BAG – 7 AZN 427/08

Nichtzulassungsbeschwerde – Heranziehung der ehrenamtlichen Richter

Bundesarbeitsgericht,  Beschluss vom 16.10.2008, 7 AZN 427/08
Leitsätze des Gerichts:

Das Präsidium eines Landesarbeitsgerichts kann in dem richterlichen Geschäftsverteilungsplan die bei dem Gericht berufenen ehrenamtlichen Richter allen Kammern zuweisen.

Tenor:

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln vom 21. Januar 2008 – 2 Sa 1319/07 – wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Beschwerde hat die Klägerin zu tragen.

 
Gründe

7 AZN 427/08 > Rn 1

I. Die Parteien streiten im Rahmen einer Aufhebungsklage über die Wirksamkeit eines Schiedsspruchs des Bühnenoberschiedsgerichts.

7 AZN 427/08 > Rn 2

Die Klägerin war seit dem 1. August 1993 bei der Beklagten als Gruppentänzerin mit Soloverpflichtung auf Grund eines zunächst bis zum 31. Juli 1995 befristeten und anschließend verlängerten Arbeitsvertrags beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis fand kraft einzelvertraglicher Vereinbarung der Tarifvertrag „NV Tanz“ in der jeweils geltenden Fassung Anwendung. Die Klägerin erhielt am 6. Juni 2005 eine Nichtverlängerungsmitteilung der beklagten Stadt, deren Unwirksamkeit sie im vorliegenden Verfahren geltend gemacht hat.

7 AZN 427/08 > Rn 3

Der auf Fortbestehen des Arbeitsverhältnisses gerichtete Antrag der Klägerin ist vor dem Bühnenschiedsgericht und dem Bühnenoberschiedsgericht erfolglos geblieben. Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht haben die dagegen erhobene Aufhebungsklage der Klägerin abgewiesen. Nach dem Geschäftsverteilungsplan des Landesarbeitsgerichts Köln für das Jahr 2008 werden die für das Landesarbeitsgericht berufenen ehrenamtlichen Richter in alphabetischer Reihenfolge in die jeweils für Arbeitgeber und Arbeitnehmer aufgestellten allgemeinen Listen der ehrenamtlichen Richter eingetragen und unter Berücksichtigung der alphabetischen Reihenfolge zu den Kammerterminen geladen.

7 AZN 427/08 > Rn 4

Mit der Beschwerde beantragt die Klägerin unter Hinweis auf die nicht vorschriftsmäßige Besetzung des Berufungsgerichts die Zulassung der Revision. Daneben macht sie die Verfassungswidrigkeit des in § 7 Abs. 2 des Tarifvertrags über die Bühnenschiedsgerichtsbarkeit – Bühnenschiedsgerichtsordnung (BSchGO) – vom 1. Oktober 1948 i.d.F. vom 15. Januar 2006 geregelten Verfahrens geltend, wonach die Heranziehung der Beisitzer zu den Sitzungen der Bühnenschiedsgerichte Sache der beteiligten Verbände ist.

7 AZN 427/08 > Rn 5

II. Die ausschließlich auf das Vorliegen des absoluten Revisionsgrunds aus § 547 Nr. 1 ZPO iVm. § 72 Abs. 2 Nr. 3 1. Alt. ArbGG gestützte Beschwerde ist unbegründet. Die in der Beschwerdebegründung gerügten Fehler bei der Zuteilung der an dem Berufungsurteil beteiligten ehrenamtlichen Richter rechtfertigen die Zulassung der Revision ebenso wenig wie der geltend gemachte Verstoß bei der Auswahl der Beisitzer des Bühnenoberschiedsgerichts.

7 AZN 427/08 > Rn 6

1. Die Revision ist nach § 72 Abs. 2 Nr. 3 1. Alt. ArbGG zuzulassen, wenn ein Revisionsgrund nach § 547 Nr. 1 bis 5 ZPO geltend gemacht wird und vorliegt. Nach § 547 Nr. 1 ZPO ist eine Entscheidung stets als auf einer Verletzung des Rechts beruhend anzusehen, wenn das erkennende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war.

