BAG – 5 AZN 599/10

Begründung einer Nichtzulassungsbeschwerde – Wiedergabe umfangreicher Schriftsätze

Bundesarbeitsgericht,  Beschluss vom 01.09.2010, 5 AZN 599/10

Tenor

  1. Die Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 6. Mai 2010 – 2 Sa 2778/09 – wird zurückgewiesen.
  2. Die Beklagte hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
  3. Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 7.335,52 Euro festgesetzt.

 

Gründe

5 AZN 599/10 > Rn 1 

I. Die Parteien streiten noch über Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall (Juli 2009) und Vergütung wegen Annahmeverzugs (August und September 2009). Insoweit haben die Vorinstanzen der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Revision nicht zugelassen. Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Beklagten.

5 AZN 599/10 > Rn 2 

II. Soweit die Beklagte die Zulassung der Revision wegen einer Divergenz geltend macht, entspricht die Beschwerdebegründung nicht den gesetzlichen Anforderungen, § 72a Abs. 3 ArbGG.

5 AZN 599/10 > Rn 3 

1. Zur ordnungsgemäßen Begründung einer Divergenzbeschwerde gehört, dass der Beschwerdeführer einen abstrakten Rechtssatz aus der anzufechtenden Entscheidung sowie einen hiervon abweichenden abstrakten Rechtssatz aus einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts oder eines anderen der in § 72 Abs. 2 Nr. 2 ArbGG genannten Gerichte anführt und darlegt, dass das anzufechtende Urteil auf dieser Abweichung beruht (vgl. BAG 6. Dezember 1994 – 9 AZN 337/94 – BAGE 78, 373, 375). Nach § 72a Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ArbGG müssen diese Voraussetzungen in der Begründung der Beschwerde dargelegt und die Entscheidung, von der das Urteil abweicht, bezeichnet werden (BAG 14. April 2005 – 1 AZN 840/04 – BAGE 114, 200). Allein die Darlegung einer fehlerhaften Rechtsanwendung bzw. fehlerhaften oder unterlassenen Anwendung der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts oder eines anderen der im Gesetz genannten Gerichte reicht zur Begründung einer Divergenzbeschwerde nicht aus (vgl. BAG 23. Juli 1996 – 1 ABN 18/96 – AP ArbGG 1979 § 72a Divergenz Nr. 33 = EzA ArbGG 1979 § 72a Nr. 76).

5 AZN 599/10 > Rn 4 

2. Hieran fehlt es. Die Beklagte hat keinen fallübergreifenden Rechtssatz, sondern lediglich eine einzelfallbezogene Rechtsanwendung des Landesarbeitsgerichts zur Frage der Arbeitsunfähigkeit des Klägers dargelegt.

5 AZN 599/10 > Rn 5 

III. Die Beschwerde ist unbegründet.

5 AZN 599/10 > Rn 6 

1. Der Rechtsstreit wirft keine grundsätzliche, klärungsbedürftige Rechtsfrage auf. Die von der Beklagten aufgeworfene Rechtsfrage nach den Rechtsfolgen einer vertraglich vereinbarten Freistellungserklärung ist nicht mehr klärungsbedürftig. Der Senat hat mit Urteil vom 23. Januar 2008 (- 5 AZR 393/07 – EzA BGB 2002 § 615 Nr. 22) entschieden, dass durch eine Freistellungsvereinbarung regelmäßig allein die Arbeitspflicht des Arbeitnehmers aufgehoben wird, ohne weitere Rechtsfolgen zu regeln. Sie lässt den Vertragsinhalt unberührt. Soll die Freistellungsvereinbarung einen Entgeltanspruch unabhängig von den gesetzlichen, tarifvertraglichen oder arbeitsvertraglichen Voraussetzungen begründen, bedarf dies einer besonderen Regelung.

