BAG – 1 AZR 862/06

BAGE 124, 323    NZA 2008, 542    DB 2008, 935   

Vergütung durch Betriebsvereinbarung nach Betriebsübergang

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 06.11.2007,  1 AZR 862/06

Leitsätze des Gerichts

Die Transformation von Vergütungsregelungen eines Tarifvertrags in das Arbeitsverhältnis nach § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB kann durch ungünstigere Regelungen einer Betriebsvereinbarung im Erwerberbetrieb nicht verhindert oder beseitigt werden.

Tenor

  1. Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 23. Mai 2006 – 5 Sa 385/05 – wird zurückgewiesen.
  2. Die Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über Gehaltsansprüche.Der Kläger war seit dem 1. Oktober 1991 bei dem I B e.V. (IB e.V.) als Fachtheorie-Lehrer beschäftigt. In § 3 des Arbeitsvertrags aus dem November 1991 heißt es, „die Satzung des IB in jeweils geltender Fassung, der Manteltarifvertrag Nr. 2 vom 27. Februar 1984 und die ihn ergänzenden oder ändernden Tarifverträge und die Arbeitsordnung des IB in jeweils geltender Fassung (seien) Bestandteile des Arbeitsvertrages”. Ferner heißt es in § 5, die Vergütung erfolge nach „Gehaltsgruppe IVa”. Der IB e.V. schließt mit der Gewerkschaft ver.di – ursprünglich mit einer ihrer Rechtsvorgängerinnen – seit jeher Haustarifverträge, darunter solche über die Vergütung der Mitarbeiter. Der Kläger bezog beim IB e.V. ein tarifliches Bruttomonatsgehalt von zuletzt 2.788,39 Euro.Die Beklagte ist eine Tochtergesellschaft des IB e.V. Sie ist nicht tarifgebunden. Mit Wirkung zum 1. September 2003 ging der Betriebsteil, in welchem der Kläger beim IB e.V. beschäftigt war, auf sie über. Zuvor hatte die Beklagte am 28. August 2003 mit dem für ihren Betrieb Mecklenburg-Vorpommern gebildeten Betriebsrat einen „Sozialplan” geschlossen. Nach seinem § 2 Nr. 1 galt er „für alle Mitarbeiter/innen in den … Betriebsstätten der (Beklagten), insbesondere diejenigen, die die (Beklagte) von dem IB e.V. zum 01.09.2003 übernommen hat und die in Anlage 1 abschließend aufgeführt sind und denen von der (Beklagten) betriebsbedingt gekündigt werden muss, weil und soweit ihre Arbeitsplätze mit Auslaufen von Maßnahmen an den genannten Standorten im Verlauf von längstens zwölf Monaten nach dem Betriebsübergang wegfallen oder deren Arbeitsverhältnisse nur zu abgesenkten materiellen Bedingungen … fortgeführt, bzw. neu begründet werden können”. § 7 des „Sozialplans” lautet:“1. Für die Mitarbeiter/-innen der (Beklagten) im örtlichen Geltungsbereich dieses Sozialplanes werden die folgenden Tätigkeitsmerkmale als integraler Bestandteil dieses Sozialplanes festgelegt: Die Tätigkeitsmerkmale sind in Anlage 1 zu § 7 geregelt. 2. Für die Mitarbeiter/-innen der (Beklagten) im örtlichen Geltungsbereich dieses Sozialplanes werden die folgenden Entgeltregelungen als integraler Bestandteil dieses Sozialplanes festgelegt: Die Entgeltgruppen sind in Anlage 2 zu § 7 geregelt. …”Gemäß der Anlage 1 zu § 7 werden für den „Bildungsbereich” vier „Tätigkeitsmerkmale”, darunter „Unterricht” unterschieden. Nach der Anlage 2 ist für „Unterricht” die „Entgeltgruppe G” in einer Vergütungsbandbreite von 1.800,00 Euro bis 2.100,00 Euro vorgesehen. In Anlage 2 heißt es, ihre Regelungen gälten für Mitarbeiter, „die im Rahmen des Betriebsübergangs zum 31.08.2003 bzw. 01.09.2003 in die (Beklagte) übergehen, mit Wirkung zum 01.09.2004”.Die Beklagte zahlte dem Kläger in der Zeit vom 1. September 2003 bis zum 30. September 2004 unvermindert dasjenige Gehalt, welches dieser beim IB e.V. bezogen hatte. Ab dem 1. Oktober 2004 kürzte sie sein Gehalt um 15 % – das entspricht 418,26 Euro – auf 2.370,13 Euro.Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Beklagte sei zu einer Gehaltsminderung nicht befugt. Mit seiner Klage hat er – neben einem erstinstanzlich angekündigten Feststellungsbegehren – die Gehaltsdifferenz für die Monate Oktober und November 2004 geltend gemacht. Er hat zweitinstanzlich beantragt,die Beklagte zu verurteilen, an ihn 836,52 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf den Betrag von 418,26 Euro seit dem 7. Dezember 2004 und auf weitere 418,26 Euro seit dem 28. Dezember 2004 zu zahlen.Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Ansicht vertreten, der Gehaltsanspruch des Klägers richte sich seit dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses nach dem „Sozialplan” vom 28. August 2003. Danach sei sie sogar zu einer noch weitergehenden Gehaltskürzung berechtigt.Die Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben. Mit ihrer vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision hält die Beklagte an ihrem Begehren fest, die Klage abzuweisen.

