BAG – 2 AZR 234/95

Aufhebungsvertrag – Wirksamkeit

Bundesarbeitsgericht,  Urteil vom 14.02.1996, 2 AZR 234/95

Leitsätze des Gerichts

1.
Ein Aufhebungsvertrag ist nicht schon dann unwirksam, wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer weder eine Bedenkzeit noch ein Rücktritts- oder Widerrufsrecht eingeräumt hat (Bestätigung von Senat, NZA 1994, 209).
2.
Eine abweichende Rechtsfortbildung ist auch nicht mit dem Argument geboten, der Arbeitnehmer sei beim Abschluß von Aufhebungsverträgen in einer Verhandlungsposition struktureller Unterlegenheit i. S. des Beschlusses vom 19.10.1993 (BVerfGE 89, 214 = NJW 1994, 36). Es fehlt nämlich beim Abschluß von Aufhebungsverträgen an der strukturell ungleichen Verhandlungsstärke als Voraussetzung der vom BVerfG geforderten Inhaltskontrolle.
edingte Störung reicht nicht ohne weiteres aus.

Tatbestand

Der am 28. Januar 1956 geborene Kläger war seit 1972 zunächst als Auszubildender und dann als Verwaltungsangestellter bei der Beklagten beschäftigt und erhielt zuletzt Vergütung nach der VergGr. VI b BAT. Er ist alkoholkrank. Nachdem der Beklagten bekannt geworden war, daß der Kläger in den Jahren 1990 bis 1992 gefälschte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen vorgelegt hatte, suchten der Leiter des Personalamts der Beklagten, der Zeuge Q , sowie ein weiterer Mitarbeiter der Beklagten den Kläger am 19. August 1992 in dessen Wohnung auf und hielten ihm seine Verfehlungen vor. Der Kläger und Herr Q unterzeichneten sodann einen von der Beklagten vorbereiteten „Auflösungsvertrag“ mit folgendem Inhalt:

„Das zwischen der Stadt Oldenburg (Oldb), vertreten durch den Oberstadtdirektor, und Herrn Y L , geb. 28.01.1956 mit Arbeitsvertrag vom 17.02.1988 abgeschlossene Arbeitsverhältnis wird im gegenseitigen Einvernehmen nach § 58 BAT mit sofortiger Wirkung beendet.

Oldenburg (Oldb), 19.08.1992

Der Oberstadtdirektor

im Auftrage“

Der Kläger hält die Vereinbarung für unwirksam und hat dies mit Schreiben seines Prozeßbevollmächtigten vom 18. Dezember 1992 gegenüber der Beklagten geltend gemacht. Aus demselben Grund hat er am 28. Mai 1993 beim Arbeitsgericht die vorliegende Klage eingereicht.
Der Kläger hat vorgetragen, er sei von den Mitarbeitern der Beklagten überrascht worden und nach durchzechter Nacht in alkoholisiertem Zustand gewesen, so daß er nicht in der Lage gewesen sei, einen vernünftigen Gedanken zu fassen. Am 18. August 1992 habe er den ganzen Tag über bis in die frühen Morgenstunden des 19. August 1992 (2.00 Uhr – 3.00 Uhr) hinein Alkohol (Bier und Schnaps) in einem Maße zu sich genommen, bis er nicht mehr gekonnt habe. Damit habe er einen Grad der Alkoholisierung erreicht, der einen Blutalkoholgehalt von mehr als 3,0 g Promille ergeben würde. Er habe sich damit in einem Zustand der Bewußtlosigkeit im Sinne des § 105 Abs. 2 BGB befunden. Dieser Zustand habe auch noch angedauert, als die Gespräche zwischen ihm und den Mitarbeitern der Beklagten geführt worden seien.
Da der Beklagten seine Alkoholkrankheit bekannt gewesen sei, habe sie ihm gegenüber eine besondere Fürsorgepflicht bei Erörterung des Sachverhalts getroffen. Es wäre erforderlich gewesen, den Personalrat oder einen Sozialarbeiter, den die Beklagte zur Betreuung von Mitarbeitern mit derartigen Schwierigkeiten extra eingestellt habe, hinzuzuziehen. Stattdessen hätten ihn die Mitarbeiter der Beklagten überrumpelt und in Ausnutzung der Situation zur Unterzeichnung der Aufhebungsvereinbarung veranlaßt. Ihm sei weder eine Bedenkzeit eingeräumt noch sei er auf durch den Vertragsabschluß eintretende Nachteile hingewiesen worden.
Der Auflösungsvertrag sei auch deshalb unwirksam, weil es an einer Bevollmächtigung des Mitarbeiters Q durch den Oberstadtdirektor fehle und die Vorschriften der Niedersächsischen Gemeindeordnung – Unterzeichnung der Vereinbarung durch den Oberbürgermeister und den Oberstadtdirektor gemeinsam unter Beifügung des Dienstsiegels – nicht eingehalten worden seien. Daran ändere nichts, daß nach von der Beklagten vorgelegten Unterlagen der Verwaltungsausschuß die Befugnis zur Entscheidung über Entlassungen von Angestellten der einschlägigen Vergütungsgruppe dem Oberstadtdirektor übertragen habe, weil durch die Verwaltung in besonderem Maße die Pflicht zur Beteiligung des Personalrats bei Entlassungen herausgestellt worden sei. Da vorliegend unstreitig eine Beteiligung des Personalrats nicht erfolgt sei – rein formell auch möglicherweise nicht habe erfolgen müssen -, erscheine der Abschluß des Aufhebungsvertrages durch die Übertragung der Entscheidungsbefugnis für Entlassungen nicht gedeckt.
Der Kläger hat beantragt,

