BAG – 9 AZR 630/19

ECLI:DE:BAG:2020:271020.U.9AZR630.19.0
NZA 2021, 586    ZTR 2021, 264

Urlaubsentgelt nach § 21 Satz 2 TV-Ärzte – Elternzeit im Bezugszeitraum

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 27.10.2020, 9 AZR 630/19

Tenor

  1. Auf die Revision des beklagten Landes wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 28. August 2019 – 14 Sa 1009/18 – im Kostenpunkt insgesamt und in der Hauptsache insoweit aufgehoben, als das Landesarbeitsgericht der Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Hannover vom 15. November 2018 – 7 Ca 260/18 Ö – stattgegeben hat.
  2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung – auch über die Kosten der Revision – an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

 

Tatbestand

9 AZR 630/19 > Rn 1

Der Kläger nimmt das beklagte Land – soweit für das Revisionsverfahren von Bedeutung – auf Zahlung weiteren Urlaubsentgelts in Anspruch.

9 AZR 630/19 > Rn 2

Das beklagte Land beschäftigt den Kläger seit 2015 als Oberarzt an der M. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet aufgrund beiderseitiger Tarifbindung ua. der Tarifvertrag für Ärztinnen und Ärzte an Universitätskliniken vom 30. Oktober 2006 in der Fassung des Änderungstarifvertrages Nr. 6 vom 12. April 2017 (TV-Ärzte) Anwendung. Der TV-Ärzte enthält ua. folgende Regelungen:

„§ 21

Bemessungsgrundlage für die Entgeltfortzahlung

In den Fällen der Entgeltfortzahlung nach § 22 Absatz 1, § 26 und § 27 werden das Tabellenentgelt sowie die sonstigen in Monatsbeträgen festgelegten Entgeltbestandteile weitergezahlt. Nicht in Monatsbeträgen festgelegte Entgeltbestandteile werden als Durchschnitt auf Basis der letzten drei vollen Kalendermonate, die dem maßgebenden Ereignis für die Entgeltfortzahlung vorhergehen (Berechnungszeitraum), gezahlt. Ausgenommen hiervon sind das zusätzlich gezahlte Entgelt für Überstunden und Mehrarbeit (mit Ausnahme der im Dienstplan vorgesehenen Mehrarbeits- oder Überstunden), Leistungsentgelte, Jahressonderzahlungen sowie besondere Zahlungen nach § 23.

Protokollerklärungen zu § 21 Satz 2 und 3:

1.
Volle Kalendermonate im Sinne der Durchschnittsberechnung nach Satz 2 sind Kalendermonate, in denen an allen Kalendertagen das Arbeitsverhältnis bestanden hat. Hat das Arbeitsverhältnis weniger als drei Kalendermonate bestanden, sind die vollen Kalendermonate, in denen das Arbeitsverhältnis bestanden hat, zugrunde zu legen. Bei Änderungen der individuellen Arbeitszeit werden die nach der Arbeitszeitänderung liegenden vollen Kalendermonate zu Grunde gelegt.

§ 26

Erholungsurlaub

(1)
Ärzte haben in jedem Kalenderjahr Anspruch auf Erholungsurlaub unter Fortzahlung des Entgelts (§ 21). Bei Verteilung der wöchentlichen Arbeitszeit auf fünf Tage in der Kalenderwoche beträgt der Urlaubsanspruch in jedem Kalenderjahr 30 Arbeitstage …

(2)
Im Übrigen gilt das Bundesurlaubsgesetz mit folgenden Maßgaben:

c)
Ruht das Arbeitsverhältnis, so vermindert sich die Dauer des Erholungsurlaubs einschließlich eines etwaigen Zusatzurlaubs für jeden vollen Kalendermonat um ein Zwölftel.“

9 AZR 630/19 > Rn 3

Vom 2. Mai bis zum 31. Oktober 2017 befand sich der Kläger in Elternzeit. Am 9. und 14. November 2017 erteilte das beklagte Land dem Kläger Urlaub. Als Urlaubsentgelt zahlte es ihm lediglich das Tabellenentgelt. Für den Urlaub, der dem Kläger am 4., 5., 11., 19. Dezember 2017 und vom 27. bis zum 29. Dezember 2017 gewährt wurde, zahlte es neben dem Tabellenentgelt für jeden der sieben Urlaubstage 39,29 Euro brutto an den Kläger. Hätte das beklagte Land das Urlaubsentgelt auf der Grundlage des Arbeitsentgelts, das der Kläger in den drei Monaten vor der Elternzeit bezog, berechnet, hätten die unständigen Entgeltbestandteile für die Urlaubstage im November 2017 jeweils 158,81 Euro brutto und für die Urlaubstage im Dezember 2017 jeweils 110,79 Euro brutto betragen.