Gründe

Die Revision ist unbegründet. Die Vorinstanzen haben der Klage zu Recht stattgegeben. Der Kläger hat nach § 611 BGB in Verbindung mit § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB Anspruch auf Zahlung der Differenz zwischen seiner tatsächlichen und derjenigen Vergütung, die ihm nach dem am 31. August 2003 beim IB e.V. geltenden Gehaltstarifvertrag zustand. Die Differenz entspricht der Klageforderung.I. Die Beklagte ist gem. § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB auf Grund eines Betriebsteil-Übergangs in die Rechte und Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis des Klägers mit dem IB e.V. eingetreten. Damit ist sie grundsätzlich an die vertragliche Verweisung auf die für den IB e.V. geltenden Tarifverträge gebunden.1. Die Gehaltsansprüche des Klägers gegen den IB e.V. richteten sich nach dem von diesem mit der Gewerkschaft ver.di bzw. einer ihrer Rechtsvorgängerinnen abgeschlossenen Vergütungstarifvertrag. Dies folgt aus § 3 des Arbeitsvertrags vom November 1991. Danach waren „der Manteltarifvertrag Nr. 2 … und die ihn ergänzenden … Tarifverträge … in jeweils geltender Fassung Bestandteile des Arbeitsvertrages”. Auf Grund dessen waren auch die beim IB e.V. geltenden Entgelttarifverträge anzuwenden. Sie sind „den Manteltarifvertrag ergänzende” Tarifverträge im Sinne der Verweisungsklausel. Dies folgt schon daraus, dass § 20 Abs. 4 des Manteltarifvertrags Nr. 2 für die Höhe der Gehälter ausdrücklich auf den „jeweiligen Vergütungstarifvertrag” Bezug nimmt. Auf diese Weise geben die Bestimmungen des Manteltarifvertrags selbst zu erkennen, dass sie durch Regelungen der Vergütungstarifverträge ergänzt werden. Die vertragliche Inbezugnahme auch der Entgelttarifverträge entspricht überdies dem Verständnis der damaligen Vertragsparteien. So heißt es in einem vom IB e.V. an den Kläger gerichteten Schreiben vom 30. August 2001, mit Wirkung vom 1. Februar 2001 seien „ein neuer Entgelt-Tarifvertrag und ein neuer Tarifvertrag über Tätigkeitsmerkmale (… rückwirkend) in Kraft getreten, die damit entsprechend den mit Ihnen geschlossenen arbeitsvertraglichen Vereinbarungen unmittelbar Bestandteil des Arbeitsvertrages zwischen Ihnen und dem IB ab 01.02.2001” geworden seien.2. Die Beklagte ist in die Rechte und Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis des Klägers mit dem IB e.V. gem. § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB eingetreten.a) Der Betriebsteil, in welchem der Kläger beim IB e.V. beschäftigt war, ist zum 1. September 2003 durch Rechtsgeschäft auf die Beklagte übergegangen. Das hat die Beklagte in der Berufungsbegründung vom 18. Oktober 2005 selbst vorgetragen und das Landesarbeitsgericht festgestellt. Soweit die Beklagte erstmals in der Revisionsbegründung darauf verweist, das Landesarbeitsgericht habe in diesem Zusammenhang keine konkreten Einzeltatsachen festgestellt, ist das unbeachtlich. Zwar trifft der Hinweis zu. Gleichwohl ist der Senat an die betreffende Feststellung des Landesarbeitsgerichts gebunden. Für den Eintritt der Bindungswirkung des § 559 Abs. 2 ZPO ist es nicht stets erforderlich, dass die einem Rechtsbegriff zugrunde liegenden tatsächlichen Umstände konkret vorgetragen und festgestellt worden sind. Die Parteien können bestimmte Tatsachen durch allgemein geläufige, einfache rechtliche Ausdrücke in den Rechtsstreit einführen, wenn diese den Teilnehmern des Rechtsverkehrs geläufig sind und mit ihnen das Vorliegen entsprechender tatsächlicher Umstände verbunden wird. Die Parteien lösen auch auf diese Weise eine