BAG – 2 AZR 391/01

BAGE 101, 328    NZA 2003, 44    DB 2003, 210   

Außerordentliche Kündigung – Betriebsratsmitglied

Bundesarbeitsgericht,  Urteil vom 13.06.2002, 2 AZR 391/01

Leitsätze des Gerichts

  1. Gerät der Arbeitgeber in Annahmeverzug, weil er nach Ausspruch einer Kündigung die Gehaltszahlungen an den Arbeitnehmer einstellt, so hat er dies dann zu vertreten und deshalb die rückständigen Beträge zu verzinsen, wenn er bei Anwendung der erforderlichen Sorgfalt hätte erkennen können, daß die Kündigung unwirksam war (Anschluß an BAG 22. März 2001 – 8 AZR 536/00 – EzBAT Schadensersatzpflicht des Arbeitgebers Nr. 31).
  2. Es ist insbesondere zu prüfen, ob sich der Arbeitgeber in einem entschuldbaren Rechtsirrtum befunden hat. Der Rechtsirrtum ist entschuldbar, wenn die Rechtslage objektiv zweifelhaft ist und der Schuldner sie sorgfältig geprüft hat. Beruht der Ausspruch der Kündigung auf einem vertretbaren Rechtsstandpunkt, handelt der kündigende Arbeitgeber so lange nicht fahrlässig, wie er auf die Wirksamkeit seiner Kündigung vertrauen darf.
  3. In Höhe des erhaltenen Arbeitslosengeldes kann der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber keine Zinsen auf den Annahmeverzugslohn verlangen.

Tenor:

  1. Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Sächsischen Landesarbeitsgerichts vom 22. Januar 2001 – 10 Sa 505/99 – wird zurückgewiesen.
  2. Die Beklagte trägt die Kosten der Revision.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten noch über die Wirksamkeit einer außerordentlichen betriebsbedingten Kündigung der Beklagten und davon abhängige Annahmeverzugslohnansprüche der Klägerin.

Die 1944 geborene, alleinstehende Klägerin, die eine erwachsene, pflegebedürftige Tochter hat, ist bei der beklagten städtischen Wohnungsbaugesellschaft bzw. deren Rechtsvorgänger seit 1981, zuletzt als Sachbearbeiterin für Vermögensfragen, beschäftigt. Kraft arbeitsvertraglicher Bezugnahme findet auf das Arbeitsverhältnis der Manteltarifvertrag für die Beschäftigten der Wohnungswirtschaft vom 3. Juni 1997 (im Folgenden: MTV) Anwendung. Dessen § 15 enthält ua. folgende Regelung:

„4.

Beschäftigte, die mindestens 10 Jahre dem Betrieb angehören und 55 Jahre alt sind oder die 15 Jahre dem Betrieb angehören und 50 Jahre alt sind, sind nur aus wichtigem Grunde kündbar. Ausgenommen sind zumutbare Änderungskündigungen und Kündigungen als Folge erheblicher Einschränkung durch Fortfall wesentlicher Unternehmensaufgaben.

5.

Kündigungen haben schriftlich zu erfolgen. „

Die Klägerin ist Mitglied des bei der Beklagten bestehenden Betriebsrats. Ihr Gehalt betrug in der Gehaltsstufe V zuletzt 5. 650, 00 DM brutto. Seit 1. Juli 1998 beträgt das Tarifgehalt 5. 750, 00 DM brutto.

Die Klägerin war in der Abteilung „Hausverwaltung“ mit Objekten beschäftigt, die in der Regel nicht ausschließlich im Alleineigentum der Beklagten standen oder mit Rückübertragungsansprüchen belastet waren. Zu den wesentlichen Aufgaben der Hausverwaltung gehörten die Vermietung und Verwaltung der Wohnungen fremdverwalteter Objekte, die Bearbeitung sämtlicher buchhalterischer Aufgaben und die Verwaltung der Fremdmittel (Hypotheken). Die Abteilung Hausverwaltung verfügte über ein von den übrigen Betriebsabteilungen unabhängiges Rechnungswesen. Die Klägerin arbeitete in der Arbeitsgruppe „Vermögensverwaltung“. Zu ihren Aufgaben gehörten die Nachweisung über den Wohnungsbestand, die Sicherung der ordnungsgemäßen Abwicklung der Arbeitsabläufe der zugeordneten Mitarbeiter und die Unterstützung der Mitarbeiter bei der Verhandlungsführung.

