungsobliegenheiten grundsätzlich nicht die ständige Aktualisierung dieser Mitteilungen, etwa anlässlich jeder Änderung des Umfangs des Urlaubsanspruchs. Entscheidend sind die Umstände des Einzelfalls. Setzt sich der Arbeitgeber in Widerspruch zu seinen Erklärungen, indem er etwa einen Urlaubsantrag aus anderen als den in § 7 Abs. 1 Satz 1 BUrlG genannten Gründen ablehnt oder anderweitig eine Situation erzeugt, die geeignet ist, den Arbeitnehmer davon abzuhalten, seinen Urlaub zu beantragen, entfällt die Befristung des Urlaubsanspruchs nach § 7 Abs. 3 BUrlG. Dem Arbeitgeber obliegt es in diesem Fall, seine Mitwirkungshandlungen erneut vorzunehmen.

9 AZR 321/16 > Rn 49

ee) Hat der Arbeitgeber durch Erfüllung seiner Mitwirkungsobliegenheiten den Urlaubsanspruch an das Urlaubsjahr gebunden und verlangt der Arbeitnehmer dennoch nicht, ihm Urlaub zu gewähren, verfällt sein Anspruch nach Maßgabe von § 7 Abs. 3 Satz 1 BUrlG mit Ablauf des Urlaubsjahres. Liegen die Voraussetzungen einer Übertragung des Urlaubs nach § 7 Abs. 3 Satz 2 oder Satz 4 BUrlG vor, wird der Urlaub „von selbst“ auf die ersten drei Monate des Folgejahres übertragen (vgl. BAG 24. März 2009 – 9 AZR 983/07 – Rn. 52, BAGE 130, 119). Der Urlaubsanspruch kann in diesem Fall grundsätzlich nur dann mit Ablauf des Übertragungszeitraums untergehen, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer auffordert, seinen Urlaub noch innerhalb des Übertragungszeitraums zu nehmen, und ihn darauf hinweist, dass der Urlaubsanspruch anderenfalls erlischt.

9 AZR 321/16 > Rn 50

ff) Hat der Arbeitgeber seinen Mitwirkungsobliegenheiten nicht entsprochen, tritt der am 31. Dezember des Urlaubsjahres nicht verfallene Urlaub zu dem Urlaubsanspruch hinzu, der am 1. Januar des Folgejahres entsteht. Dieser Teil des Urlaubsanspruchs ist gegenüber dem Teil, den der Arbeitnehmer zu Beginn des aktuellen Urlaubsjahres erworben hat, nicht privilegiert. Für ihn gelten, wie für den neu entstandenen Urlaubsanspruch, die Regelungen des § 7 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 BUrlG. Der Arbeitgeber kann deshalb das uneingeschränkte Kumulieren von Urlaubsansprüchen aus mehreren Jahren dadurch vermeiden, dass er seine Mitwirkungsobliegenheiten für den Urlaub aus zurückliegenden Urlaubsjahren im aktuellen Urlaubsjahr nachholt. Nimmt der Arbeitnehmer in einem solchen Fall den kumulierten Urlaubsanspruch im laufenden Urlaubsjahr nicht wahr, obwohl es ihm möglich gewesen wäre, verfällt der Urlaub am Ende des Kalenderjahres bzw. eines (zulässigen) Übertragungszeitraums.

9 AZR 321/16 > Rn 51

3. Die für den gesetzlichen Urlaubsanspruch geltenden Grundsätze sind auch auf den vertraglichen Mehrurlaub des Klägers anzuwenden. Die Parteien haben ihre jeweiligen Mitwirkungsobliegenheiten bei der Verwirklichung des vertraglichen Mehrurlaubs und die Voraussetzungen seiner Befristung nicht abweichend von den gesetzlichen Vorgaben geregelt.

