BAG – 2 AZR 148/01

Krankeitsbedingte Kündigung – negative Gesundheitsprognose –  langanhaltende Krankheit

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 12.04.2002, 2 AZR 148/01

Leitsätze des Gerichts

  1. Weigert sich der erkrankte Arbeitnehmer vorprozessual, die ihn behandelnden Ärzte von der Schweigepflicht zu befreien, so ist es ihm dennoch nicht verwehrt, im Kündigungsschutzprozeß die negative Gesundheitsprognose unter Bezugnahme auf ärztliches Zeugnis zu bestreiten.
  2. Bei einer Kündigung aus Anlaß einer Langzeiterkrankung ist bei krankheitsbedingter dauerhafter Leistungsunfähigkeit in aller Regel von einer erheblichen Beeinträchtigung betrieblicher Interessen (2. Stufe) auszugehen. Der dauerhaften Leistungsunfähigkeit steht die Ungewißheit der Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit gleich, wenn in den nächsten 24 Monaten mit einer anderen Prognose nicht gerechnet werden kann. Für die Prognose kommt es auf den Zeitpunkt der Kündigung an. Vor der Kündigung liegende Krankheitszeiten können in den Prognosezeitraum (24 Monate) nicht eingerechnet werden (Bestätigung und Ergänzung des Senatsurteils vom 29. April 1999 – 2 AZR 431/98 – BAGE 91, 271).

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 16. Januar 2001 7 Sa 1833/00 aufgehoben.

Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung, die wegen lang anhaltender Krankheit der Klägerin ausgesprochen wurde.

Die 1964 geborene, ledige Klägerin trat im Februar 1986 als Kinderpflegerin in die Dienste der beklagten Kirchengemeinde, die etwa 50 Arbeitnehmer beschäftigt. Die Klägerin war in dem von der Beklagten betriebenen Kindergarten tätig. Die monatliche Bruttovergütung betrug zuletzt 3.876,92 DM. Im Arbeitsvertrag der Parteien ist die Geltung des Bundes-Angestelltentarifvertrages in der für die Angestellten im Bereich der Evangelischen Kirche von Westfalen jeweils geltenden Fassung (BAT-KF) sowie des Kirchengesetzes über das Verfahren zur Regelung der Arbeitsverhältnisse der Mitarbeiter im Kirchlichen Dienst (ARRG) vom 25. Oktober 1979 (KABl. S 230) vereinbart.

Im Jahre 1992 war die Klägerin an 52 Arbeitstagen und im Jahre 1993 bis Ende November an 58 Arbeitstagen arbeitsunfähig erkrankt. Seit dem 30. November 1993 war die Klägerin – abgesehen von einem fehlgeschlagenen Versuch der Wiedereingliederung im Jahr 1994 – fortlaufend arbeitsunfähig (ua. wegen Amalgam – Intoxikation). In der Zeit vom 9. August 1995 bis zum 31. Dezember 1996 erhielt sie Erwerbsunfähigkeitsrente, wegen deren weiterer Bewilligung sie eine Klage vor dem Sozialgericht erhoben hat.

Auf Anfrage der Beklagten teilte die Klägerin im Juni 1998 mit, die Ausleitung der Gifte und Schwermetalle finde in regelmäßigen Abständen statt, vollziehe sich aber sehr langsam. Das Sozialgericht habe ein Sachverständigengutachten in Auftrag gegeben. Im Verlauf weiterer Korrespondenz der Parteien informierte die Klägerin die Beklagte im Januar 1999, es sei noch nicht absehbar, wann sie ihre Tätigkeit wieder aufnehmen könne, ihr Gesundheitszustand habe sich noch nicht wesentlich gebessert und präzisere Angaben könne sie nicht machen. Die von der Beklagten geäußerte Bitte um Entbindung ihres Arztes von der Schweigepflicht lehnte die Klägerin unter dem 13. Mai 1999 ab, da sich auch nach Rücksprache mit ihren Ärzten kein genauer Zeitpunkt der Rückkehr zur Arbeit absehen lasse. Die Beklagte kündigte daraufhin mit Schreiben vom 25. Juni 1999 zum 31. Dezember 1999. Das Arbeitsgericht Bielefeld stellte rechtskräftig die Unwirksamkeit dieser Kündigung wegen fehlender Beteiligung der Mitarbeitervertretung fest (ArbG Bielefeld – 4 Ca 1934/99 –).