9 AZR 630/19 > Rn 4

Mit E-Mail vom 7. Februar 2018 forderte der Kläger das beklagte Land erfolglos auf, das Urlaubsentgelt unter Ausschluss seiner Elternzeit zu berechnen.

9 AZR 630/19 > Rn 5

Der Kläger hat die Ansicht vertreten, für die Berechnung des Urlaubsentgelts im November 2017 sei auf die letzten Kalendermonate vor seiner Elternzeit (Februar / März / April 2017) und für die Berechnung des Urlaubsentgelts im Dezember 2017 auf die Kalendermonate März, April und November 2017 abzustellen.

9 AZR 630/19 > Rn 6

Der Kläger hat – soweit für die Revision von Bedeutung – beantragt,

1.
das beklagte Land zu verurteilen, ihm einen Betrag iHv. 317,62 Euro brutto zu zahlen zuzüglich Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. Februar 2018 und

2.
das beklagte Land zu verurteilen, ihm einen Betrag iHv. 500,50 Euro brutto zu zahlen zuzüglich Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. März 2018.

9 AZR 630/19 > Rn 7

Das beklagte Land hat die Abweisung der Klage mit der Begründung beantragt, die nicht in Monatsbeträgen festgelegten Bestandteile des Urlaubsentgelts seien unter Einbeziehung des Zeitraums, in dem sich der Kläger in Elternzeit befunden habe, zu berechnen und daher für die Monate August, September und Oktober 2017 mit null Euro anzusetzen.

9 AZR 630/19 > Rn 8

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Landesarbeitsgericht das Urteil – soweit für die Revision von Bedeutung – abgeändert und der Klage stattgegeben. Das beklagte Land begehrt mit der Revision die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.

 

 

Entscheidungsgründe

9 AZR 630/19 > Rn 9

Die Revision des beklagten Landes ist begründet. Mit der Begründung, für die Berechnung der in Monatsbeträgen festgelegten Bestandteile des Urlaubsentgelts sei auf die Monate vor der Elternzeit abzustellen, durfte das Landesarbeitsgericht der Klage – soweit für die Revision von Bedeutung – nicht stattgeben. Auf der Grundlage der Feststellungen des Landesarbeitsgerichts kann der Senat nicht abschließend entscheiden, ob dem Kläger ein Anspruch auf weiteres Urlaubsentgelt für die Monate November und Dezember 2017 zusteht. Das angefochtene Urteil war deshalb aufzuheben und die Sache nach § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

9 AZR 630/19 > Rn 10

I. Die Revision hat nicht bereits deswegen Erfolg, weil die Berufung des Klägers mangels ausreichender Begründung des Rechtsmittels unzulässig war. Entgegen der Ansicht des beklagten Landes hat sich der Kläger in seiner Berufungsbegründung innerhalb der einmal verlängerten Begründungsfrist gemäß § 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG iVm. § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO hinreichend mit den Entscheidungsgründen des erstinstanzlichen Urteils auseinandergesetzt (vgl. zu den Anforderungen BAG 15. März 2011 – 9 AZR 813/09 – Rn. 11).

9 AZR 630/19 > Rn 11

1. Das Arbeitsgericht hat seine klageabweisende Entscheidung – soweit für die Revision von Bedeutung – damit begründet, die Tarifvorschrift des § 21 Satz 1 TV-Ärzte bestimme für die Berechnung der nicht in Monatsbeträgen festgelegten Bestandteile des Urlaubsentgelts einen von § 11 Abs. 1 BUrlG zulässigerweise abweichenden Modus. Die Berücksichtigung vergütungsloser Zeiträume wie der Elternzeit zulasten des Arbeitnehmers sei von der Regelungsmacht der Tarifvertragsparteien gedeckt (§ 13 Abs. 1 BUrlG).