Am 18. April 1998 beschloß die Beklagte, die Abteilung „Hausverwaltung (VO/Fremdverwaltung)“ am 31. August 1998 aufzulösen. Restliche Aufgaben sollten von den territorial zuständigen Geschäftsstellen erledigt werden. Ursprünglich hatte die Abteilung einen Wohnungsbestand von ca. 10. 000 Wohnungen zu verwalten. Bis zum 1. Januar 1998 verringerte sich dieser Wohnungsbestand auf ca. 400 bis 500 Objekte. Anläßlich eines Gesprächs vom 4. Juni 1998 wurde der Klägerin mitgeteilt, ihr Arbeitsplatz werde zum 30. Juni 1998 wegfallen. Ihr wurde angeboten, in der Abteilung „Wohnungswirtschaft“ als Grundstücksverwalterin tätig zu werden. Dieses Angebot lehnte die Klägerin in einem ausführlichen Schreiben vom 9. Juni 1998 ua. mit der Begründung ab, die mit dem Angebot einer völlig neuen, hoch spezifischen Tätigkeit verbundene umfangreiche Qualifizierungsmaßnahme halte sie auf Grund ihres Lebensalters für unzumutbar. Sie sei allerdings grundsätzlich bereit, auch eine nach dem einschlägigen Sozialplan unzumutbare Stelle anzunehmen, vorausgesetzt die Arbeitsaufgabe entspreche ihren Kenntnissen und Fähigkeiten. Dies sei etwa bei vorhandenen Stellen im Bereich der Abteilung „Immobilien“ der Fall. Mit Schreiben vom 12. Juni 1998 hörte die Beklagte den Betriebsrat zum Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung mit Auslauffrist an. Der Betriebsrat teilte am 15. Juni 1998 mit, gegen die beabsichtigte Kündigung bestünden keine Bedenken. Mit Schreiben vom 18. Juni 1998 kündigte die Beklagte daraufhin das Arbeitsverhältnis außerordentlich mit einer Auslauffrist zum 31. Dezember 1998.

Während des vorliegenden Kündigungsschutzverfahrens unterbreitete die Beklagte der Klägerin mit Schreiben vom 16. September 1998 das Angebot, sie in der Abteilung „Immobilienmanagement“ als Sachbearbeiterin Grundstückswesen in der Vergütungsgruppe III zu beschäftigen. Die Klägerin nahm das Angebot modifiziert an. Die Beklagte hat daraufhin das Angebot nicht aufrechterhalten. Mit Schreiben vom 17. Dezember 1999 hat die Beklagte das Arbeitsverhältnis erneut zum 30. Juni 2000 gekündigt. Wegen dieser Kündigung ist ein gesondertes Kündigungsschutzverfahren anhängig.

Die Klägerin hält die Kündigung für unwirksam. Sie macht geltend, ihr als Betriebsratsmitglied habe nicht nach § 15 Abs. 5 KSchG gekündigt werden können. Die Beklagte habe mit der Abteilung „Hausverwaltung“ keine Betriebsabteilung stillgelegt. Eine arbeitstechnische Abgrenzbarkeit sei nicht gegeben gewesen. Die verbliebenen Wohnungseinheiten seien über 1998 hinaus, nunmehr von anderen Abteilungen weiterverwaltet worden. Die Beklagte habe außerdem sog. Objekte in Drittverwaltung betreut sowie Verwaltungen nach dem WEG durchgeführt. Auch diese Aufgaben bestünden fort. Die Beklagte selbst habe nur von einer Umstrukturierung gesprochen und beschäftige 11 von insgesamt 17 Arbeitnehmern der Abteilung „Hausverwaltung“ in anderen Abteilungen weiter.

Die Beklagte habe auch nicht dargelegt, daß keine zumutbaren Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten vorhanden gewesen seien. Insbesondere in der Abteilung „Immobilienverwaltung“ seien zum Kündigungszeitpunkt Stellen zu besetzen gewesen, die ihrer Qualifikation entsprochen hätten. Ggf. sei die Beklagte verpflichtet gewesen, Arbeitsplätze durch Versetzung oder Kündigung freizumachen. Das mündliche Angebot vom 4. Juni 1998 sei in dieser Form unzumutbar gewesen. Schon in ihrem Schreiben vom 9. Juni 1998 habe sie darauf hingewiesen, daß das Angebot nicht den Regelungen über die Zumutbarkeit in der einschlägigen Betriebsvereinbarung Nr. 22 entsprochen habe. Zur Annahme der angebotenen Tätigkeit als Grundstücksverwalterin sei sie bereit, wenn die im Sozialplan genannten Modalitäten eingehalten würden. Ggf. werde sie auch an einem Anpassungslehrgang teilnehmen.

Außerdem sei zu berücksichtigen, daß sie gemäß § 15 Abs. 4 MTV ordentlich unkündbar sei. Der Betriebsrat sei schließlich über die Kündigungsgründe, insbesondere über die Gründe, weshalb aus der Sicht der Beklagten eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit ausscheide, nicht hinreichend unterrichtet worden.

Die Klägerin hat, soweit für das Revisionsurteil von Interesse, beantragt,

1.

festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis durch die außerordentliche betriebsbedingte Kündigung vom 18. Juni 1998 nicht aufgelöst worden ist,
2.

die Beklagte zu verurteilen, an sie DM 51. 570, 00 brutto abzüglich DM 14. 878, 89 Arbeitslosengeld nebst 4 % Zinsen aus den sich jeweils aus DM 5. 750, 00 brutto ergebenden Nettobeträgen seit 01. 02. , 01. 03. , 01. 04. , 01. 05. , 01. 06. , 01. 07. und 01. 09. 1999 sowie 4 % Zinsen aus dem sich aus DM 11. 320, 00 brutto ergebenden Nettobetrag seit 01. 08. 1999 zu zahlen.