Erklärungspflicht der Gegenseite gem. § 138 Abs. 2 ZPO aus (BGH 19. März 2004 – V ZR 104/03 – BGHZ 158, 295; Zöller/Greger ZPO 26. Aufl. § 138 Rn. 2). Der Ausdruck „Betriebsübergang” ist ein in diesem Sinne einfacher und geläufiger rechtlicher Begriff. Mit ihm verbinden die Parteien eines Rechtsstreits, zumal wenn sie, wie hier, anwaltlich vertreten sind, regelmäßig hinreichend konkrete tatsächliche Vorgänge, auf denen der Wechsel der Inhaberschaft beruht. Die vorinstanzlich von der Beklagten selbst stammende Erklärung, es habe ein Betriebsteil-Übergang vom IB e.V. auf sie stattgefunden, ist als rechtliche Einkleidung entsprechender tatsächlicher Umstände der bindenden Feststellung durch das Landesarbeitsgericht zugänglich.In dem Hinweis der Beklagten auf das Fehlen konkreter Feststellungen liegt auch keine zulässige Verfahrensrüge im Sinne von § 551 Abs. 3 Nr. 2 Buchst. b ZPO. Die Beklagte bezeichnet kein tatsächliches Verhalten des Landesarbeitsgerichts, das einen Verfahrensmangel ergäbe.b) Auf Grund des Betriebsteil-Übergangs ist die Beklagte Arbeitgeberin des Klägers und der Arbeitsvertrag zwischen Kläger und IB e.V. gem. § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB zum Inhalt des Arbeitsverhältnisses der Parteien geworden. Damit ist auch die Beklagte über die Verweisung in § 3 des Arbeitsvertrags an den im Zeitpunkt des Betriebsübergangs geltenden Vergütungstarifvertrag zwischen dem IB e.V. und ver.di gebunden.c) Dieses Verständnis von § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB steht nicht im Widerspruch zu Art. 3 Abs. 1, Abs. 3 der Richtlinie 2001/23/EG des Rates vom 12. März 2001 (Betriebsübergangsrichtlinie, ABl. EG vom 22. März 2001 – L 82/16 -). Nach Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie gehen die Rechte und Pflichten des Veräußerers aus einem zum Zeitpunkt des Übergangs eines Betriebsteils bestehenden Arbeitsvertrag auf Grund des Übergangs auf den Erwerber über. Von dieser Vorschrift wird auch eine Klausel im Arbeitsvertrag mit dem Veräußerer erfasst, die hinsichtlich der Vergütung auf einen Tarifvertrag verweist (EuGH 9. März 2006 – C-499/04 – [Werhof] Rn. 27, EuGHE I 2006, 2397 = AP Richtlinie 77/187/EWG Nr. 3 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 44). Nach Art. 3 Abs. 3 der Richtlinie erhält der Erwerber die in einem Kollektivvertrag vereinbarten Arbeitsbedingungen bis zu dessen Außerkrafttreten oder Ablösung in dem gleichen Maße aufrecht, wie sie darin für den Veräußerer vorgesehen waren. Diese Regelung erlaubt zwar das Verständnis, dass der Erwerber, der selbst keiner Tarifbindung unterliegt, an spätere, ablösende Tarifverträge nicht gebunden ist (EuGH 9. März 2006 – C-499/04 – [Werhof] Rn. 37, aaO). Sie lässt es aber ebenso zu, dass der Erwerber an den zum Zeitpunkt des Betriebsübergangs geltenden Tarifvertrag ohne zeitliche Begrenzung „statisch” gebunden bleibt. Ob einer „dynamischen” Bindung das Prinzip der negativen Koalitionsfreiheit entgegenstünde (vgl. dazu EuGH 9. März 2006 – C-499/04 – [Werhof] Rn. 34, aaO), braucht nicht entschieden zu werden. Der Kläger macht Ansprüche allein auf der Grundlage des im Zeitpunkt des Betriebsübergangs gültigen Vergütungstarifvertrags geltend.II. Der „Sozialplan” vom 28. August 2003 steht der Maßgeblichkeit des Vergütungstarifvertrags nicht entgegen. Er vermag die aus dessen Regelungen iVm. § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB und § 3 des Arbeitsvertrags folgenden Ansprüche des Klägers nicht zu beseitigen.1. Dies folgt entgegen der Ansicht des Klägers nicht schon daraus, dass der „Sozialplan” insgesamt unwirksam wäre.a) Die Bestimmungen des „Sozialplans” sind nicht mangels Regelungskompetenz der Betriebsparteien unwirksam. Dabei kann dahinstehen, ob sie der zwingenden Mitbestimmung des Betriebsrats nach § 112 Abs. 1, Abs. 4 BetrVG unterlagen oder ob sie mangels Vorliegens einer schon geplanten konkreten Betriebsänderung, und soweit sie keine wirtschaftlichen Nachteile der Arbeitnehmer ausgleichen oder mindern sollen, nur freiwillig vereinbart werden konnten. Es handelt sich in jedem Fall um einvernehmlich getroffene Regelungen in Form einer Betriebsvereinbarung, zu denen die Betriebsparteien im Rahmen ihrer umfassenden Kompetenz zur Regelung materieller und formeller Arbeitsbedingungen nach § 88 BetrVG befugt sind (vgl. BAG 12. Dezember 2006 – 1 AZR 96/06 – Rn. 14, AP BetrVG 1972 § 77 Nr. 94 = EzA BetrVG 2001 § 88 Nr. 1). Diese Befugnis erstreckt sich grundsätzlich auch auf Regelungen über die konkrete Höhe des Gehalts für bestimmte Tätigkeiten, wie sie die Betriebsparteien in § 7 Nr. 2 des „Sozialplans” in Verbindung mit dessen Anlage 2 getroffen haben.b) Der „Sozialplan” ist entgegen der Ansicht des Landesarbeitsgerichts nicht deshalb unwirksam, weil er von den Betriebsparteien schon vor dem Zeitpunkt des Betriebsteil-Übergangs geschlossen wurde. Auch wenn er damit Arbeitnehmer betraf, die im Zeitpunkt des Abschlusses noch nicht Beschäftigte des Betriebs waren, haben die Betriebsparteien auf diese Weise ihre Regelungskompetenz nicht überschritten. Sie haben nicht etwa Vereinbarungen getroffen, die die Belegschaft eines anderen Betriebs beträfen, für den sie – oder eine von ihnen – betriebsverfassungsrechtlich nicht zuständig wären. Sie haben vielmehr Regelungen für die Belegschaft des eigenen Betriebs geschaffen, auch wenn ein Teil des betroffenen Personenkreises erst anschließend zu dieser Belegschaft gehören würde. Das ist ihnen betriebsverfassungsrechtlich nicht verwehrt.c) Der „Sozialplan” ist nicht wegen Verstoßes gegen § 77 Abs. 3 Satz 1 BetrVG unwirksam. Dies gilt erneut unabhängig davon, ob seine Regelungen der zwingenden Mitbestimmung nach § 112 Abs. 1, Abs. 4 BetrVG unterlagen und deshalb gemäß § 112 Abs. 1 Satz 4 BetrVG die Vorschrift des § 77 Abs. 3 BetrVG nicht zur Anwendung gelangt. Der Vergütungstarifvertrag für die Mitarbeiter des IB e.V. entfaltet für den Betrieb der Beklagten von vornherein keine Sperrwirkung. Als Tarifvertrag, der nach § 77 Abs. 3 Satz 1 BetrVG den Abschluss einer Betriebsvereinbarung über in ihm geregelte Gegenstände sperrt, kommt nur ein solcher in Betracht, von dessen fachlichem und persönlichem Geltungsbereich der betreffende Betrieb erfasst wird. Die Sperrwirkung des § 77 Abs. 3 Satz 1 BetrVG hängt zwar nicht davon ab, dass der Arbeitgeber tarifgebunden ist. Sie setzt auch nicht voraus, dass der den gleichen Gegenstand regelnde Tarifvertrag gerade im Zeitpunkt des Abschlusses der Betriebsvereinbarung normativ gilt, solange der betreffende Gegenstand jedenfalls üblicherweise tariflich geregelt wird (BAG 22. März 2005 – 1 ABR 64/03 – BAGE 114, 162, zu B II 2 c ee (1) der Gründe mwN). Die Sperrwirkung eines Tarifvertrags nach § 77 Abs. 3 Satz 1 BetrVG geht aber über dessen Geltungsanspruch nicht hinaus (BAG 9. Dezember 1997 – 1 AZR 319/97 – BAGE 87, 234, zu II 1 a der Gründe). Ein Firmentarifvertrag der – wie der für den IB e.V. geltende Vergütungstarifvertrag – ausschließlich für die Betriebe eines konkret bezeichneten Unternehmens geschlossen wird, vermag damit keine Sperrwirkung für Betriebsvereinbarungen in den Betrieben anderer