5 AZN 599/10 > Rn 7 

2. Das Landesarbeitsgericht hat den Anspruch der Beklagten auf rechtliches Gehör nicht verletzt.

5 AZN 599/10 > Rn 8 

a) Soweit die Beklagte geltend macht, sie habe hinsichtlich der Ansprüche auf Annahmeverzugsvergütung (und damit nur für August und September 2009) unter Beweisantritt vorgetragen, der Kläger sei nicht mehr zur Erbringung der Tätigkeit als Servicemonteur im Stande gewesen, bezieht sich der konkrete Vortrag im Schriftsatz vom 4. Februar 2010 lediglich auf die Stellungnahmen des AMD und greift diese auf („gesundheitliche Bedenken“). Das Landesarbeitsgericht hat sich mit diesem Vortrag auseinandergesetzt und diesen als nicht ausreichend bewertet.

5 AZN 599/10 > Rn 9 

b) Im Übrigen fehlt es bereits an einer ordnungsgemäßen Darlegung eines Verstoßes. Wird mit der Nichtzulassungsbeschwerde gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 3 ArbGG eine entscheidungserhebliche Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör geltend gemacht, muss nach § 72a Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 ArbGG die Beschwerdebegründung die Darlegung der Verletzung dieses Anspruchs und deren Entscheidungserheblichkeit enthalten. Die bloße Benennung eines Zulassungsgrundes genügt nicht. Der Beschwerdeführer hat vielmehr zu dessen Voraussetzungen substantiiert vorzutragen (BAG 20. Januar 2005 – 2 AZN 941/04 – BAGE 113, 195; 22. März 2005 – 1 ABN 1/05 – BAGE 114, 157; 20. Mai 2008 – 9 AZN 1258/07 – BAGE 126, 346). Will der Beschwerdeführer geltend machen, das Landesarbeitsgericht habe seinen Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt, indem es seine Ausführungen nicht berücksichtigt habe, muss er konkret und im Einzelnen schlüssig dartun, welches wesentliche und entscheidungserhebliche Vorbringen das Landesarbeitsgericht bei seiner Entscheidung übergangen haben soll (BAG 31. Mai 2006 – 5 AZR 342/06 (F) – BAGE 118, 229). Ein rügebezogener Vortrag wird nicht durch die umfassende wörtliche Wiedergabe von Schriftsätzen ersetzt. Deren Inhalt ist vielmehr jeweils konkret auf die gerügte Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör zu beziehen.

5 AZN 599/10 > Rn 10 

c) Die seitenlange wörtliche Wiedergabe der in der Berufungsinstanz eingereichten Schriftsätze beinhaltet keine konkrete Darlegung eines entscheidungserheblichen Verstoßes gegen Art. 103 Abs. 1 GG und ersetzt diese auch nicht. Zudem betreffen diese Ausführungen allein die Frage eines anderweitigen Einsatzes. Diese Frage wäre jedoch nur erheblich, wenn eine dauernde Leistungsunfähigkeit feststünde. Bezüglich der auf § 3 EFZG gestützten Ansprüche für Juli 2009 hat die Beklagte ebenfalls keine konkreten Rügen erhoben, sondern lediglich im Rahmen der Annahmeverzugsansprüche für August und September 2009 pauschal auf die Arbeitsunfähigkeit des Klägers verwiesen. Im Weiteren hat sie über mehrere Seiten umfangreich und wörtlich Schriftsätze wiederholt, ohne einen konkreten Zulassungsgrund aufzuzeigen.

5 AZN 599/10 > Rn 11 

IV. Die Beklagte hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

5 AZN 599/10 > Rn 12 

V. Die Wertfestsetzung beruht auf § 63 GKG.

 

        

Müller-Glöge       Laux       Biebl

Buschmann       Wolf    

 

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Fundstellen:

NZA 2010, 1196


Papierfundstellen:

Die Entscheidung BAG – 5 AZN 599/10 wird zitiert in:

  1. > BAG, 18.09.2019 – 5 AZN 640/19

  2. > BAG, 06.01.2015 – 6 AZB 105/14