7 AZN 427/08 > Rn 7

2. Das Berufungsgericht war bei der anzufechtenden Entscheidung vorschriftsmäßig besetzt i.S.d.. § 547 Nr. 1 ZPO. Entgegen der Auffassung der Beschwerde enthalten die Verfahrensregelungen von § 39 Satz 1 iVm. § 31 Abs. 1 ArbGG keine Vorgaben für die Zuweisung der ehrenamtlichen Richter zu den Spruchkörpern eines Landesarbeitsgerichts. Weder das Gerichtsverfassungs- noch das Arbeitsgerichtsgesetz stehen einer Regelung in einem richterlichen Geschäftsverteilungsplan eines Landesarbeitsgerichts entgegen, wonach die bei dem Gericht berufenen ehrenamtlichen Richter allen Kammern angehören. § 6a Nr. 4 ArbGG ermöglicht die Zuweisung der ehrenamtlichen Richter zu mehreren Spruchkörpern eines Gerichts. Die Pflicht zur Aufstellung einer Liste durch die jeweiligen Kammervorsitzenden des Landesarbeitsgerichts (§ 39 Satz 1 ArbGG iVm. § 31 Abs. 1 ArbGG) betrifft nicht die Verteilung der ehrenamtlichen Richter auf die einzelnen Spruchkörper, sondern nur das Verfahren für die Heranziehung der vom Präsidium der Kammer zugewiesenen ehrenamtlichen Richter zu den Sitzungen.

7 AZN 427/08 > Rn 8

a) Nach § 39 Satz 1 iVm. § 31 Abs. 1 ArbGG sollen die ehrenamtlichen Richter nach der Reihenfolge einer Liste herangezogen werden, die der Vorsitzende vor Beginn des Geschäftsjahres oder vor Beginn der Amtszeit neu berufener ehrenamtlicher Richter gemäß § 29 Abs. 2 ArbGG aufstellt. Mit § 39 Satz 1, § 31 Abs. 1 ArbGG hat der Gesetzgeber die sich aus dem verfassungsrechtlichen Gebot des gesetzlichen Richters ergebenden einfachrechtlichen Vorgaben für die Heranziehung der ehrenamtliche Richter zu den Sitzungen des Landesarbeitsgerichts geregelt. Die Anzahl der bei dem Landesarbeitsgericht berufenen ehrenamtlichen Richter aus dem Kreis der Arbeitnehmer und Arbeitgeber macht regelmäßig eine Auswahl bei ihrer Heranziehung zu den Sitzungen erforderlich. Dazu bedarf es nach dem Gebot des gesetzlichen Richters (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG) in einem richterlichen Geschäftsverteilungsplan einer abstrakt-generellen und hinreichend klaren Regelung, aus der sich der im Einzelfall zur Entscheidung berufene Richter möglichst eindeutig ablesen lässt (BVerfG 8. April 1997 – 1 PBvU 1/95 – BVerfGE 95, 322 = AP GG Art. 101 Nr. 53 = EzA GG Art. 101 Nr. 2, zu C I 4 der Gründe). Diesem Erfordernis tragen § 39 Satz 1, § 31 Abs. 1 ArbGG Rechnung. Das Gesetz verpflichtet den Vorsitzenden einer Kammer des Landesarbeitsgerichts durch die Aufstellung einer „Liste“ ein nach abstrakten Merkmalen ausgestaltetes Verfahren für die Heranziehung der ehrenamtlichen Richter festzulegen, durch dass ihre vorhersehbare und gleichmäßige Heranziehung zu den Sitzungen gewährleistet ist.