Die Beklagte hat sich zur Stützung ihres Klageabweisungsantrags darauf berufen, die Abteilung „Hausverwaltung“ sei eine Betriebsabteilung im Sinne von § 15 Abs. 5 KSchG gewesen. Diese Abteilung habe sie wegen des extrem nachlassenden Arbeitsanfalls Anfang 1998 endgültig aufgelöst. Eine Weiterbeschäftigung der Klägerin in einer anderen Abteilung sei nicht möglich gewesen. Nachdem der Klägerin am 4. Juni 1998 ein gleichwertiger Arbeitsplatz als Grundstücksverwalterin in der VergGr. IV angeboten worden sei und die Klägerin diese zumutbare Tätigkeit abgelehnt habe, könne sie jetzt nicht mehr die Übernahme in eine andere Abteilung verlangen. Der angebotene Anpassungslehrgang sei nicht Voraussetzung für eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses gewesen. Einen gleichwertigen Arbeitsplatz in einer anderen Betriebsabteilung gebe es nicht. Die Sachbearbeiterstelle der VergGr. III in der Abteilung „Immobilienverwaltung“ habe sie der Klägerin zunächst nicht angeboten, weil sie diese wegen der erheblich geringeren Dotierung für die Klägerin unzumutbar gehalten habe. Der Betriebsrat sei ordnungsgemäß angehört worden. Die Kündigung sei auch nicht gemäß § 15 Abs. 4 MTV unwirksam.

Das Arbeitsgericht hat dem Feststellungsantrag stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die hiergegen gerichtete Berufung der Beklagten zurückgewiesen und dem oben wiedergegebenen Zahlungsantrag der Klägerin stattgegeben. Mit ihrer Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision der Beklagten ist unbegründet.

A.

Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, die Wirksamkeit der Kündigung der Beklagten scheitere schon an § 15 Abs. 1, Abs. 4 und 5 KSchG. Es könne dahinstehen, ob die Abteilung „Hausverwaltung“ eine Betriebsabteilung im Sinne von § 15 Abs. 5 KSchG darstelle und als solche stillgelegt worden sei. Jedenfalls hätte die Beklagte der Klägerin vor Ausspruch der streitigen Beendigungskündigung eine Änderungskündigung erklären müssen. Die Beklagte hätte nicht davon ausgehen dürfen, daß die Klägerin das ihr unterbreitete Stellenangebot vorbehaltlos abgelehnt habe. Wenn die Klägerin erkennbar davon ausgegangen sei, der Anpassungslehrgang sei Voraussetzung für die angebotene Stelle, so hätte die Beklagte, wenn sie dies nicht so gesehen habe, der Klägerin unter den gegebenen Umständen die konkrete Stelle in der Form einer Änderungskündigung anbieten müssen, ehe sie eine Beendigungskündigung hätte aussprechen können. Auch im Hinblick auf den Arbeitsplatz in der Abteilung „Immobilienverwaltung“ hätte die Beklagte nicht von dem vorrangigen Ausspruch einer Änderungskündigung absehen dürfen. Nach dem Inhalt des Schreibens der Klägerin vom 9. Juni 1998 hätte die Beklagte nicht davon ausgehen dürfen, daß die Klägerin ein derartiges Stellenangebot wegen der geringeren Vergütung jedenfalls abgelehnt hätte. Damit könne dahinstehen, ob die Kündigung auch aus anderen Gründen unwirksam sei.

Die Zahlungsansprüche der Klägerin seien aus dem Gesichtspunkt des Annahmeverzugs begründet.

B.

Dem folgt der Senat im Ergebnis und auch in weiten Teilen der Begründung.

I.

Die Kündigung der Beklagten ist sowohl nach § 626 BGB iVm. § 15 Abs. 4 MTV als auch nach § 15 KSchG rechtsunwirksam und hat deshalb das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht aufgelöst.

1.

Zutreffend ist das Landesarbeitsgericht, ohne dies weiter zu problematisieren, davon ausgegangen, daß die Kündigung der Beklagten nicht als ordentliche Kündigung wegen Stillegung einer Betriebsabteilung und erheblicher Betriebseinschränkung durch Fortfall wesentlicher Unternehmensaufgaben nach § 15 Abs. 4 Satz 2 MTV, § 15 Abs. 5, § 1 KSchG wirksam ist.

a)

Nach § 15 Abs. 4 Satz 1 MTV ist die Klägerin auf Grund ihres Alters und ihrer Betriebszugehörigkeit ordentlich unkündbar und die Beklagte konnte grundsätzlich nur nach § 15 Abs. 4 Satz 2 MTV eine betriebsbedingte Kündigung oder zumutbare Änderungskündigung als Folge erheblicher Einschränkung durch Fortfall wesentlicher Unternehmensaufgaben aussprechen. Wie der Senat bereits zu der gleichlautenden Bestimmung des § 17 Abs. 4 des MTV für die Beschäftigten der Wohnungswirtschaft vom 28. Mai 1993 entschieden hat (5. Februar 1998 – 2 AZR 227/97 – BAGE 88, 10), enthält § 15 Abs. 4 Satz 2 MTV keine Sonderregelung für eine nach § 15 Abs. 4 Satz 1 MTV zulässige außerordentliche Kündigung, sondern läßt nur in bestimmten Ausnahmefällen (erhebliche Einschränkung durch Fortfall wesentlicher Unternehmensaufgaben) die ordentliche Kündigung bzw. Änderungskündigung gegenüber den nach § 15 Abs. 4 Satz 1 MTV sonst nur außerordentlich kündbaren Beschäftigten zu.

b)