1.
festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis der Parteien durch den Auflösungsvertrag vom 19. August 1992 nicht aufgelöst worden ist, sondern unverändert fortbesteht,
2.
die Beklagte zu verurteilen, den Kläger zu den bisherigen Bedingungen weiterzubeschäftigen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Sie hat bestritten, daß der Kläger beim Abschluß des Vertrages geschäftsunfähig gewesen sei. Zu keinem Zeitpunkt des Besuches habe er den Eindruck erweckt, noch unter Alkoholeinfluß zu stehen. Der Besuch sei gegen 11.00 Uhr vormittags erfolgt. Der Kläger, der noch geschlafen habe, sei von seiner Ehefrau geweckt worden. Nachdem er sich gewaschen und angekleidet habe, sei ihm der Anlaß des Besuchs erläutert worden. Er habe sich in einem ruhig und sachlich geführten Gespräch dahingehend geäußert, daß er, nachdem alles aufgedeckt sei, sehr erleichtert sei. Der Kläger sei auch nicht überrascht worden, sondern aufgrund einer vergeblichen Aufforderung vom 6. August 1992 zur Vorsprache im Personalamt wegen der dubiosen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen sowie aufgrund seiner am 18. August 1992 nach Durchsuchung seines Arbeitsplatzes erfolgten kriminalpolizeilichen Vernehmung, bei der er die Straftaten unumwunden zugegeben habe, vorgewarnt gewesen.
Die Beklagte hat ferner die Auffassung vertreten, die Bedenken des Klägers gegen die formale Wirksamkeit des Auflösungsvertrages seien unberechtigt. Sie hat sich hilfsweise darauf berufen, der Kläger habe seine Klagebefugnis verwirkt.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen und die Revision zugelassen. Mit der Revision verfolgt der Kläger seine Anträge weiter.