Am 21. Juni 2000 faßte das Presbyterium der Beklagten den Beschluß, das Arbeitsverhältnis der Klägerin “vorbehaltlich der kirchenaufsichtlichen Genehmigung” zum 31. Dezember 2000 zu kündigen. Ausweislich eines von der Beklagten vorgelegten Schreibens des Landeskirchenamtes vom 23. Juni 2000 erteilte dieses die kirchenaufsichtliche Genehmigung.

Mit Schreiben vom 28. Juni 2000, das der Klägerin am Tage darauf zuging, erklärte die Beklagte die ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses zum 31. Dezember 2000.

Ein Beteiligungsverfahren nach dem Mitarbeitervertretungsgesetz (MVG) ging der Kündigung nicht voraus. Wie im Revisionsverfahren nicht mehr streitig ist, hatte die frühere Mitarbeitervertretung (MAV) am 27. September 1999 ihren Rücktritt beschlossen. Am 28. Oktober 1999 fand eine Mitarbeiterversammlung statt, auf der ein Wahlvorstand für die Neuwahl einer MAV gewählt wurde. Zur Neuwahl kam es dann jedoch nicht, weil sich keine Kandidaten zur Verfügung stellten.

Die Klägerin hält die Kündigung vom 28. Juni 2000 für unwirksam. Die Kündigung scheitere schon deshalb, weil das Presbyterium den Kündigungsbeschluß zu einem Zeitpunkt gefaßt habe, als die kirchenaufsichtliche Genehmigung noch nicht vorgelegen habe. Ferner habe die Beklagte ein Beteiligungsverfahren nach dem MVG durchführen müssen. Unter Berufung auf das sachverständige Zeugnis der sie behandelnden Ärzte R und M hat die Klägerin vorgetragen, nach eigener Befindlichkeit gehe sie davon aus, der Beklagten spätestens am Ende des ersten Quartals 2001 vollschichtig zur Verfügung zu stehen.

Die Klägerin hat beantragt

festzustellen, daß das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht durch die arbeitgeberseitige Kündigung vom 28. Juni 2000 aufgelöst worden ist.

Die Beklagte hat um Abweisung der Klage gebeten. Es reiche aus, daß die kirchenaufsichtliche Genehmigung bei Ausspruch der Kündigung vorgelegen habe. Die MAV habe seit ihrem Rücktritt nicht mehr existiert. Der am 28. Oktober 1999 gebildete Wahlvorstand nehme die Aufgaben der MAV nach dem MVG längstens für einen Zeitraum von sechs Monaten wahr. Nach Ablauf dieses Zeitraums bestehe keine Möglichkeit zur Durchführung eines Beteiligungsverfahrens. Im Zeitpunkt des Kündigungszugangs sei mit einer Wiederherstellung der Gesundheit der Klägerin auf absehbare Zeit – zumindest für die folgenden 24 Monate – nicht zu rechnen gewesen. Objektive Anhaltspunkte für eine Besserung habe die Klägerin nicht benannt. Die Beklagte habe während der Arbeitsunfähigkeit der Klägerin immer wieder mit befristet tätigen Vertretungskräften arbeiten müssen. Weitere Überbrückungsmaßnahmen seien ihr nicht zumutbar. Die Interessenabwägung müsse, da die Klägerin noch relativ jung sei und das Arbeitsverhältnis bis zum Beginn der Erkrankungen nicht allzu lange bestanden habe, zugunsten der Beklagten ausgehen.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Klägerin nach Beweisaufnahme zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter.

 

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht.

I.

Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, die Kündigung sei weder formell zu beanstanden noch als Wiederholungskündigung unwirksam. Sie sei durch Gründe in der Person der Klägerin bedingt und deshalb nicht sozialwidrig iSd. § 1 Abs. 2 KSchG. Die für die Wirksamkeit einer Kündigung aus Anlaß einer Langzeiterkrankung gegebenen drei Voraussetzungen seien erfüllt. Die negative Zukunftsprognose sei durch die seit 1993 bestehende Arbeitsunfähigkeit indiziert. Zwar habe der behandelnde Arzt der Klägerin in seiner schriftlichen Aussage als sachverständiger Zeuge erklärt, bei Ausspruch der Kündigung sei nicht absehbar gewesen, daß die Klägerin länger als bis März 2001 arbeitsunfähig bleiben würde. Auf diese positive Zukunftsprognose könne sich die Klägerin jedoch nicht berufen, weil sie vorprozessual treuwidrig die Aufklärung der objektiv vorherrschenden gesundheitlichen Situation verhindert habe. Eine erhebliche Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen folge daraus, daß bei Ausspruch der Kündigung die Genesung der Klägerin völlig ungewiß gewesen sei. Das habe durchaus auch für die vom Bundesarbeitsgericht geforderte Dauer von 24 Monaten gegolten, wie sich aus einer Gesamtwürdigung der schriftlichen Aussage des sachverständigen Zeugen Dr. M ergebe. Abgesehen davon sei der vom Bundesarbeitsgericht gesetzte Rahmen von 24 Monaten im vorliegenden Fall unangemessen, weil die Beklagte ungewöhnlich lange mit der Kündigung gewartet und damit die Zukunftsprognose vorweggenommen habe. Die Interessenabwägung gehe zu Lasten der Klägerin aus. Sie sei jung genug, um einen neuen beruflichen Anfang zu starten, und ihre Bindung an die Beklagte falle angesichts eines nur anfangs ungestörten Beschäftigungsverlaufs nicht so sehr ins Gewicht.

II.

Dem folgt der Senat nur in Teilen der Begründung.

1.

Zutreffend hat das Landesarbeitsgericht festgestellt, daß die Kündigung nicht als sogenannte “Wiederholungskündigung” unwirksam ist. Die Beklagte war nicht gehindert, die Kündigung auf die Gründe zu stützen, aus denen sie die vorausgegangene Kündigung erklärt hatte.

a)

Ist in einem Kündigungsrechtsstreit entschieden, daß das Arbeitsverhältnis durch eine bestimmte Kündigung nicht aufgelöst worden ist, so kann der Arbeitgeber eine erneute Kündigung nur dann nicht auf die Kündigungsgründe stützen, die er schon zur Begründung der ersten Kündigung vorgebracht hat, wenn diese in dem ersten Kündigungsschutzprozeß materiell geprüft worden sind mit dem Ergebnis, daß sie die Kündigung nicht rechtfertigen können (Senat 26. August 1993 – 2 AZR 159/93 – BAGE 74, 143; 5. Februar 1998 – 2 AZR 227/97 – BAGE 88, 10).

b)

Im Prozeß um die Kündigung der Beklagten vom 25. Juni 1999 hat eine solche materielle Prüfung nicht stattgefunden. Das Arbeitsgericht hat die Unwirksamkeit der Kündigung vielmehr deshalb festgestellt, weil es an der Durchführung des Beteiligungsverfahrens nach dem MVG fehlte. Außerdem kommt es für die Begründetheit der Krankheitskündigung auf die Gesundheitsprognose im Zeitpunkt der Kündigung an. Mit diesem ändert sich zugleich der Kündigungssachverhalt.

2.

Die Kündigung ist nicht wegen fehlender Beteiligung der MAV unwirksam.

a)

Das Kirchengesetz über Mitarbeitervertretungen in der Evangelischen Kirche in Deutschland (Mitarbeitervertretungsgesetz – MVG) vom 6. November 1992 (ABl. EKD 1992 S 445), zuletzt geändert durch Kirchengesetz vom 5. November 1998 (ABl. EKD 1998 S 478), trifft, soweit von Interesse, folgende Regelungen:

“ § 7 MVG

Neubildung von Mitarbeitervertretungen

Sofern keine Mitarbeitervertretung besteht, hat die Dienststellenleitung … unverzüglich eine Mitarbeiterversammlung zur Bildung eines Wahlvorstandes einzuberufen. Kommt die Bildung einer Mitarbeitervertretung nicht zustande, so ist auf Antrag von mindestens drei Wahlberechtigten und spätestens nach Ablauf einer Frist von jeweils längstens einem Jahr erneut eine Mitarbeiterversammlung einzuberufen, um einen Wahlvorstand zu bilden.