Selbst wenn man zugunsten der Beklagten davon ausgeht, ihre als außerordentliche Kündigung mit Auslauffrist ausgesprochene Kündigung sei ohne weiteres in eine ordentliche Kündigung umzudeuten, so könnte eine solche Kündigung allenfalls beim gleichzeitigen Vorliegen einer erheblichen Einschränkung durch Fortfall wesentlicher Unternehmensaufgaben (§ 15 Abs. 4 Satz 2 MTV) und der Stillegung einer Betriebsabteilung (§ 15 Abs. 5 KSchG) wirksam sein. Schon die erste Voraussetzung ist nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts nicht gegeben.

aa)

§ 15 Abs. 4 Satz 2 MTV soll Nachteile, die sich für die länger beschäftigten und älteren Arbeitnehmer aus Betriebseinschränkungen ergeben, durch erhöhten Kündigungsschutz ausgleichen bzw. vermeiden, ohne für den Arbeitgeber in derartigen Fällen jegliche Kündigungsmöglichkeit auszuschließen. Der von den Tarifvertragsparteien verwandte Begriff „Einschränkung“ findet sich vor allem in einer gesetzlicher Bestimmung mit ähnlicher Zielrichtung, nämlich in § 111 BetrVG. Enger als in § 111 BetrVG genügt in § 15 Abs. 4 MTV nicht eine Einschränkung des ganzen Betriebs oder von wesentlichen Betriebsteilen, wenn sie mit entsprechenden Nachteilen für die Belegschaft verbunden sind. Es ist vielmehr eine erhebliche Einschränkung erforderlich. Außerdem knüpft die Ausnahmeregelung nicht an die bloße Unternehmerentscheidung an, den Betrieb einzuschränken, die Betriebsorganisation oder den Betriebszweck grundlegend zu ändern etc. Es wird vielmehr objektiv darauf abgestellt, daß wesentliche Unternehmensaufgaben fortfallen. Wenn der Tarifvertrag damit auf die Unternehmensebene abstellt, so reicht als Grund für eine ordentliche Kündigung gegenüber einem sonst ordentlich unkündbaren Arbeitnehmer schon nicht aus, daß innerhalb des Unternehmens Aufgaben etwa in einen anderen Betrieb verlagert werden und damit nicht im Tarifsinne fortfallen. Mit dem Begriff „wesentlich“ knüpfen die Tarifvertragsparteien darüber hinaus an vergleichbare gesetzliche Regelungen (§ 111 BetrVG, §§ 17 ff. KSchG) an, die auf den Anteil der von einer Betriebsänderung betroffenen Arbeitnehmer abstellen und etwa bei einem reinen Personalabbau eine Betriebseinschränkung und damit eine Betriebsänderung nur dann annehmen, wenn erhebliche Teile der Belegschaft nach dem Zahlenschlüssel des § 17 Abs. 1 KSchG betroffen sind.

bb)

Diese Voraussetzungen liegen nach dem im wesentlichen unstreitigen Sachverhalt nicht vor. Fortgefallen sind die bisher von der Abteilung „Hausverwaltung“ erledigten Aufgaben nicht. Es hat sich nur der Arbeitsanfall erheblich verringert und die Beklagte hat die verbliebenen Aufgaben anderweitig im Betrieb bzw. Unternehmen verteilt. Der Rückgang der Aufgaben der Abteilung „Hausverwaltung“ ist auch nicht als wesentlich für das gesamte Unternehmen der Beklagten anzusehen. Dies ergibt sich schon daraus, daß die Beklagte als Unternehmen mit mehreren hundert Arbeitnehmern sich nach ihrem eigenen Vorbringen entschieden hat, eine Änderung der Betriebsorganisation in einer Weise vorzunehmen, daß „betriebsbedingte Kündigungen im Zusammenhang mit den Strukturveränderungen eine Ausnahme bleiben“ sollten. Trotz Auflösung der Abteilung „Hausverwaltung“ sind denn auch von den 17 dort beschäftigten Arbeitnehmern 11 weiterbeschäftigt worden. Damit ist die Anzahl der von der „Strukturänderung“ betroffenen Arbeitnehmer im Verhältnis zur Gesamtbelegschaft so gering, daß von einer erheblichen Einschränkung und dem Fortfall wesentlicher Unternehmensaufgaben im Tarifsinne nicht die Rede sein kann.

2.

Die außerordentliche betriebsbedingte Kündigung mit Auslauffrist scheitert im wesentlichen aus den vom Landesarbeitsgericht allerdings im Rahmen seiner Prüfung des § 15 Abs. 4 und 5 KSchG dargelegten Gründen schon daran, daß kein wichtiger Grund zur Kündigung iSv. § 626 Abs. 1 BGB vorlag.

a)