Entscheidungsgründe
Die Revision des Klägers ist unbegründet. Weder aus § 105 Abs. 2 BGB noch aus Bestimmungen der Niedersächsischen Gemeindeordnung oder anderen Rechtsvorschriften ergibt sich die Unwirksamkeit des Auflösungsvertrags vom 19. August 1992.
I. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, die Wirksamkeit der Vereinbarung sei von der Einräumung einer Bedenkzeit bzw. eines Rücktritts- oder Widerrufsrechts und von der vorherigen Mitteilung des Themas des beabsichtigten Gesprächs unabhängig. Die Voraussetzungen einer alkoholbedingten Bewußtlosigkeit oder vorübergehenden Störung der Geistestätigkeit habe der Kläger nicht hinreichend substantiiert dargelegt, so daß die Einholung eines Sachverständigengutachtens auf einen unzulässigen Ausforschungsbeweis hinauslaufen würde. Auch der Unterzeichnung durch den Oberbürgermeister und den Oberstadtdirektor unter Beifügung des Dienstsiegels habe der Auflösungsvertrag nicht bedurft, weil es sich bei dessen Abschluß infolge der Übertragung der Entlassungsbefugnis durch den Verwaltungsausschuß auf den Oberstadtdirektor um ein Geschäft der laufenden Verwaltung gehandelt habe. Der als Leiter des Personalamtes aufgabenmäßig zuständige Zeuge Q habe die Vereinbarung in Vertretung des Oberstadtdirektors unterzeichnen können. Eine vorherige Beteiligung des Personalrats sei gesetzlich nicht geboten gewesen.
II. Diese Ausführungen halten den Angriffen der Revision stand.
Zutreffend ist das Landesarbeitsgericht davon ausgegangen, daß der Auflösungsvertrag der Parteien vom 19. August 1992 rechtswirksam ist, weshalb die Klage ohne Erfolg bleiben muß.
1.Die Revision macht keine Anfechtungsgründe gemäß §§ 119, 123 BGB mehr geltend. Solche Gründe sind auch nicht ersichtlich.
Eine etwaige Drohung der Beklagten mit einer fristlosen Kündigung war nicht widerrechtlich, denn unstreitig hat der Kläger der Beklagten gefälschte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen vorgelegt. Unabhängig davon, ob der Kläger zu den fraglichen Zeiten tatsächlich arbeitsunfähig war, durfte ein verständiger Arbeitgeber bei dieser Sachlage eine fristlose Kündigung ernsthaft in Erwägung ziehen (vgl. zu diesem Maßstab BAG Urteil vom 20. November 1969 – 2 AZR 51/69 – AP Nr. 16 zu § 123 BGB; zuletzt Urteil vom 9. März 1995 – 2 AZR 644/94 – BB 1996, 434).
Ein etwaiger Irrtum des Klägers über die aus dem Abschluß des Aufhebungsvertrages sich ergebenden Nachteile wie den Eintritt einer Sperrfrist für den Bezug von Arbeitslosengeld ist als bloßer Motiv- bzw. Rechtsfolgenirrtum unbeachtlich (vgl. BAG Urteil vom 10. März 1988 – 8 AZR 420/85 – AP Nr. 99 zu § 611 BGB Fürsorgepflicht). Falls die Beklagte den Kläger hierüber nicht aufgeklärt hätte, würde dies nicht zur Anfechtbarkeit bzw. Unwirksamkeit des Auflösungsvertrages führen, sondern könnte allenfalls Schadenersatzansprüche des Klägers begründen (vgl. BAG, aaO). Zudem besteht für die Unverzüglichkeit der Anfechtung gemäß § 121 Abs. 1 BGB kein Anhaltspunkt.
2.Der Vertrag ist nicht allein deshalb unwirksam, weil die Beklagte dem Kläger weder eine Bedenkzeit noch ein Rücktritts- oder Widerrufsrecht eingeräumt hat (Senatsurteil vom 30. September 1993 – 2 AZR 268/93 – BAGE 74, 281 = AP Nr. 37 zu § 123 BGB). An dieser Rechtsprechung, die im Schrifttum überwiegend Zustimmung erfahren hat (vgl. Bauer, NJW 1994, 980; Bengelsdorf, ZfA 1995, 229; Boemke, Anm. zu AP Nr. 37 zu § 123 BGB; Ehrich, NZA 1994, 438; Haller, BB 1994, 787; von Hoyningen-Huene, EWiR 1994, 115; Kaiser, Anm. zu EzA § 611 BGB Aufhebungsvertrag Nr. 13; Pauly, MDR 1995, 1081; Wißkirchen/Worzalla, DB 1994, 577), hält der Senat fest. Eine abweichende Rechtsfortbildung ist auch nicht mit dem Argument geboten, der Arbeitnehmer sei beim Abschluß von Aufhebungsverträgen in einer Verhandlungsposition struktureller Unterlegenheit im Sinne des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts vom 19. Oktober 1993 – 1 BvR 567/89 – BVerfGE 89, 214 (so aber Däubler, Das Arbeitsrecht 2, 10. Aufl., 8.9.3.2.; Zwanziger, DB 1994, 