§ 16

Neuwahl der Mitarbeitervertretung vor Ablauf der Amtszeit

1.

Die Mitarbeitervertretung ist vor Ablauf ihrer Amtszeit unverzüglich neu zu wählen, wenn

a)

b)

die Mitarbeitervertretung mit den Stimmen der Mehrheit der Mitglieder ihren Rücktritt beschlossen hat,

c)

2.

In den Fällen des Absatzes 1 ist unverzüglich das Verfahren für die Neu- oder Nachwahl einzuleiten. Bis zum Abschluß der Neuwahl nehmen im Falle des Absatzes 1 Buchstabe a die verbliebenen Mitglieder der Mitarbeitervertretung deren Aufgaben wahr …; in den übrigen Fällen nimmt der Wahlvorstand die Aufgaben der Mitarbeitervertretung bis zum Abschluß der Neuwahl, längstens aber für einen Zeitraum von sechs Monaten wahr …”

Gem. § 42 b, § 41 Abs. 3, § 38 MVG darf eine ordentliche Kündigung erst ausgesprochen werden, wenn die MAV zugestimmt hat oder die Zustimmung durch die Schlichtungsstelle ersetzt worden ist.

b)

Nach den für den Senat bindenden und auch von der Klägerin nicht mehr bestrittenen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts war die zuständige Mitarbeitervertretung am 30. September 1999 zurückgetreten. Am 28. Oktober 1999 wurde in einer Mitarbeiterversammlung ein Wahlvorstand gewählt. Zur Wahl einer Mitarbeitervertretung kam es dann jedoch nicht. Das Landesarbeitsgericht hat also zu Recht angenommen, daß bei Ausspruch der Kündigung im Juni 2000 eine MAV nicht bestand. Wie das Landesarbeitsgericht ebenfalls zutreffend angenommen hat, konnte die Beklagte den am 28. Oktober 1999 gewählten Wahlvorstand nicht beteiligen, weil dessen Mandat gem. § 16 Abs. 2 Satz 2 MVG am 28. April 2000 abgelaufen war (vgl. Fey-Rehren Kirchengesetz über Mitarbeitervertretungen in der Evangelischen Kirche in Deutschland Praxiskommentar Stand Januar 2000 § 16 MVG Rn. 7).

c)

Ohne Erfolg rügt die Revision, die Beklagte habe es treuwidrig (§ 242 BGB) unterlassen, die Mitarbeiter darüber zu unterrichten, daß ohne Neuwahl einer Mitarbeitervertretung die Kündigungsmöglichkeiten der Beklagten erweitert würden.

a)

Anders als das Betriebsverfassungsgesetz sieht § 7 MVG allerdings eine Initiativpflicht des Arbeitgebers zur Wahl einer Mitarbeitervertretung vor. Dieser Verpflichtung ist die Beklagte jedoch nachgekommen, indem sie am 28. Oktober 1999 eine Mitarbeiterversammlung einberief. Nunmehr war es Sache des Wahlvorstandes und der Mitarbeiter, eine Mitarbeitervertretung zu wählen. Darüber hinausgehende Unterrichtungspflichten sieht das MVG nicht vor. Erst nach Ablauf eines Jahres mußte die Beklagte erneut eine Mitarbeiterversammlung einberufen. Ob sie dieser Verpflichtung nachgekommen ist, kann dahinstehen, weil die Kündigung vor Ablauf dieser Jahresfrist ausgesprochen wurde.

b)

Die Beklagte handelt nicht treuwidrig, wenn sie sich auf die fehlende Pflicht zur Durchführung eines Beteiligungsverfahrens beruft. Treuwidrigkeit könnte allenfalls dann angenommen werden – unter dem Gesichtspunkt der Vereitelung von Rechten der Gegenpartei (vgl. auch § 162 Abs. 1 BGB, § 815 BGB) –, wenn die Beklagte die Bildung einer Mitarbeitervertretung behindert oder nicht pflichtgemäß gefördert hätte. Die Beklagte hat aber ihre Pflichten nach dem MVG erfüllt. Daß sich kein Mitarbeiter zur Kandidatur bereit fand, ist ihr nicht anzulasten.