9 AZR 630/19 > Rn 12

2. Der Kläger hat im Rahmen seiner Berufungsbegründung ua. ausgeführt, die Tarifvertragsparteien hätten in § 21 Satz 1 TV-Ärzte lediglich einen von der gesetzlichen Regelung in § 11 Abs. 1 Satz 1 BUrlG abweichenden Berechnungszeitraum bestimmt. Die übrigen Bestimmungen in § 11 Abs. 1 BUrlG blieben von der tariflichen Regelung unberührt. Den Tarifvertragsparteien komme nicht die Befugnis zu, wesentliche Vergütungsbestandteile bei der Berechnung des Urlaubsentgelts unberücksichtigt zu lassen. Deshalb sei für die Berechnung der Urlaubsvergütung auf einen dreimonatigen Zeitraum zurückzugreifen, in dem der Arbeitgeber an den Arbeitnehmer eine Vergütung gezahlt habe. Diese Ausführungen lassen hinreichend deutlich erkennen, aus welchen Gründen der Kläger die Entscheidung des Arbeitsgerichts für rechtlich unzutreffend hält.

9 AZR 630/19 > Rn 13

II. Die Revision des beklagten Landes ist begründet. Das Landesarbeitsgericht hat zu Unrecht angenommen, eine unionrechtskonforme Auslegung des § 21 TV-Ärzte führe im Streitfall dazu, dass für die Berechnung der nicht in Monatsbeträgen festgelegten Bestandteile des Urlaubsentgelts auf die Monate Februar bis April 2017 abzustellen sei, weil der Kläger in den Monaten Mai bis Oktober 2017 kein Arbeitsentgelt erzielt habe. Dies hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand. Die Elternzeit eines Arbeitnehmers lässt den in § 21 Satz 2 TV-Ärzte bestimmten Berechnungszeitraum unberührt. Mit Rücksicht auf das Regelungsziel der Tarifvertragsparteien, die nicht in Monatsbeträgen festgelegten Bestandteile des Urlaubsentgelts unter Rückgriff auf einen dreimonatigen Referenzzeitraum am üblichen Verdienst des Arbeitnehmers zu orientieren, ist für die Berechnung dieser Bestandteile auf das hypothetische Entgelt abzustellen, das der Arbeitnehmer erhalten hätte, wenn er sich in dem Referenzzeitraum nicht in Elternzeit befunden hätte. Dies ergibt die Auslegung des § 21 Satz 2 TV-Ärzte (vgl. zu den für Tarifverträge maßgebenden Auslegungsgrundsätzen BAG 19. Juni 2018 – 9 AZR 564/17 – Rn. 17).

9 AZR 630/19 > Rn 14

1. Für dieses Auslegungsergebnis spricht bereits der Wortlaut der Tarifbestimmung. Gemäß § 21 Satz 2 TV-Ärzte werden die nicht in Monatsbeträgen festgelegten Entgeltbestandteile „als Durchschnitt auf Basis der letzten drei vollen Kalendermonate, die dem maßgebenden Ereignis für die Entgeltfortzahlung vorhergehen …, gezahlt“. Anders als vom Landesarbeitsgericht angenommen legt die Tarifvorschrift den Berechnungszeitraum fest, ohne Ausnahmen für Zeiträume zu bestimmen, in denen der Arbeitnehmer – etwa infolge von Elternzeit – keinen Arbeitsverdienst erzielt hat.

9 AZR 630/19 > Rn 15

2. Der systematische Zusammenhang, in den die Tarifbestimmung eingebettet ist, stützt das im Wortlaut der Vorschrift angelegte Tarifverständnis, dem zufolge der Referenzzeitraum die drei vollen Kalendermonate vor dem Urlaubszeitraum unabhängig davon umfasst, dass sich der Arbeitnehmer in diesen Monaten in Elternzeit befand.

9 AZR 630/19 > Rn 16

a) Die Protokollerklärung der Tarifvertragsparteien zu § 21 Satz 2 und 3 TV-Ärzte stellt in Satz 1 klar, dass volle Kalendermonate im Sinne der Durchschnittsberechnung die Kalendermonate sind, in denen das Arbeitsverhältnis bestanden hat. Danach kommt es allein auf den rechtlichen Bestand des Arbeitsverhältnisses, nicht aber darauf an, dass der Arbeitnehmer in dem genannten Zeitraum Anspruch auf Arbeitsentgelt hatte. Während der Elternzeit verbindet die Arbeitsvertragsparteien ein ruhendes Arbeitsverhältnis (vgl. BAG 19. März 2019 – 9 AZR 495/17 – Rn. 17, BAGE 166, 189), in dem die beiderseitigen Hauptleistungspflichten suspendiert sind (vgl. BAG 17. Mai 2011 – 9 AZR 197/10 – Rn. 30, BAGE 138, 58).