Der Senat hat schon in seinem Urteil vom 5. Februar 1998 (- 2 AZR 227/97 – BAGE 88, 10) entschieden, daß die Ausnahmeregelung des § 15 Abs. 4 Satz 2 (früher § 17 Abs. 4 Satz 2) MTV nicht bedeutet, daß damit eine außerordentliche betriebsbedingte Kündigung nach § 626 BGB völlig ausgeschlossen wäre. Eine solche Regelung unterläge auch, wie der Senat in dem zitierten Urteil ausgeführt hat, grundsätzlichen Bedenken. Ebensowenig läßt sich aus § 15 Abs. 4 Satz 2 MTV herleiten, daß eine außerordentliche betriebsbedingte Kündigung aus wichtigem Grund im Fall betriebsbedingter Kündigungsgründe nur bei erheblicher Einschränkung durch Fortfall wesentlicher Unternehmensaufgaben zulässig sein soll. Diese Auslegung findet in der Tarifnorm keine Stütze. Die nach dem Tarifvertrag ordentlich unkündbaren Arbeitnehmer sind bereits dadurch hinreichend geschützt, daß der im Tarifvertrag ausdrücklich für anwendbar erklärte § 626 BGB die Unzumutbarkeit der Weiterbeschäftigung verlangt, so daß unter Berücksichtigung des tariflichen Sonderschutzes eine außerordentliche Kündigung aus betriebsbedingten Gründen nur in eng umrissenen Ausnahmefällen zulässig ist (BAG 5. Februar 1998 aaO).

b)

Eine außerordentliche fristlose Kündigung aus betriebsbedingten Gründen ist auch gegenüber einem tariflich unkündbaren Arbeitnehmer in aller Regel nach § 626 Abs. 1 BGB unzulässig. Prüfungsmaßstab ist hier, ob dem Arbeitgeber bei einem vergleichbaren ordentlich kündbaren Arbeitnehmer dessen Weiterbeschäftigung bis zum Ablauf der Kündigungsfrist (fiktive Kündigungsfrist) unzumutbar wäre. Dies ist bei betriebsbedingten Kündigungsgründen regelmäßig nicht der Fall. Dem Arbeitgeber ist, wenn aus betrieblichen Gründen die Weiterbeschäftigungsmöglichkeit für alle bzw. einzelne Arbeitnehmer entfällt, selbst im Insolvenzfall zumutbar, wenigstens die Kündigungsfrist einzuhalten. Wenn dies zu Annahmeverzugslohnansprüchen führt, ohne daß der Arbeitgeber noch Verwendung für die Arbeitskraft der betreffenden Arbeitnehmer hat, so verwirklicht sich hierin sein Unternehmerrisiko.

c)

Eine außerordentliche Kündigung mit notwendiger Auslauffrist kommt allerdings dann in Betracht, wenn ein wichtiger Grund zur Kündigung gerade darin zu sehen ist, daß wegen des tariflichen Ausschlusses der ordentlichen Kündigung der Arbeitgeber den Arbeitnehmer notfalls bis zum Erreichen der Pensionsgrenze weiterbeschäftigen müßte und ihm dies unzumutbar ist. Eine solche außerordentliche Kündigung mit Auslauffrist, die die tariflich ausgeschlossene ordentliche Kündigung ersetzt, kommt allerdings nur in extremen Ausnahmefällen in Betracht. Es geht im wesentlichen darum zu vermeiden, daß der tarifliche Ausschluß der ordentlichen Kündigung dem Arbeitgeber Unmögliches oder evident Unzumutbares aufbürdet (BAG 5. Februar 1998 aaO). Dies kann vor allem dann der Fall sein, wenn der Arbeitgeber ohne außerordentliche Kündigungsmöglichkeit gezwungen wäre, ein sinnloses Arbeitsverhältnis über viele Jahre hinweg allein durch Gehaltszahlungen, denen keine entsprechende Arbeitsleistung gegenübersteht, aufrechtzuerhalten. Dabei ist ein strenger Prüfungsmaßstab anzulegen (so schon Senat 3. November 1955 – 2 AZR 39/54 – BAGE 2, 214). In erheblich weiterem Umfang als bei einer ordentlichen Kündigung ist es dem Arbeitgeber bei einer außerordentlichen Kündigung mit Auslauffrist gegenüber einem tariflich unkündbaren Arbeitnehmer zumutbar, die Kündigung durch geeignete andere Maßnahmen zu vermeiden (Senat 5. Februar 1998 aaO; 12. Juli 1995 – 2 AZR 762/94 – AP BGB § 626 Krankheit Nr. 7 = EzA BGB § 626 nF Nr. 156; 17. September 1998 – 2 AZR 419/97 – AP BGB § 626 Nr. 148 = EzA BGB § 626 Unkündbarkeit Nr. 3). Besteht noch irgendeine Möglichkeit, die Fortsetzung eines völlig sinnentleerten Arbeitsverhältnisses („Heizer auf der E-Lok“) etwa durch eine anderweitige Weiterbeschäftigung ggf. nach entsprechender Umschulung zu vermeiden, ist es dem Arbeitgeber regelmäßig zumutbar, diese andere Möglichkeit zu wählen. Erst wenn alle anderen Lösungsversuche gescheitert sind, kann ein wichtiger Grund zur außerordentlichen Kündigung mit Auslauffrist vorliegen. Dies hat der Senat etwa in dem Fall angenommen, daß die gesamte berufliche Karriere der betreffenden Arbeitnehmerin auf den weggefallenen Arbeitsplatz hin aufgebaut war und jeglicher Einsatz dieser Arbeitnehmerin auf einem anderen Arbeitsplatz, auch nach entsprechender Umschulung, nicht mehr in Betracht kam (5. Februar 1998 aaO; vgl. zur krankheitsbedingten Kündigung 18. Januar 2001 – 2 AZR 616/99 – AP LPVG Niedersachsen § 28 Nr. 1 = EzA BGB § 626 Krankheit Nr. 4).