3.

Zu Unrecht meint die Revision, die Kündigung sei unter einer Bedingung ausgesprochen worden und deshalb unwirksam. Das Kündigungsschreiben lautet:

“Wir kündigen hiermit das Arbeitsverhältnis mit Ihnen aus personenbedingten Gründen (Arbeitsunfähigkeit von nicht absehbarer Dauer) fristgemäß zum 31.12.2000.”

Damit ist die Wirksamkeit der Kündigung nicht vom Eintritt oder Nichteintritt eines Ereignisses abhängig gemacht worden. Die Kündigung ist unbedingt erklärt.

4.

Ebenfalls zu Unrecht macht die Revision eine Verletzung von § 180 BGB geltend. Diese Vorschrift regelt das Schicksal einseitiger Rechtsgeschäfte des vollmachtlosen Vertreters. Die Kündigung ist jedoch nicht von einem vollmachtlosen Vertreter ausgesprochen worden, sondern von der Beklagten selbst. Arbeitgeberin und damit Vertragspartnerin der Klägerin ist allein die als Körperschaft des öffentlichen Rechts verfaßte beklagte Kirchengemeinde.

Allerdings bedarf nach § 3 Nr. 3, § 5 Abs. 2 Nr. 7 der Verordnung über die kirchenaufsichtliche Genehmigung dienst- und arbeitsrechtlicher Maßnahmen (Genehmigungsverordnung – GenVO) vom 29. November 1995 (KABl. 1996 S 5 ff.) die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses der vorherigen Genehmigung durch das Landeskirchenamt. Darin liegt indes keine Beschränkung der Vertretungsmacht. Die genannten Vorschriften beinhalten vielmehr das Zustimmungserfordernis eines Dritten, das in §§ 182 bis184 BGB geregelt ist. Als zustimmungsbedürftiges Rechtsgeschäft ist in § 3 Nr. 3 GenVO die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses bezeichnet. Wie sich aus § 182 Abs. 3 BGB ergibt, muß, wenn die Wirksamkeit eines einseitigen Rechtsgeschäfts von einer vorherigen Zustimmung (= Einwilligung) abhängt, die Einwilligung erst bei Vornahme des Rechtsgeschäfts vorliegen. Erst in diesem Zeitpunkt kann nämlich der Erklärungsempfänger die Vorlage der schriftlichen Einwilligung verlangen (§ 182 Abs. 3 BGB iVm. § 111 Satz 2, 3 BGB). Dem ist hier Genüge getan. Das Landesarbeitsgericht hat bindend und ohne daß die Revision hiergegen Verfahrensrügen erhoben hätte, festgestellt, bei Ausspruch der Kündigung habe die kirchenaufsichtliche Genehmigung vorgelegen. Daß die Genehmigung im Zeitpunkt, als das Presbyterium den Kündigungsentschluß faßte, noch nicht vorlag, ist unerheblich. Das nach § 3 Nr. 3 GenVO genehmigungsbedürftige Rechtsgeschäft ist nicht der Beschluß des Presbyteriums, sondern die Kündigung selbst.

5.

Zutreffend rügt dagegen die Revision eine fehlerhafte Anwendung des § 1 Abs. 2 KSchG durch das Berufungsgericht.

a)