9 AZR 630/19 > Rn 17

b) Nichts anderes folgt aus § 26 Abs. 2 Buchst. c TV-Ärzte. Danach vermindert sich die Dauer des Erholungsurlaubs einschließlich eines etwaigen Zusatzurlaubs für jeden vollen Kalendermonat um ein Zwölftel, wenn das Arbeitsverhältnis ruht. Für Zeiten, in denen das Arbeitsverhältnis aufgrund der Inanspruchnahme von Elternzeit ruht, haben die Tarifvertragsparteien den Jahresurlaub, dessen Umfang dem Grundsatz nach in § 26 Abs. 1 Satz 2 TV-Ärzte geregelt ist, gemäß § 26 Abs. 2 Buchst. c TV-Ärzte um den (anteilig) auf die Elternzeit entfallenden Urlaub gekürzt (vgl. zum Sonderurlaub BAG 21. Mai 2019 – 9 AZR 259/18 – Rn. 13). § 26 Abs. 2 Buchst. c TV-Ärzte hat damit allein die Urlaubsdauer zum Gegenstand, trifft aber keine Aussage über die Höhe des zu zahlenden Urlaubsentgelts für die verbleibenden Urlaubstage.

9 AZR 630/19 > Rn 18

3. Sinn und Zweck des § 21 Satz 2 TV-Ärzte erfordern es, als Berechnungszeitraum die drei vollen Kalendermonate anzusetzen, die dem Urlaub vorangehen, und für den Fall, dass der Arbeitnehmer in diesem Zeitraum elternzeitbedingt keinen Arbeitsverdienst erzielt hat, die nicht in Monatsbeträgen festgelegten Entgeltbestandteile unter Zugrundelegung eines hypothetischen Arbeitsverdiensts zu berechnen.

9 AZR 630/19 > Rn 19

a) § 1 BUrlG sichert das Recht des Arbeitnehmers auf bezahlten Erholungsurlaub. Das Bundesurlaubsgesetz begründet damit nicht nur einen Freistellungsanspruch, sondern auch einen Anspruch des Arbeitnehmers auf Bezahlung (vgl. BAG 22. Januar 2019 – 9 AZR 149/17 – Rn. 23). § 1 BUrlG entspricht insoweit Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88/EG, der den Anspruch auf Freistellung und denjenigen auf Zahlung des Urlaubsentgelts als zwei untrennbare Aspekte eines einzigen Anspruchs behandelt. Das Bundesarbeitsgericht hat § 1 BUrlG unionsrechtskonform dahingehend ausgelegt, dass der Arbeitnehmer für den Urlaubszeitraum das gewöhnliche Arbeitsentgelt erhalten muss (BAG 20. September 2016 – 9 AZR 429/15 – Rn. 19, unter Hinweis auf EuGH 15. September 2011 – C-155/10 – [Williams ua.] Rn. 19). Durch das Erfordernis der Zahlung des Urlaubsentgelts soll der Arbeitnehmer während des Jahresurlaubs in eine Lage versetzt werden, die in Bezug auf das Entgelt mit den Zeiten geleisteter Arbeit vergleichbar ist (vgl. EuGH 22. Mai 2014 – C-539/12 – [Lock] Rn. 17 mwN).

9 AZR 630/19 > Rn 20

b) Mit der Regelung in § 21 Satz 2 TV-Ärzte haben die Tarifvertragsparteien einen Berechnungsmodus tarifiert, der es unter Rückgriff auf einen dreimonatigen Referenzzeitraum erlaubt, das Urlaubsentgelt in Übereinstimmung mit § 1 BUrlG so zu bestimmen, dass es der Höhe nach der Vergütung entspricht, die der Arbeitnehmer im Falle geleisteter Arbeit erhalten hätte.

9 AZR 630/19 > Rn 21

aa) In diesem Zusammenhang ist neben der Länge auch die Lage des Berechnungszeitraums im Verhältnis zum Urlaub von Bedeutung. Je näher jener an diesem liegt, desto genauer sind die Tatsachen, anhand deren die von § 21 Satz 2 TV-Ärzte bezweckte Verstetigung des Verdienstes für Zeiten, in denen sich der Arbeitnehmer im Urlaub befindet, zu prognostizieren ist. Führte die Elternzeit eines Arbeitnehmers zu einer Verschiebung des Referenzzeitraums, löste dies die zeitliche Verklammerung von Referenzzeitraum und Urlaub auf mit der Folge, dass die Prognosegenauigkeit litte.