d)

Diesen Anforderungen wird die Kündigung der Beklagten auch nicht annähernd gerecht.

aa)

Es ist schon fraglich, ob die Beklagte ihrer angesichts der ordentlichen Unkündbarkeit der Klägerin bei einer bloßen Strukturänderung gesteigerten Darlegungslast nachgekommen ist, daß tatsächlich die verbliebenen Aufgaben der Abteilung „Hausverwaltung“ nicht einen derartigen Umfang hatten, daß die Klägerin mit ihnen an anderer Stelle im Betrieb oder Unternehmen hätte weiterbeschäftigt werden können. Ließ sich bei bloßer Umorganisation aus den verbliebenen Restaufgaben der Abteilung „Hausverwaltung“ eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit für die Klägerin schaffen, so war die Beklagte verpflichtet, solche organisatorischen Maßnahmen zu ergreifen, ehe sie der Klägerin außerordentlich kündigte. Dies kann aber letztlich dahinstehen. Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts bestanden zumutbare Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten an anderer Stelle im Betrieb, die eine außerordentliche Kündigung ausschlossen.

bb)

Nach dem eigenen Vorbringen der Beklagten konnte die Klägerin auf einem freien Arbeitsplatz in der Abteilung „Wohnungswirtschaft“ als Grundstücksverwalterin weiterbeschäftigt werden. Die Beklagte ist ihrer gesteigerten Pflicht, vor Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung alle nur denkbaren Maßnahmen zu ergreifen, die eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses ermöglichten, nicht hinreichend dadurch nachgekommen, daß sie der Klägerin lediglich schriftlich ein entsprechendes Angebot zu einem erheblich verringerten Gehalt machte. Es kann dahinstehen, ob die ordentlich unkündbare Klägerin sich überhaupt mit einer erheblichen Gehaltsminderung einverstanden erklären mußte, und ob die Beklagte nicht verpflichtet gewesen wäre, der Klägerin als mildere Maßnahme gegenüber einer Kündigung die bloße Versetzung anzubieten und ihr das bisherige Einkommen zumindest in Form einer Zulage weiterzuzahlen. Jedenfalls hat die Klägerin, worauf das Landesarbeitsgericht zutreffend hinweist, das Angebot nicht ohne nähere Begründung endgültig abgelehnt, sondern auf die aus ihrer Sicht bestehende Problematik einer Zusatzausbildung hingewiesen und sich sogar mit einer Gehaltsminderung grundsätzlich einverstanden erklärt. Unter diesen Umständen ist das Landesarbeitsgericht zutreffend davon ausgegangen, daß die Beklagte nicht ohne weitere Verhandlungen über diese Weiterbeschäftigungsmöglichkeit zum Ausspruch einer Beendigungskündigung berechtigt war. Die Sinnlosigkeit der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses stand angesichts der Verhandlungsbereitschaft der Klägerin bei Ausspruch der Kündigung jedenfalls noch nicht fest.

cc)

Nichts anderes gilt für den Arbeitsplatz in der Abteilung „Immobilienmanagement“ als Sachbearbeiterin „Grundstückswesen“. Diesen Arbeitsplatz hat die Beklagte der Klägerin nach ihrem eigenen Vorbringen allein deshalb nicht angeboten, weil sie dessen finanzielle Dotierung als der Klägerin unzumutbar ansah. Dem Landesarbeitsgericht ist darin zu folgen, daß die Beklagte nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit der Klägerin vor Ausspruch einer Beendigungskündigung jedenfalls auch diesen Arbeitsplatz zumindest in der Form einer Änderungskündigung hätte anbieten müssen. Dabei kann ebenfalls dahinstehen, ob die Beklagte ihrer Pflicht, vor Ausspruch einer Änderungskündigung alle milderen Maßnahmen auszuschöpfen, durch den Ausspruch einer Änderungskündigung mit dem Angebot einer um zwei Vergütungsgruppen verminderten Vergütung überhaupt hinreichend nachgekommen wäre.

3.

Mit zutreffender Begründung, die sich der Senat zu eigen macht, ist das Landesarbeitsgericht zudem davon ausgegangen, daß auch die gesetzlichen Voraussetzungen, unter denen einem Betriebsratsmitglied nach § 15 Abs. 5 KSchG ordentlich, bei ordentlicher Unkündbarkeit ggf. außerordentlich wegen Stillegung einer Betriebsabteilung gekündigt werden kann, nicht vorliegen.

a)