Bei der Frage, ob die Kündigung auf Grund krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit aus Gründen in der Person bedingt und deshalb sozial gerechtfertigt ist (§ 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG), handelt es sich um die Anwendung eines unbestimmten Rechtsbegriffs, die vom Revisionsgericht nur dahin überprüft werden kann, ob das Berufungsgericht den Rechtsbegriff selbst verkannt hat, ob es bei der Unterordnung des Sachverhalts unter die Rechtsnormen des § 1 KSchG Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt hat, ob es bei der gebotenen Interessenabwägung, bei der dem Tatsachenrichter ein Beurteilungsspielraum zusteht, alle wesentlichen Umstände berücksichtigt hat und ob die Entscheidung in sich widerspruchsfrei ist (vgl. ua. Senat 28. Februar 1990 – 2 AZR 401/89 – AP KSchG 1969 § 1 Krankheit Nr. 25 = EzA KSchG § 1 Personenbedingte Kündigung Nr. 5 und 6. Februar 1997 – 2 AZR 192/96 – EzA BetrVG 1972 § 102 Nr. 95). Auch unter Zugrundelegung dieses eingeschränkten Überprüfungsmaßstabes hält das angefochtene Urteil einer revisionsgerichtlichen Überprüfung nicht stand.

b)

Im Ausgangspunkt zutreffend hat das Landesarbeitsgericht angenommen, es handele sich bei der hier gegebenen, mehr als sechsjährigen Arbeitsunfähigkeit um eine langanhaltende Krankheit im Sinne der einschlägigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts.

c)

Im Ansatz ebenfalls richtig ist das Landesarbeitsgericht von der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur sozialen Rechtfertigung von Kündigungen ausgegangen, die aus Anlaß langanhaltender Krankheit ausgesprochen werden. Danach ist auch in diesen Fällen eine dreistufige Prüfung vorzunehmen. Die Kündigung ist sozial gerechtfertigt (§ 1 Abs. 2 KSchG), wenn eine negative Prognose hinsichtlich der voraussichtlichen Dauer der Arbeitsunfähigkeit vorliegt – erste Stufe –, eine darauf beruhende erhebliche Beeinträchtigung betrieblicher Interessen festzustellen ist – zweite Stufe – und eine Interessenabwägung ergibt, daß die betrieblichen Beeinträchtigungen zu einer billigerweise nicht mehr hinzunehmenden Belastung des Arbeitgebers führen – dritte Stufe – (st. Rspr. des BAG zB 29. April 1999 – 2 AZR 431/98 – BAGE 91, 271; 21. Februar 1992 – 2 AZR 399/91 – AP KSchG 1969 § 1 Krankheit Nr. 30 = EzA KSchG § 1 Krankheit Nr. 38). Bei krankheitsbedingter dauernder Leistungsunfähigkeit ist in aller Regel ohne weiteres von einer erheblichen Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen auszugehen. Die Ungewißheit der Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit steht einer krankheitsbedingten dauernden Leistungsunfähigkeit dann gleich, wenn in den nächsten 24 Monaten mit einer anderen Prognose nicht gerechnet werden kann (BAG 29. April 1999 aaO). Die spätere Entwicklung einer Krankheit nach Ausspruch einer Kündigung kann weder zur Bestätigung noch zur Korrektur der Prognose verwertet werden. Vielmehr ist allein auf den Kündigungszeitpunkt abzustellen (BAG 29. April 1999 aaO).

d)

Die bisher getroffenen Feststellungen rechtfertigen allerdings – entgegen der Annahme des Landesarbeitsgerichts – noch keine negative Prognose.

a)

Auch für die Voraussetzungen einer krankheitsbedingten Kündigung trifft den Arbeitgeber die Darlegungs- und Beweislast gem. § 1 Abs. 2 Satz 4 KSchG. Hinsichtlich der negativen Gesundheitsprognose genügt der Arbeitgeber seiner Darlegungslast zunächst, wenn er die bisherige Dauer der Erkrankung sowie die ihm bekannten Krankheitsursachen darlegt. Die Dauer der bisherigen Arbeitsunfähigkeit allein muß zwar noch nichts darüber aussagen, ob der Arbeitnehmer auch in Zukunft auf nicht absehbare Zeit arbeitsunfähig krank sein wird. Ihr kann aber unter Umständen eine gewisse Indizwirkung entnommen werden (BAG 25. November 1982 – 2 AZR 140/81 – BAGE 40, 361). Wenn auf die zunächst pauschale Darlegung der bisherigen Krankheitszeit der Arbeitnehmer konkret ggf. unter Entbindung seiner Ärzte von der Schweigepflicht dartut, daß mit einer früheren Genesung zu rechnen ist, obliegt nunmehr dem Arbeitgeber der Beweis für die Berechtigung der negativen Prognose, den er in der Regel nur durch ein medizinisches Sachverständigengutachten erbringen kann. Ein Erfahrungssatz des Inhalts, bei langanhaltenden Krankheiten sei für die Zukunft mit ungewisser Fortdauer der Krankheit zu rechnen, besteht nicht (BAG 25. November 1982 aaO; 19. Mai 1993 – 2 AZR 598/92 – nv.).