Unternehmen herbeizuführen. Der Geltungsanspruch eines Firmentarifvertrags erstreckt sich nicht über die Betriebe des an ihn gebundenen Unternehmens hinaus (BAG 22. März 2005 – 1 ABR 64/03 – aaO, zu B II 2 c ee (3) (b) der Gründe mwN). Zur Existenz von Flächentarifverträgen, in deren Geltungsbereich der Betrieb der Beklagten fallen könnte, haben die Parteien nichts vorgetragen. Das Landesarbeitsgericht ist in seinen Entscheidungsgründen, ohne dass der Kläger dies gerügt hätte, davon ausgegangen, dass es solche Tarifwerke nicht gibt.2. Die Regelungen in § 7 des „Sozialplans” und der zu ihm gehörenden Anlage vermögen im Arbeitsverhältnis der Parteien keine Rechtswirkungen zu entfalten, weil dem das Günstigkeitsprinzip entgegensteht.a) Im Verhältnis von vertraglich begründeten Ansprüchen und anspruchsgewährenden Normen einer Betriebsvereinbarung gilt grundsätzlich das Günstigkeitsprinzip (BAG 16. September 1986 – GS 1/82 – BAGE 53, 42, zu C der Gründe). Die Betriebsparteien können vertragliche Rechtspositionen der Arbeitnehmer nicht wirksam verschlechtern. Günstigere einzelvertragliche Vereinbarungen sind gegenüber belastenden Regelungen einer Betriebsvereinbarung vorrangig (BAG 12. Dezember 2006 – 1 AZR 96/06 – Rn. 21, AP BetrVG 1972 § 77 Nr. 94 = EzA BetrVG 2001 § 88 Nr. 1). Etwas anderes kommt nur in Betracht, wenn vertragliche Ansprüche auf bestimmte Sozialleistungen auf eine vom Arbeitgeber gesetzte Einheitsregelung oder eine Gesamtzusage zurückgehen und die Neuregelung durch eine Betriebsvereinbarung insgesamt bei kollektiver Betrachtung nicht ungünstiger ist (BAG 16. September 1986 – GS 1/82 – aaO) .b) Danach vermochten die Regelungen des „Sozialplans” vom 28. August 2003 die günstigere vertragliche Rechtsposition des Klägers nicht zu beseitigen. Wegen des Betriebsteil-Übergangs auf die Beklagte ist diese gemäß § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB an die vertragliche Verweisung auf den Vergütungstarifvertrag gebunden. Die damit verbundenen individualrechtlichen Ansprüche des Klägers auf ein den Regelungen des Vergütungstarifvertrags im Zeitpunkt des Betriebsübergangs entsprechendes Gehalt wurden durch eine ungünstigere Betriebsvereinbarung nicht verkürzt. Das in der Anlage 2 zu § 7 des „Sozialplans” für den Kläger vorgesehene Gehalt ist deutlich geringer als dasjenige, welches ihm kraft vertraglicher Verweisung auf den Vergütungstarifvertrag zusteht. Die Verschlechterung gegenüber den vertraglichen Lohnabreden wird nicht dadurch ausgeglichen, dass die in der Betriebsvereinbarung vorgesehene Lohnabsenkung dem Erhalt der Arbeitsplätze dienen soll. Zwischen Lohnansprüchen und einer Arbeitsplatzsicherung ist ein an Sachgruppen zu orientierender Günstigkeitsvergleich nicht möglich (BAG 27. Januar 2004 – 1 AZR 148/03 – BAGE 109, 244, zu II 2 b aa der Gründe mwN) .c) Die vertraglich begründeten Lohnansprüche des Klägers haben auch dann Vorrang, wenn die Verweisungsklausel in § 3 des Arbeitsvertrags vom November 1991 als sog. Gleichstellungsabrede aufzufassen ist.aa) Nach der früheren Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts waren einzelvertraglich vereinbarte Bezugnahmen auf genau bestimmte Tarifverträge in deren jeweils geltender Fassung bei einer auf § 3 Abs. 1 TVG beruhenden Tarifgebundenheit des Arbeitgebers in aller Regel dahin auszulegen, dass sie nur die – möglicherweise – fehlende Tarifbindung des Arbeitnehmers ersetzen und die Anwendbarkeit der Tarifverträge auf alle Arbeitsverhältnisse bewirken sollten. Die so herbeigeführte Gleichstellung von tarifgebundenen und