982; Dieterich, RdA 1995, 129, 135; vgl. auch Stoffels, SAE 1995, 176, 181). Dem Arbeitnehmer, der dem Ansinnen des Arbeitgebers ggf. nur ein schlichtes „Nein“ entgegenzusetzen braucht, kann nicht „die zur Durchsetzung seiner berechtigten Interessen erforderliche Verhandlungsmacht abgesprochen werden“ (vgl. Ernst, Aufhebungsverträge zur Beendigung von Arbeitsverhältnissen, Köln-Berlin-Bonn-München, 1993, S. 2), vielmehr hat er „die Möglichkeit, sowohl das „Ob“ als auch das „Wie“ und „Wann“ der Vertragsbeendigung von seinem vollen Konsens abhängig zu machen“ (Ernst, aaO, S. 133). Es fehlt somit schon an der strukturell ungleichen Verhandlungsstärke als Voraussetzung der vom Bundesverfassungsgericht geforderten Inhaltskontrolle (ebenso Bauer, Arbeitsrechtliche Aufhebungsverträge, 4. Aufl., S. 36; Bengelsdorf, aaO). Vorliegend kommt hinzu, daß der Kläger unbestritten durch die Aufforderung vom 6. August 1992 zur Vorsprache beim Personalamt und aufgrund seiner kriminalpolizeilichen Vernehmung am 18. August 1992 vorgewarnt war.
3.Entgegen der Ansicht der Revision hat das Landesarbeitsgericht zu Recht angenommen, der Kläger habe keine ausreichenden Tatsachen vorgetragen, aus denen sich entnehmen lassen könnte, er habe den Aufhebungsvertrag im Zustand der Bewußtlosigkeit oder vorübergehenden Störung der Geistestätigkeit (§ 105 Abs. 2 BGB) unterzeichnet. Insoweit liegt die Darlegungs- und Beweislast beim Kläger (vgl. BGH Urteil vom 5. Juni 1972 – II ZR 119/70 – WM 1972, 972; OLG Düsseldorf Urteil vom 23. Februar 1988 – 24 U 32/88 – WM 1988, 1407; Staudinger/Dilcher, BGB, 12. Aufl., § 105 Rz 18, m.w.N.).
§ 105 Abs. 2 BGB setzt einen Zustand voraus, in dem die freie Willensbestimmung nicht nur geschwächt und gemindert, sondern völlig ausgeschlossen ist. Bloße Willensschwäche und leichte Beeinflußbarkeit durch andere schließen die Möglichkeit freier Willensbildung nicht aus. Bestimmte krankhafte Vorstellungen und Empfindungen des Erklärenden oder Einflüsse Dritter müssen derart übermäßig geworden sein, daß eine Bestimmung des Willens durch vernünftige Erwägungen ausgeschlossen war. „Hochgradige“ alkoholbedingte Störung reicht nicht ohne weiteres aus (BGH, aaO, m.w.N.).
Vorliegend hat der Kläger zwar den ungefähren Zeitpunkt angegeben, zu dem er den Alkoholgenuß beendete, er hat aber schon keine hinreichend genauen Angaben zur Menge des genossenen Alkohols gemacht. Er hat auch nicht dargelegt, bei welcher Menge er üblicherweise „nicht mehr konnte“. Damit fehlt es für den von ihm angebotenen Sachverständigenbeweis an ausreichenden tatsächlichen Grundlagen. Der Sachverständige könnte allenfalls allgemeine Angaben dazu machen, ab welchem Grad der Alkoholisierung ein Zustand anzunehmen ist, wie ihn § 105 Abs. 2 BGB voraussetzt, er könnte aber nichts dazu aussagen, ob sich der Kläger noch am 19. August 1992 gegen 11.00 Uhr in einem solchen Zustand befand. Dazu wäre erforderlich, daß der Sachverständige aufgrund ausreichender Angaben zur Menge des genossenen Alkohols den Blutalkoholgehalt unter Berücksichtigung des Abbaus vom Ende der Trinkzeit bis zur Vertragsunterzeichnung ermitteln könnte, wobei er aufgrund der Beweislast des Klägers vom größtmöglichen Abbauwert ausgehen müßte (vgl. zur Berechnung BGH Urteil vom 22. November 1990 – 4 StR 117/90 – BGHSt 37, 231 = NJW 1991, 852).
Aus der Tatsache, daß der Kläger Alkoholiker ist, folgt nichts anderes. Zwar kann krankhafte Trunksucht ausnahmsweise dazu führen, daß eine freie Willensbestimmung ausgeschlossen ist, etwa bei starken Entzugserscheinungen und wenn der Kranke annehmen darf, er werde bei Abgabe der Unterschrift vom Vertragspartner weiteren Alkohol erhalten (vgl. BGH, aaO); für eine solche Sachlage fehlt jedoch vorliegend jeglicher Anhaltspunkt, so daß die Krankheit des Klägers allenfalls Auswirkungen hinsichtlich des anzusetzenden Abbauwertes hätte, wenn denn eine Berechnung des Blutalkoholgehalts möglich wäre.