9 AZR 321/16 > Rn 52

a) Während der Anspruch auf den gesetzlichen Mindesturlaub arbeitsvertraglichen Dispositionen entzogen ist, die sich zuungunsten des Arbeitnehmers auswirken (§ 13 Abs. 1 Satz 3 BUrlG), können die Arbeitsvertragsparteien Urlaubsansprüche, die den von Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88/EG gewährleisteten und von §§ 1, 3 Abs. 1 BUrlG begründeten Anspruch auf Mindestjahresurlaub von vier Wochen übersteigen, frei regeln (vgl. BAG 16. Dezember 2014 – 9 AZR 295/13 – Rn. 15, BAGE 150, 207). Für einen Regelungswillen der Arbeitsvertragsparteien, dem zufolge der vertragliche Mehrurlaub mit Ablauf des Kalenderjahres oder am Ende des Übertragungszeitraums unabhängig davon verfallen soll, ob der Arbeitgeber seinen Mitwirkungsobliegenheiten entsprochen hat, müssen deutliche Anhaltspunkte vorliegen. Fehlen solche, ist von einem diesbezüglichen Gleichlauf des gesetzlichen Urlaubsanspruchs und des Anspruchs auf vertraglichen Mehrurlaub auszugehen (vgl. BAG 22. Januar 2019 – 9 AZR 328/16 – Rn. 33).

9 AZR 321/16 > Rn 53

b) Die „Vertragsbedingungen Führungskreis und Außertarifliche Mitarbeiter“, auf die das Einstellungsschreiben der Beklagten vom 5. Dezember 2008 Bezug nimmt, regeln allein den Umfang des Urlaubsanspruchs des Klägers. Sie sehen damit hinsichtlich der Befristung des Urlaubsanspruchs und der Mitwirkungsobliegenheiten der Beklagten, dafür Sorge zu tragen, dass der Kläger tatsächlich in der Lage ist, den vertraglichen Mehrurlaub zu nehmen, keine Abweichungen vom Gesetz vor. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem von der Beklagten erstellten Merkblatt 2012. Es kann dahinstehen, ob dieses Merkblatt vom Gesetz abweichende Regelungen hinsichtlich der Mitwirkungsobliegenheiten und der Befristung des vertraglichen Mehrurlaubs enthält und ob der Kläger dem Kreis der Arbeitnehmer angehört, auf die sich dieses bezieht. Die Beklagte konnte die vertragliche Abrede, es solle hinsichtlich des vertraglichen Mehrurlaubs nichts vom Bundesurlaubsgesetz Abweichendes gelten, nicht einseitig zulasten des Klägers ändern.

9 AZR 321/16 > Rn 54

IV. Das Landesarbeitsgericht hat – ausgehend von der bisherigen Rechtsprechung des Senats – nicht geprüft, ob die Beklagte den Kläger in die Lage versetzt hat, seinen Urlaub aus dem Jahr 2013 zu nehmen. Die Sache ist dennoch nicht zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen. Der Senat kann nach § 563 Abs. 3 ZPO in der Sache selbst abschließend entscheiden, weil die für eine Endentscheidung erforderlichen Feststellungen getroffen sind. Danach hat die Beklagte ihren nach § 7 Abs. 1 Satz 1 BUrlG bestehenden Mitwirkungsobliegenheiten, den Kläger in die Lage zu versetzen, seinen gesetzlichen und vertraglichen Urlaubsanspruch aus dem Jahr 2013 zu verwirklichen, nicht entsprochen. Der Urlaubsanspruch des Klägers wurde infolgedessen fortlaufend auf die nachfolgenden Urlaubsjahre übertragen und besteht fort. Der Kläger war nicht gehalten, die Gewährung von Urlaub zu beantragen, um den Verfall seines Urlaubs zu vermeiden.