nicht tarifgebundenen Arbeitnehmern setzte sich damit im Falle einer Beendigung der Tarifgebundenheit des Arbeitgebers trotz des häufig entgegenstehenden Wortlauts der Verweisung fort. Da mit dem Wegfall der Tarifbindung des Arbeitgebers die Normen eines Tarifvertrags gegenüber den tarifgebundenen Arbeitnehmern nur noch statisch – kraft Nachwirkung – gelten, wirkten sie um der beabsichtigten Gleichstellung willen auch gegenüber den nicht tarifgebundenen Arbeitnehmern nicht dynamisch, sondern nur statisch weiter (BAG 18. April 2007 – 4 AZR 652/05 – Rn. 27, AP TVG § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 53 = EzA TVG § 3 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 35 mwN aus der Rechtsprechung bis 2004). Diese Auslegungsmaxime hat das Bundesarbeitsgericht nach einer entsprechenden Ankündigung im Urteil vom 14. Dezember 2005 (- 4 AZR 536/04 – BAGE 116, 326) mit Urteil vom 18. April 2007 (- 4 AZR 652/05 – Rn. 28 ff., aaO) für vertragliche Verweisungsklauseln, die nach dem 31. Dezember 2001 vereinbart wurden, aufgegeben. Die Auslegung solcher Klauseln richtet sich nunmehr maßgeblich nach ihrem Wortlaut. Soweit ein Vertragspartner Regelungsziele verfolgt, die sich aus dem Wortlaut der Verweisung nicht ergeben, gehen diese in die Auslegung nur ein, wenn sie für die andere Vertragspartei mit hinreichender Deutlichkeit zum Ausdruck kommen (BAG 18. April 2007 – 4 AZR 652/05 – Rn. 28, aaO). Für Verweisungsklauseln in Verträgen, die vor dem 1. Januar 2002 – dem Zeitpunkt des Inkrafttretens der Schuldrechtsreform – geschlossen worden, verbleibt es allerdings aus Gründen des Vertrauensschutzes bei der früheren Auslegungspraxis (BAG 18. April 2007 – 4 AZR 652/05 – Rn. 43 ff., aaO) .bb) Danach vermag sich der Kläger zwar nicht darauf zu berufen, dass eine mit der Verweisungsklausel in § 3 des Arbeitsvertrags vom November 1991 verbundene Gleichstellungsabsicht aus dem Wortlaut der Abrede nicht hinreichend deutlich werde. Auch eine Gleichstellung mit tarifgebundenen Arbeitnehmern führt aber nicht dazu, dass nach dem Betriebsteil-Übergang am 1. September 2003 die Regelungen des „Sozialplans” vom 28. August 2003 für die Gehaltsansprüche des Klägers gegenüber der Beklagten maßgeblich geworden wären.(1) Durch eine vertragliche Gleichstellungsabrede soll der (möglicherweise) nicht tarifgebundene Arbeitnehmer schuldrechtlich so gestellt werden, wie ein tarifgebundener Arbeitnehmer tarifrechtlich steht (BAG 1. Dezember 2004 – 4 AZR 50/04 – BAGE 113, 40, zu I 2 a der Gründe). In eine solche Gleichstellungsabrede tritt der Betriebserwerber gemäß § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB ein. Das hat zur Folge, dass sich auch der neue Arbeitgeber gegenüber dem betreffenden Arbeitnehmer darauf berufen kann, dieser solle ihm gegenüber (nur) so gestellt sein, wie er bei Vorliegen von Tarifbindung stünde.(2) Damit hängt die – statische – Weitergeltung des Tarifvertrags im Verhältnis der Parteien davon ab, ob sich die Beklagte gegenüber einem tarifgebundenen Arbeitnehmer darauf berufen könnte, die Regelungen des Vergütungstarifvertrags seien durch den „Sozialplan” vom 28. August 2003 abgelöst worden. Das ist nicht der Fall.Gemäß § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB werden Rechte und Pflichten aus der im Zeitpunkt des Betriebsübergangs bestehenden Rechtsbeziehung zwischen Betriebsveräußerer und Arbeitnehmer, soweit sie „durch Rechtsnormen eines Tarifvertrags oder durch eine Betriebsvereinbarung geregelt” sind, zum Inhalt des Arbeitsverhältnisses zwischen Betriebserwerber und Arbeitnehmer. Nach § 613a Abs. 1 Satz 3 BGB gilt dies nicht, wenn die betreffenden Rechte und Pflichten beim Betriebserwerber „durch Rechtsnormen eines anderen Tarifvertrags oder durch eine andere Betriebsvereinbarung geregelt” werden. Danach sind die Regelungen des Vergütungstarifvertrags bei einem tarifgebunden Arbeitnehmer des IB e.V. nach dem Betriebsteil-Übergang zum Inhalt seines Arbeitsverhältnisses mit der Beklagten geworden.