9 AZR 630/19 > Rn 22

bb) Fallen in den Bezugszeitraum Zeiten, in denen der Arbeitnehmer infolge von Elternzeit keinen Arbeitsverdienst erzielt hat, sind die nicht in Monatsbeträgen festgelegten Entgeltbestandteile unter Zugrundelegung eines hypothetischen Arbeitsverdiensts zu berechnen. Anders lässt sich das Regelungsziel der Tarifbestimmung, das Arbeitsentgelt, das der Arbeitnehmer in Zeiten mit tatsächlicher Arbeitsleistung üblicherweise verdient, für die Zeit des Urlaubs zu verstetigen, nicht erreichen. Denn Elternzeit, in der der Arbeitnehmer keine Arbeitsleistung erbringt und der Arbeitgeber kein Arbeitsentgelt zahlt, lässt keinen Schluss auf das gewöhnliche Arbeitsentgelt zu, das einem Arbeitnehmer in Zeiten tatsächlicher Arbeitsleistung zusteht. Die Höhe der Vergütung für geleistete Arbeit ist nicht davon abhängig, ob und wie lange der Arbeitnehmer zuvor Elternzeit in Anspruch genommen hat. Aus diesem Grunde ist für die Berechnung der nicht in Monatsbeträgen festgelegten Bestandteile des Urlaubsentgelts auf das hypothetische Entgelt abzustellen, das der Arbeitnehmer verdient hätte, wenn er sich in dem Bezugszeitraum des § 21 Satz 2 TV-Ärzte nicht in Elternzeit befunden hätte.

9 AZR 630/19 > Rn 23

III. Die Entscheidung erweist sich weder aus anderen Gründen als richtig (§ 561 ZPO) noch ist die Sache zur Endscheidung reif (§ 563 Abs. 3 ZPO). Auf der Grundlage der Feststellungen des Landesarbeitsgerichts kann der Senat nicht beurteilen, ob dem Kläger ein Anspruch auf weitere Urlaubsvergütung zusteht. Das Landesarbeitsgericht hat – aus seiner Sicht konsequent – nicht geprüft, auf welchen Betrag sich das Urlaubsentgelt unter Zugrundelegung eines Bezugszeitraums beläuft, der drei volle Kalendermonate vor dem jeweiligen Urlaub liegt. Diese Prüfung wird das Landesarbeitsgericht nachzuholen haben. Im Einzelnen ist dabei Folgendes zu beachten: Soweit der Kläger das beklagte Land auf Zahlung weiteren Urlaubsentgelts für die Urlaubstage im Monat November 2017 in Anspruch nimmt, fällt der gesamte Bezugszeitraum (August bis Oktober 2017) in die Elternzeit des Klägers. Soweit die Parteien über die Höhe des Urlaubsentgelts für den Urlaub, den der Kläger im Monat Dezember 2017 nahm, streiten, ist der tarifliche Bezugszeitraum der 1. September bis zum 30. November 2017. Das Landesarbeitsgericht wird nach der Zurückverweisung der Sache den Parteien bezüglich des hypothetischen Arbeitsentgelts des Klägers in diesen Bezugszeiträumen, soweit sie die Elternzeit des Klägers umfassen, rechtliches Gehör zu gewähren und sodann die Höhe des Urlaubsentgelts zu bestimmen haben.

Kiel       Weber       Suckow

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Zusammenfassung:

(Orientierungssätze der Richterinnen und Richter des Bundesarbeitsgerichts)

1.
Nach § 21 Satz 2 TV-Ärzte erhält der Arbeitnehmer während seines Urlaubs ein Entgelt, dessen nicht in Monatsbeträgen festgelegte Bestandteile auf Basis der letzten drei vollen Kalendermonate, die dem maßgebenden Ereignis für die Entgeltfortzahlung vorhergehen (Berechnungszeitraum), zu berechnen ist (Rn. 13).

2.
Ziel der Tarifbestimmung ist es, das übliche Arbeitsentgelt, das einem Arbeitnehmer zusteht, im Urlaubszeitraum zu verstetigen. Befindet sich ein Arbeitnehmer in den letzten drei vollen Kalendermonaten vor dem Urlaub in Elternzeit, führt dies nicht zu einer Verschiebung des Bezugszeitraums. Stattdessen ist für die Berechnung des Urlaubsentgelts auf das hypothetische Entgelt abzustellen, das der Arbeitnehmer erhalten hätte, wenn er sich im Berechnungszeitraum nicht in Elternzeit befunden hätte (Rn. 22).

Papierfundstellen:

NZA 2021, 586
ZTR 2021, 264

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