9 AZR 321/16 > Rn 55

1. Die Mitwirkungsobliegenheiten der Beklagten nach § 7 Abs. 1 Satz 1 BUrlG bestanden trotz des Kündigungsschutzverfahrens, das die Parteien über die Wirksamkeit der von der Beklagten mit Schreiben vom 25. Februar 2011 zum 30. September 2011 erklärten Kündigung führten. Die vor der rechtskräftigen Entscheidung über den Kündigungsschutzantrag bestehende Ungewissheit der Parteien über den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses stand der Erfüllung der Mitwirkungsobliegenheiten durch die Beklagte nicht entgegen. Maßgeblich war allein die objektive Rechtslage (vgl. BAG 19. Juni 2018 – 9 AZR 615/17 – Rn. 20 ff.). Die Entscheidungen des Arbeitsgerichts München vom 26. März 2012 (- 14 Ca 3120/11 -) und des Landesarbeitsgerichts München vom 14. November 2013 (- 4 Sa 518/12 -) hatten lediglich feststellende und nicht rechtsgestaltende Wirkung. Hierdurch wurde nicht rückwirkend für die Zeit nach dem Kündigungstermin bis zur rechtskräftigen Entscheidung über den Kündigungsschutzantrag ein Arbeitsverhältnis geschaffen, sondern nur dessen Fortbestehen festgestellt (vgl. BAG 19. Juni 2018 – 9 AZR 615/17 – Rn. 21; 17. Juli 2012 – 1 AZR 563/11 – Rn. 16, BAGE 142, 290). Die Beklagte war daher rechtlich nicht gehindert, dem Kläger während des Kündigungsschutzprozesses durch eine entsprechende Freistellungserklärung und die Zahlung des Urlaubsentgelts vor Antritt des Urlaubs oder durch eine bindende Zahlungszusage vorbehaltlos bezahlten Urlaub zu gewähren (vgl. BAG 10. Februar 2015 – 9 AZR 455/13 – Rn. 18 f., BAGE 150, 355; vgl. auch BAG 19. Januar 2016 – 2 AZR 449/15 – Rn. 68). Es stand ihr dabei frei, wollte sie dem ungewissen Ausgang des Bestandsschutzstreits Rechnung tragen, die Zahlung des Urlaubsentgelts mit der Tilgungsbestimmung zu verbinden, hilfsweise solle mit der Zahlung des Urlaubsentgelts ein gegebenenfalls bestehender Urlaubsabgeltungsanspruch des Klägers erfüllt werden (vgl. BAG 10. Februar 2015 – 9 AZR 455/13 – Rn. 26, aaO).

9 AZR 321/16 > Rn 56

2. Die Beklagte hat den Kläger nicht, wie es nach § 7 Abs. 1 Satz 1 BUrlG geboten gewesen wäre, im Kalenderjahr 2013 unter Angabe seines Umfangs und seiner zeitlichen Befristung über seinen Urlaubsanspruch unterrichtet und ihn mit dem klaren und rechtzeitigen Hinweis, dass der Urlaub anderenfalls mit Ablauf des Urlaubsjahres verfällt, aufgefordert, den Urlaub zu nehmen. Insbesondere hat sie ihren Mitwirkungsobliegenheiten nicht durch das Merkblatt 2012 entsprochen, denn dieses enthält keine konkret auf den Kläger und dessen Urlaubsanspruch bezogene Erklärung. Die Beklagte konnte auch deshalb ihre Mitwirkungsobliegenheiten mit dem Merkblatt 2012 nicht erfüllen, weil sie mit der Kündigung vom 25. Februar 2011 zum 30. September 2011 in Abrede stellte, dass das Arbeitsverhältnis über den 30. September 2011 hinaus fortbesteht. Während des Kündigungsschutzverfahrens hätte es einer Erklärung der Beklagten bedurft, sie sei bereit, dem Kläger auch im gekündigten Arbeitsverhältnis bezahlten Urlaub zu gewähren. Der Kläger konnte ohne eine solche Erklärung nicht annehmen, die Beklagte sei bereit, ihm trotz der Ungewissheit der Parteien über den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses durch eine entsprechende Freistellungserklärung und die Zahlung des Urlaubsentgelts vor Antritt des Urlaubs oder eine sie bindende Zahlungszusage vorbehaltlos bezahlten Urlaub zu gewähren (vgl. BAG 10. Februar 2015 – 9 AZR 455/13 – Rn. 18 f., BAGE 150, 355; vgl. auch BAG 19. Januar 2016 – 2 AZR 449/15 – Rn. 68). Eine solche Erklärung hat die Beklagte nicht abgegeben.