(a) Da die Beklagte nicht tarifgebunden ist, kommt eine Ablösung der Rechtsnormen des Vergütungstarifvertrags durch einen bei ihr geltenden anderen Tarifvertrag nach § 613a Abs. 1 Satz 3 BGB schon aus diesem Grund nicht in Betracht. Es kommt deshalb nicht darauf an, ob eine Gleichstellungsabrede andernfalls, dh. im Fall einer originären Bindung des Betriebserwerbers an einen anderen Tarifvertrag dazu führen könnte, dass nicht tarifgebundene Arbeitnehmer wegen § 613a Abs. 1 Satz 3 BGB vertraglich nunmehr an diesen Tarifvertrag gebunden wären, auch wenn die Gleichstellungsabrede zwar die fehlende Bindung des Arbeitnehmers an die in Bezug genommenen Tarifverträge, aber nicht generell die Mitgliedschaft in der tarifschließenden Gewerkschaft ersetzt.(b) Eine Ersetzung der Bestimmungen des Vergütungstarifvertrags durch die Regelungen des „Sozialplans” scheidet aus. Im Rahmen von § 613a Abs. 1 Satz 3 BGB sind Regelungen einer beim nicht tarifgebundenen Betriebserwerber geltenden Betriebsvereinbarung nicht geeignet, Rechtsnormen eines zwischen Veräußerer und Arbeitnehmer auf Grund beidseitiger Tarifbindung geltenden Tarifvertrags verschlechternd abzulösen. Das gilt auch dann, wenn – wie im Streitfall – mangels Sperrwirkung eines Tarifvertrags nicht schon § 77 Abs. 3 Satz 1 BetrVG einer solchen Betriebsvereinbarung entgegensteht. Eine sog. Über-Kreuz-Ablösung der Rechtsnormen eines Tarifvertrags durch die Regelungen einer Betriebsvereinbarung ist – jedenfalls außerhalb des Bereichs der erzwingbaren Mitbestimmung des Betriebsrats – ausgeschlossen.(aa) Der Wortlaut des § 613a Abs. 1 Satz 3 BGB mag eine solche Ablösungsmöglichkeit nicht ausschließen. Die Vorschrift spricht nicht von einer Regelung durch Rechtsnormen eines anderen Tarifvertrags „bzw.” durch eine andere Betriebsvereinbarung, sondern verwendet die Konjunktion „oder”.Allerdings könnte der Wortlaut ebenso gut dahin zu verstehen sein, dass die Ablösungsfähigkeit einer beim Erwerber geltenden Kollektivnorm auf ihr im voranstehenden Satz 2 genanntes und in der gleichen Reihenfolge aufgeführtes normatives Pendant beschränkt ist (BAG 22. März 2005 – 1 ABR 64/03 – BAGE 114, 162, zu B II 2 c ee (5) (b) der Gründe). Dieses Verständnis wird durch die Begründung des Gesetzesentwurfs der Bundesregierung zum Arbeitsrechtlichen EG-Anpassungsgesetz (BT-Drucks. 8/3317 S. 7, 11)eher verstärkt. Die Ausführungen unter A III 2 des Ersten Teils und zu Art. 1 Nr. 4 des Zweiten Teils lassen nicht erkennen, dass der Gesetzgeber von der Vorstellung geleitet worden wäre, der Betriebserwerber solle die beim Veräußerer geltenden Tarifverträge schon dann nicht mehr nach § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB einhalten müssen, wenn bei ihm zwar nicht ein Tarifvertrag, aber eine Betriebsvereinbarung mit Regelungen zum selben Gegenstand gilt.