Nach § 15 Abs. 5 Satz 1 KSchG ist ein Betriebsratsmitglied oder ein sonstiger Funktionsträger, der in einer Betriebsabteilung beschäftigt ist, die stillgelegt wird, in eine andere Betriebsabteilung zu übernehmen. Nur wenn dies aus betrieblichen Gründen nicht möglich ist, kommt eine Kündigung nach der Vorschrift des § 15 Abs. 4 KSchGüber die Kündigung bei Stillegung des Betriebes in Betracht. Schon aus der Tatsache, daß der Gesetzgeber die Kündigung nur bei Unmöglichkeit der Übernahme in eine andere Betriebsabteilung zuläßt, ergibt sich, daß der Arbeitgeber alle Möglichkeiten ausschöpfen muß, die Kündigung zu vermeiden, ehe er zum äußersten Mittel der Kündigung greift. Dies gilt erst recht, wenn bei dem Arbeitnehmer die nach § 15 Abs. 4, 5 KSchG grundsätzlich allein zulässige ordentliche Kündigung tariflich ausgeschlossen ist und nur eine außerordentliche Kündigung unter Gewährung einer Auslauffrist in Betracht kommt. Sind in dem Betrieb geeignete Arbeitsplätze vorhanden, so muß der Arbeitgeber nach der Senatsrechtsprechung (18. Oktober 2000 – 2 AZR 494/99 – BAGE 96, 78) versuchen, einen dieser Arbeitsplätze durch Umsetzung und notfalls durch Kündigung freizumachen, um ua. den mit § 15 KSchG verfolgten Schutzzweck der Kontinuität des Betriebsratsmandates dadurch zu gewährleisten, daß die personelle Zusammensetzung während der Dauer des Mandats möglichst unverändert bleibt. Erst recht muß der Arbeitgeber dem Betriebsratsmitglied freie Arbeitsplätze in anderen Betriebsabteilungen anbieten und eine Kündigung ist frühestens dann möglich, wenn die Verhandlungen über die bestehenden Umsetzungsmöglichkeiten endgültig gescheitert sind und damit feststeht, daß eine Vermeidung der Kündigung durch eine Umsetzung unmöglich ist.

b)

Danach hat die Beklagte jedenfalls nach § 15 Abs. 5 KSchG zu früh gekündigt, selbst wenn man die Schließung der Abteilung „Hausverwaltung“ als die Stillegung einer Betriebsabteilung iSv. § 15 Abs. 5 KSchG ansieht. Die Antwort der Klägerin auf das Angebot einer Weiterbeschäftigung in der Abteilung „Wohnungswirtschaft“ als Grundstücksverwalterin ließ genügend Verhandlungsspielraum, der eine Einigung über eine Weiterbeschäftigung der Klägerin in einer anderen Abteilung noch als möglich erscheinen ließ. Auf die nach der Senatsrechtsprechung bestehende Pflicht der Beklagten, ggf. sogar einen Arbeitsplatz für die Klägerin freizukündigen, kommt es deshalb nicht einmal mehr an.

II.

Die Revision der Beklagten ist auch hinsichtlich der der Klägerin zuerkannten Zahlungsansprüche unbegründet.

1.

Die Beklagte schuldet der Klägerin Entgelt für die Zeit vom Januar bis August 1999 einschließlich des im Juni fälligen Urlaubsgelds in unbestrittener Höhe von 51. 570, 00 DM abzüglich des erhaltenen Arbeitslosengelds aus dem Gesichtspunkt des Annahmeverzugs nach §§ 611, 615, 293 ff. BGB, § 11 Nr. 3 KSchG.

2.

Soweit das Landesarbeitsgericht die Beklagte zur Zahlung von Verzugszinsen verurteilt hat, ergibt sich der Zinsanspruch aus §§ 288, 284 BGB.

a)

Die Beklagte befand sich zugleich im Schuldnerverzug (§§ 284 ff. BGB). Da für die Gehaltszahlung einschließlich des Urlaubsgelds eine Zeit nach dem Kalender bestimmt war, war eine Mahnung nach § 284 Abs. 2 Satz 1 BGB nicht erforderlich.

b)

Es ist auch nicht festgestellt, daß die Gehaltszahlung infolge eines Umstandes unterblieben wäre, den die Beklagte nicht zu vertreten hat (§ 285 BGB).

aa)

Was der Schuldner zu vertreten hat, regeln die §§ 276 – 279 BGB. Danach hat der Schuldner für eigenes Verschulden und das seiner Erfüllungsgehilfen und gesetzlichen Vertreter einzustehen. Nach § 276 Abs. 1 Satz 2 BGB handelt fahrlässig, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht läßt.

bb)

Gerät der Arbeitgeber in Annahmeverzug, weil er nach Ausspruch einer Kündigung die Gehaltszahlungen an den Arbeitnehmer einstellt, so hat er dies dann zu vertreten, wenn er bei Anwendung der erforderlichen Sorgfalt hätte erkennen können, daß die Kündigung unwirksam war. Insoweit ist zu prüfen, ob sich der Arbeitgeber in einem entschuldbaren Rechtsirrtum befunden hat. Entscheidend ist, ob er unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung mit vertretbaren Gründen zu der Annahme gelangen durfte, die Kündigung werde sich als rechtsbeständig erweisen (BAG 22. März 2001 – 8 AZR 536/00 – EzBAT § 8 Schadensersatzpflicht des Arbeitgebers Nr. 31).

cc)