9 AZR 321/16 > Rn 57

3. Die Beklagte ist ihren Mitwirkungsobliegenheiten auch nicht zu einem späteren Zeitpunkt nachgekommen. Sie ist im Gegenteil der Verwirklichung des Urlaubsanspruchs des Klägers wiederholt entgegengetreten, indem sie dessen Urlaubsanträge aus Februar und Dezember 2014 sowie aus Februar 2015 ablehnte und im einstweiligen Verfügungsverfahren vor dem Arbeitsgericht München (- 25 Ga 30/15 -) einwandte, der Urlaub für das Jahr 2013 sei mit Ablauf des 31. Dezember 2013 endgültig verfallen.

9 AZR 321/16 > Rn 58

V. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 Satz 1, § 91a Abs. 1 Satz 1 ZPO. Im Hinblick auf den von den Parteien in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärten Leistungsantrag waren die Kosten nach dem bisherigen Sach- und Streitstand nach billigem Ermessen der Beklagten aufzuerlegen (§ 91a Abs. 1 Satz 1 ZPO). Dem Kläger stand aus den unter B III genannten Gründen bis zu seinem nach Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht erfolgten Eintritt in die Freistellungsphase der Altersteilzeit gegen die Beklagte der geltend gemachte Anspruch auf Gewährung von 30 Arbeitstagen Urlaub aus dem Jahr 2013 zu.

 

 

Kiel       Suckow       Weber

Wullhorst       Hampel


Zusammenfassung:

(Orientierungssätze der Richterinnen und Richter des Bundesarbeitsgerichts)

1.
Der Anspruch auf den gesetzlichen Mindesturlaub (§§ 1, 3 Abs. 1 BUrlG) erlischt bei einer mit Art. 7 der RL 2003/88/EG konformen Auslegung von § 7 BUrlG nur dann am Ende des Kalenderjahres (§ 7 Abs. 3 S. 1 BUrlG) oder eines zulässigen Übertragungszeitraums (§ 7 Abs. 3 S. 3 und 4 BUrlG), wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer zuvor in die Lage versetzt hat, seinen Urlaubsanspruch wahrzunehmen, und der Arbeitnehmer den Urlaub dennoch aus freien Stücken nicht genommen hat (Rn. 38).

2.
Die aus einem richtlinienkonformen Verständnis von § 7 Abs. 1 S. 1 BUrlG resultierenden Mitwirkungsobliegenheiten des Arbeitgebers bei der Verwirklichung des Urlaubsanspruchs bestehen nach Ausspruch einer arbeitgeberseitigen Kündigung fort. Die vor der rechtskräftigen Entscheidung über den Kündigungsschutzantrag bestehende Ungewissheit der Parteien über den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses steht dem nicht entgegen. Maßgeblich ist allein die objektive Rechtslage (Rn. 55).

3.
Stellt der Arbeitgeber den Bestand des Arbeitsverhältnisses durch Ausspruch einer Kündigung in Abrede, bedarf es zur Erfüllung seiner Mitwirkungsobliegenheiten einer Erklärung, er sei bereit, dem Arbeitnehmer auch im gekündigten Arbeitsverhältnis bezahlten Urlaub zu gewähren. Anderenfalls kann der Arbeitnehmer in der Regel nicht annehmen, der Arbeitgeber sei bereit, ihm trotz der Ungewissheit über den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses durch eine entsprechende Freistellungserklärung und die Zahlung des Urlaubsentgelts vor Antritt des Urlaubs oder eine sie bindende Zahlungszusage vorbehaltlos bezahlten Urlaub zu gewähren (Rn. 56).

4.
Für einen Regelungswillen der Arbeitsvertragsparteien, dem zufolge der vertragliche Mehrurlaub mit Ablauf des Kalenderjahres oder am Ende des Übertragungszeitraums unabhängig davon verfallen soll, ob der Arbeitgeber seinen Mitwirkungsobliegenheiten entsprochen hat, müssen deutliche Anhaltspunkte vorliegen. Fehlen solche, ist von einem diesbezüglichen Gleichlauf des gesetzlichen Urlaubsanspruchs und des Anspruchs auf vertraglichen Mehrurlaub auszugehen (Rn. 52).

Papierfundstellen:

NZA 2019, 1043
ZTR 2019, 523