4.Die Wirksamkeit des Auflösungsvertrags scheitert schließlich auch nicht an der Verletzung von Form- bzw. Vertretungsvorschriften. Gemäß § 80 Abs. 4 Satz 3 NGO konnte der Verwaltungsausschuß die Entscheidung über die Entlassung von Angestellten dem Gemeindedirektor übertragen. Dies hat er hier mit Beschluß vom 23. Februar 1977 für Angestellte der Vergütungsgruppe, der der Kläger angehörte, getan. Damit konnte der Gemeindedirektor auch über den Abschluß des Auflösungsvertrags entscheiden, denn der Begriff der Entlassung umfaßt jegliche Art der Beendigung des Arbeitsverhältnisses (vgl. Thiele, NGO, 2. Aufl., § 80 Erl. 4). Ob mit der Übertragung der Befugnis auch fristlose Kündigungen zu einem Geschäft der laufenden Verwaltung im Sinne von §§ 62 Abs. 1 Nr. 6, 63 Abs. 4 NGO wurden (grundsätzlich ablehnend: LAG Niedersachsen Urteil vom 31. Januar 1979 – 7 Sa 44/78 -), kann dahinstehen. Auflösungsverträge sind nämlich ebenso wie Einstellungen einvernehmliche Regelungen. Bei ihnen sind daher gerichtliche Auseinandersetzungen nicht in gleicher Häufigkeit zu erwarten wie bei fristlosen Kündigungen (vgl. Ernst, aaO, S. 2). Kommt es doch dazu, ist das Prozeßrisiko der Gemeinde schon wegen der anderen Verteilung der Darlegungs- und Beweislast in der Regel geringer. Jedenfalls bei einer Stadt von der Größe der Beklagten (über 145.000 Einwohner) wird deshalb mit der Übertragung der Entscheidungsbefugnis der Abschluß von Aufhebungsverträgen zugleich zu einem Geschäft der laufenden Verwaltung (offengelassen in dem zur Veröffentlichung vorgesehenen Urteil des Senats vom 31. Januar 1996 – 2 AZR 91/95 – zu §§ 61 Abs. 5, 58 Abs. 4 NLO); § 63 Abs. 2 NGO findet entgegen der Ansicht der Revision keine Anwendung (so für alle Fälle der Entlassung Thiele, aaO, Erl. 5 Abs. 3; Krückhans, Anm. zu AP Nr. 6 zu § 174 BGB). Demnach kann vorliegend dahinstehen, ob es sich bei § 80 Abs. 5 Satz 3 NGO um eine Rechtsgrund- oder eine Rechtsfolgenverweisung handelt. Der Mitunterzeichnung durch den Ratsvorsitzenden und der Versehung mit dem Dienstsiegel bedurfte der Aufhebungsvertrag nicht.
Daran ändert nichts, daß vor der erstmaligen Übertragung der Entscheidungsbefugnis über die Entlassung von Angestellten der unteren Vergütungsgruppen im Jahr 1975 der Oberstadtdirektor erklärt hatte, er werde bei Meinungsverschiedenheiten zwischen Verwaltung und Personalrat über Personalangelegenheiten diese dem Verwaltungsausschuß vorlegen. Der Verwaltungsausschuß hat schon 1975 die Befugnisübertragung nicht auf Entlassungen beschränkt, denen der Personalrat zugestimmt hatte. Die Zusage des Oberstadtdirektors konnte nicht dahingehend verstanden werden, er werde den Personalrat auch vor solchen Personalangelegenheiten beteiligen, bei denen diesem – wie bei Aufhebungsverträgen – von Gesetzes wegen kein Beteiligungsrecht zusteht. Im übrigen kommt es auf die Vorgänge im Jahr 1975 nicht an. Daß der Oberstadtdirektor auch vor der hier maßgeblichen Beschlußfassung vom 23. Februar 1977 eine vergleichbare Versicherung abgab, ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Die Befugnisübertragung im Jahr 1977 erfolgte ohne jeden Vorbehalt.
Dem Gemeindedirektor stand die Vertretung der Beklagten bei Abschluß des Aufhebungsvertrags nicht in Person, sondern als Organ zu (vgl. Thiele, aaO, § 63 Erl. 1 a.E.). Er konnte sie deshalb kraft seiner Organisationsbefugnis gemäß § 62 Abs. 2 NGO delegieren. Von einer solchen Delegation auf den Zeugen Q kann vorliegend ausgegangen werden, weil es sich bei dem Zeugen um den Leiter des Personalamts der Beklagten handelte (vgl. BAG Urteil vom 29. Juni 1989 – 2 AZR 482/88 – AP Nr. 7 zu § 174 BGB; Urteil vom 18. Mai 1994 – 2 AZR 920/93 – AP Nr. 64 zu § 102 BetrVG 1972, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen). Tatsachen, die im konkreten Fall gegen eine solche Delegation sprechen würden, hat der Kläger nicht vorgetragen.
Auf die Frage, ob der Kläger sein Klagerecht verwirkt hat, kommt es damit nicht mehr an.

Etzel       Bröhl       Fischermeier
Bächle       Röder
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Fundstellen:
NZA 1996, 811
NJW 1996, 2593