(bb) Gegen die Möglichkeit einer Ablösung vormals tariflicher Regelungen durch verschlechternde Regelungen einer Betriebsvereinbarung sprechen entscheidend systematische und teleologische Gründe. Könnten ungünstigere Regelungen einer beim Erwerber geltenden Betriebsvereinbarung die Transformation tariflicher Regelungen in die Arbeitsverhältnisse nach § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB verhindern oder später beseitigen, so würden die Betriebsparteien aus Anlass eines Betriebsübergangs in die Lage versetzt, tarifliche Arbeitsbedingungen zu verschlechtern. Außerhalb eines Betriebsübergangs verstieße dies gegen § 4 Abs. 3 TVG. Auch eine gemäß § 4 Abs. 5 TVG nur nachwirkende Tarifnorm kann zumindest außerhalb des Bereichs der zwingenden Mitbestimmung nicht durch eine ungünstigere Betriebsvereinbarung abgelöst werden. Eine solche Betriebsvereinbarung ist wegen des Günstigkeitsprinzips auch unabhängig von § 77 Abs. 3 Satz 1 BetrVG keine wirksame „andere Abmachung” iSv. § 4 Abs. 5 TVG, die in die aus dem ehemals normativ wirkenden Tarifvertrag abgeleiteten Rechtspositionen der Arbeitnehmer verschlechternd eingreifen könnte (BAG 22. März 2005 – 1 ABR 64/03 – BAGE 114, 162, zu B II 2 c ee (5) (b) der Gründe) .Dem widerspräche es, wenn die Betriebsparteien im Zusammenhang mit einem Betriebsübergang eine solche Befugnis besäßen. Dies wird besonders deutlich, wenn die Betriebsvereinbarung erst einige Zeit nach dem Betriebsübergang geschlossen wird, so dass zunächst eine Transformation der beim Veräußerer normativ geltenden Tarifregelungen in die Arbeitsverhältnisse mit dem Erwerber iSv. § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB stattgefunden hat. In die auf diese Weise entstandene individualrechtliche Position der Arbeitnehmer vermag eine Betriebsvereinbarung grundsätzlich nicht verschlechternd einzugreifen. Etwas anderes folgt auch nicht aus dem Umstand, dass die Rechtspositionen der Arbeitnehmer einen kollektiv-rechtlichen Ursprung haben. Dieser Umstand berechtigt zwar zu einer Ablösung von zuvor auf einer Betriebsvereinbarung beruhenden individualrechtlichen Positionen iSv. § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB durch eine spätere, ungünstigere Betriebsvereinbarung beim Erwerber (BAG 18. November 2003 – 1 AZR 604/02 – BAGE 108, 299, zu I 2 b der Gründe mwN). Er vermag aber eine Ablösung individualrechtlicher Positionen, die auf einer Transformation von Tarifnormen gemäß § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB beruhen, durch eine spätere, verschlechternde Betriebsvereinbarung beim Erwerber nicht zu rechtfertigen.Die Möglichkeit einer Über-Kreuz-Ablösung verstieße auch gegen den Schutzzweck von § 613a Abs. 1 BGB und der ihm zugrunde liegenden Richtlinie 77/187/EWG des Rates vom 14. Februar 1977 in ihrer Fassung durch die Richtlinie 2001/23/EG des Rates vom 12. März 2001. Nach Art. 3 Abs. 3 RL 2001/23/EG „erhält der Erwerber (nach dem Übergang) die in einem Kollektivvertrag vereinbarten Arbeitsbedingungen bis zur Kündigung oder zum Ablauf des Kollektivvertrags bzw. bis zum Inkrafttreten oder bis zur Anwendung eines anderen Kollektivvertrags in dem gleichen Maße aufrecht, wie sie in dem Kollektivvertrag für den Veräußerer vorgesehen waren”. Art. 3 der Richtlinie und § 613a Abs. 1 BGB verfolgen ersichtlich das Ziel, die Rechtsstellung der Arbeitnehmer vor Verschlechterungen aus Anlass eines Betriebsübergangs weitgehend zu schützen. Dem widerspräche es, wenn es dem Erwerber ermöglicht würde, ursprünglich tariflich begründete Rechtsansprüche der Arbeitnehmer, die durch § 4 Abs. 3 TVG vor Verschlechterungen durch eine Betriebsvereinbarung geschützt waren, nach dem Betriebsübergang durch ungünstigere Regelungen einer Betriebsvereinbarung abzulösen.

 

Schmidt Linsenmaier Kreft

Münzer Brunner


Papierfundstellen:

BAGE 124, 323
NZA 2008, 542
DB 2008, 935