Beruht die Ungewißheit über die Schuld auf rechtlichen Zweifeln des Schuldners (sog. Rechtsirrtum), hier über die Wirksamkeit einer Kündigung, so muß dies im Grundsatz als möglicher Entschuldigungsgrund berücksichtigt werden können. Der Rechtsirrtum ist entschuldbar, wenn die Rechtslage objektiv zweifelhaft ist und der Schuldner sie sorgfältig geprüft hat. Im Fall einer Kündigung ist nicht erforderlich, daß sich diese als rechtsbeständig erweist. Der Arbeitgeber darf seine Interessen mit den gesetzlich gebotenen Mitteln verfolgen, sofern er nach verständiger Würdigung des Sachverhalts etwa zu der Ansicht gelangen durfte, es liege eine Pflichtverletzung des Arbeitnehmers vor. Der Ausspruch einer Kündigung erfordert eine komplexe Abwägungsentscheidung des Arbeitgebers. Es ist nicht in jedem Fall leicht abzuschätzen, inwieweit das Arbeitsgericht und die weiteren gerichtlichen Instanzen der eigenen Abwägung folgen werden. Ist die Rechtslage nicht eindeutig und beruht der Ausspruch der Kündigung auf einem vertretbaren Rechtsstandpunkt, handelt der kündigende Arbeitgeber so lange nicht fahrlässig, wie er auf die Wirksamkeit seiner Kündigung vertrauen darf (BAG aaO mwN).

dd)

Dieses Vertrauen auf die Wirksamkeit der Kündigung kann im Laufe eines Kündigungsrechtsstreits seine Berechtigung verlieren, zB nach Durchführung einer Beweisaufnahme, die zum Ergebnis führt, daß keine Kündigungsgründe vorliegen. So kann etwa bei einer Kündigung wegen lang anhaltender Krankheit, bei der die maßgebliche Beurteilungsgrundlage die objektiven Verhältnisse im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigungserklärung sind, ggf. erst ein eingeholtes Sachverständigengutachten Aufschlußüber die anzustellende Gesundheitsprognose geben (vgl. etwa den Ausgangssachverhalt der Senatsentscheidung vom 21. Februar 2001 – 2 AZR 558/99 – EzA KSchG § 1 Krankheit Nr. 48).

ee)

Die Darlegungs- und Beweislast dafür, daß er die verzögerte Gehaltszahlung nicht zu vertreten hat, trägt der Arbeitgeber, weil er die Kündigung ausgesprochen hat. Er hat darzulegen und ggf. zu beweisen, daß aus seiner Sicht Kündigungsgründe vorlagen, die einen sorgfältig abwägenden Arbeitgeber zur Kündigung veranlassen konnten, so daß er auf die Wirksamkeit der Kündigung vertrauen durfte (BAG 23. September 1999 – 8 AZR 791/98 – nv. ).

ff)

Die Beklagte hat hier keine Umstände vorgetragen, die auf fehlendes Verschulden (§ 285 BGB) schließen lassen. Beide Vorinstanzen haben der Klage mit der zutreffenden Begründung stattgegeben, daß die Beklagte gegenüber der tariflich ordentlich unkündbaren Klägerin, die Sonderkündigungsschutz als Betriebsratsmitglied genoß, vor Ausspruch der Kündigung nicht alle – naheliegenden – milderen Mittel ausgeschöpft hat, die Kündigung etwa durch eine Versetzung zu vermeiden. Nach den Gesamtumständen konnte die Beklagte nicht mit vertretbaren Gründen auf die Wirksamkeit der Kündigung vertrauen.

c)

Damit ist die Beklagte nach § 288 BGB zur Zahlung der noch streitigen Verzugszinsen auf die nachzuzahlende Nettovergütung verpflichtet. Der Tenor ist dabei in der Weise auszulegen, daß das Landesarbeitsgericht die Beklagte nur zur Zinszahlung aus dem sich nach Abzug des Arbeitslosengeldes von 61, 23 DM täglich ergebenden Nettobetrag verurteilt hat. In Höhe des erhaltenen Arbeitslosengeldes kann die Klägerin von der Beklagten – wovon das Landesarbeitsgericht zutreffend ausgegangen ist – keine Zinsen fordern.

aa)

Das ergibt sich schon aus § 11 Nr. 3 KSchG. Danach muß sich der Arbeitnehmer auf die vom Arbeitgeber für die Zeit nach der Entlassung geschuldete Vergütung Leistungen der Sozialversicherungsträger anrechnen lassen. Bestimmt das Gesetz, eine Leistung sei „anzurechnen“ so wird der dem Gläubiger zustehende Anspruch automatisch um die anzurechnende Leistung gekürzt, ohne daß es einer Aufrechnungserklärung oder sonstiger Handlungen des Schuldners bedarf (MünchKommBGB/Emmerich 4. Aufl. § 324 Rn. 48). In Höhe des anzurechnenden Betrags entfällt damit die vom Bestehen der Hauptforderung abhängige Zinspflicht des Schuldners.

bb)

Nichts anderes ergibt sich aus § 115 Abs. 1 SGB X. Soweit der Arbeitgeber den Anspruch des Arbeitnehmers auf Arbeitsentgelt nicht erfüllt und deshalb ein Leistungsträger Sozialleistungen erbracht hat, geht nach dieser Vorschrift der Anspruch des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber auf den Leistungsträger in Höhe der erbrachten Sozialleistungen über. Mit der Gutschrift des Arbeitslosengeldes auf dem Konto des Arbeitnehmers erwirbt die Bundesanstalt für Arbeit zugleich die auf das Arbeitsentgelt künftig fällig werdenden Zinsen.

III.

Der Weiterbeschäftigungsanspruch ist nicht Gegenstand des Revisionsverfahrens.

IV.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO.

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Vorinstanzen:

LAG Sachsen, Urteil vom vom 22. 01. 2001, 10 Sa 505/99
ArbG Dresden, Urteil vom vom 08. 04. 1999, 8 Ca 5878/98