7 AZN 427/08 > Rn 9

b) § 39 Satz 1, § 31 Abs. 1 ArbGG regeln aber nicht die Voraussetzungen für die Zuweisung der ehrenamtlichen Richter zu den bei den Landesarbeitsgerichten gebildeten Spruchkörpern. Die Zuweisung richtet sich in der Arbeitsgerichtsbarkeit nach § 21e GVG iVm. §§ 6, 6a ArbGG. Die Gerichte für Arbeitssachen sind mit Berufsrichtern und mit ehrenamtlichen Richtern aus den Kreisen der Arbeitnehmer und Arbeitgeber besetzt (§ 6 ArbGG). Nach § 6a Eingangssatz ArbGG gelten die allgemeinen Vorschriften des Gerichtsverfassungsgesetzes über das Präsidium und die Geschäftsverteilung mit den in dieser Vorschrift enthaltenen Maßgaben. Zu den danach dem Präsidium im Rahmen der richterlichen Geschäftsverteilung übertragenen Aufgaben zählen neben der Vertretungsregelung und der Verteilung der richterlichen Aufgaben die Besetzung der Spruchkörper mit Richtern (§ 21e Abs. 1 Satz 1 GVG). Den Spruchkörpern müssen zumindest ein Vorsitzender und die gesetzliche Anzahl von weiteren Richtern zugewiesen werden. § 21e Abs. 1 Satz 4 GVG bestimmt dazu ausdrücklich, dass jeder Berufsrichter mehreren Spruchkörpern desselben Gerichts angehören kann. Für die Zuweisung der bei den Gerichten für Arbeitssachen ernannten ehrenamtlichen Richter hat der Gesetzgeber in § 6a Nr. 4 ArbGG eine inhaltsgleiche Regelung getroffen. Danach können die ehrenamtlichen Richter vom Präsidium eines Arbeits- oder Landesarbeitsgerichts allen Kammern des Gerichts zugewiesen werden. Nur die Aufstellung der Liste, nach deren Reihenfolge die ehrenamtlichen Richter bei den Arbeits- und den Landesarbeitsgerichten zu den Sitzungen herangezogen werden, bleibt wegen der in § 39 Satz 1, § 31 Abs. 1 ArbGG enthaltenen Kompetenzverteilung den jeweiligen Kammervorsitzenden vorbehalten. Das Präsidium kann lediglich ein Verfahren („Listen“) vorschlagen, dass nur rechtswirksam wird, wenn es von dem jeweiligen Kammervorsitzenden für seinen Spruchkörper ausdrücklich oder stillschweigend übernommen wird (BAG 21. Juni 2001 – 2 AZR 359/00 – AP GVG § 21e Nr. 5 = EzA GVG § 21e Nr. 2, zu II 2 der Gründe; zu § 39 ArbGG aF: BAG 30. Januar 1963 – 4 AZR 16/62 – AP ArbGG 1953 § 39 Nr. 2).

7 AZN 427/08 > Rn 10

c) Danach liegt ein Besetzungsverstoß i.S.d.. § 547 Nr. 1 ZPO nicht vor. Die an der angefochtenen Entscheidung beteiligten ehrenamtlichen Richter R und L mussten vom Präsidium des Landesarbeitsgerichts nicht einer Kammer zugewiesen werden. Ein Fehler bei der Heranziehung der ehrenamtlichen Richter zu der Sitzung der 2. Kammer am 21. Januar 2008 hat die Beschwerde nicht geltend gemacht.

7 AZN 427/08 > Rn 11

3. Die Revision ist auch nicht nach § 72 Abs. 2 Nr. 3 1. Alt. ArbGG zuzulassen, weil das Verfahren für die Heranziehung der Beisitzer zu den Sitzungen des Bühnenoberschiedsgerichts rechtsstaatlichen Anforderungen nicht genügt, wie die Beschwerde meint. Der von der Beschwerde gerügte Verstoß bei der Auswahl der Beisitzer des Bühnenoberschiedsgerichts kann mit einer auf § 72 Abs. 2 Nr. 3 1. Alt. ArbGG iVm. § 547 Nr. 1 ZPO gestützten Nichtzulassungsbeschwerde regelmäßig nicht geltend gemacht werden. Erkennendes Gericht i.S.d.. § 547 Nr. 1 ZPO ist im Verfahren nach § 72a ArbGG das Berufungsgericht, das über die erhobenen Ansprüche entschieden hat. Auf einen in den Vorinstanzen begangenen Besetzungsverstoß kann die Revision nur gestützt werden, wenn auch das Berufungsurteil mit diesem Verfahrensmangel behaftet ist (BAG 22. August 1980 – 7 AZR 575/78 -, zu 1 der Gründe; BGH 30. Mai 1958 – V ZR 232/56 – NJW 1958, 1398; Musielak/Ball ZPO 6. Aufl. § 547 Rn. 3; MünchKommZPO/Wenzel 3. Aufl. § 547 Rn. 4), woran es im Streitfall fehlt. Das Landesarbeitsgericht hat eine eigene Sachentscheidung getroffen. Es kann daher dahinstehen, ob die möglicherweise unzureichende Ausgestaltung des Verfahrens über die Heranziehung der Beisitzer in der Bühnenschiedsgerichtsbarkeit im Verfahren nach § 110 ArbGG überhaupt nur dann eine Rüge nach § 547 Nr. 1 ZPO begründen kann, wenn die Beteiligung der Beisitzer im jeweiligen Termin willkürlich erfolgt ist und damit zugleich eine Verletzung des gesetzlichen Richters i.S.d.. Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG darstellt, wofür konkrete Anhaltspunkte vorzutragen sind.

7 AZN 427/08 > Rn 12

III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
 
Dörner       Gräfl       Koch
Hökenschnieder       Krollmann
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Fundstellen:
BAGE 128, 130
NZA 2009, 510