b)

Die Beklagte hatte ihrer Darlegungslast zunächst dadurch genügt, daß sie die Krankheitsdauer und die weiteren ihr bekannten Umstände vortrug. Die Klägerin hat demgegenüber dargelegt, nach ihrem subjektiven Befinden gehe sie von einer Genesung in absehbarer Zeit aus. Bei dem diffusen Krankheitsbild und angesichts des Umstandes, daß auch die Klägerin nicht Medizinerin ist, konnte konkreterer Vortrag von ihr nicht erwartet werden. Hiervon ist offenbar auch das Landesarbeitsgericht ausgegangen und hat die von ihm eingeholte schriftliche Erklärung des von der Klägerin benannten sachverständigen Zeugen Dr. M als der Klägerin günstige Prognose gewürdigt. Das ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Nach den vorstehend wiedergegeben Grundsätzen hätte das Landesarbeitsgericht nunmehr dem Beweisantritt der Beklagten nachgehen und das von ihr angebotene medizinische Sachverständigengutachten einholen müssen.

1.

Davon hat das Landesarbeitsgericht indes abgesehen, weil es die Berufung der Klägerin auf die von ihr behauptete günstige Prognose und die ihr günstige Aussage des sachverständigen Zeugen Dr. M als treuwidrig angesehen und angenommen hat, deshalb sei eine negative Prognose zu unterstellen.

2.

Dem stimmt der Senat nicht zu.

a)

Es kann dahinstehen, ob die Klägerin, wie das Landesarbeitsgericht entgegen der herrschenden Meinung (vgl. von Hoyningen-Huene/Linck KSchG 13. Aufl. § 1 Rn. 223 ff. mwN) meint, schon nach allgemeinen Grundsätzen verpflichtet war, vorprozessual ihre Ärzte von der Schweigepflicht zu entbinden, wie es die Beklagte von der Klägerin verlangt hat. Ebenfalls offenbleiben kann, ob eine solche Verpflichtung gem. § 7 Abs. 2 BAT KF bestand. Selbst wenn die Klägerin sich vorprozessual zu Unrecht geweigert hätte, ihre Ärzte von der Schweigepflicht zu entbinden, wäre es ihr nicht verwehrt, die von der Beklagten behauptete negative Gesundheitsprognose zu bestreiten. Eine Rechtsvorschrift hat das Landesarbeitsgericht zur Stützung seiner gegenteiligen Auffassung nicht genannt, sondern das Verhalten der Klägerin lediglich als treuwidrig bezeichnet.

b)

Der Vorschrift des § 242 BGB ist allerdings ein Verbot widersprüchlichen Verhaltens zu entnehmen, das auch Auswirkungen auf den Zivilprozeß haben kann (vgl. etwa BGH 21. Juni 2000 – IV ZR 157/99 – MDR 2000, 1247; 14. Juni 1967 – IV ZR 21/66 – NJW 1968, 794; 27. September 1984 – IX ZR 53/83 – BGHZ 92, 194). So kann es einer Partei im Prozeß verwehrt sein, sich auf eine für die Gegenseite ungünstige Beweislage zu berufen, wenn sie diese ungünstige Beweislage vorprozessual selbst herbeigeführt hatte. In diesem Sinne hat der Bundesgerichtshof etwa einem Versicherer, der das Original eines Versicherungsantrags vorprozessual vernichtet hatte, die Berufung darauf versagt, der Versicherungsantrag sei nicht mit einer (echten) Unterschrift versehen (BGH aaO). Indes hat sich durch das vorprozessuale Verhalten der Klägerin die Beweislage der Beklagten im Kündigungsschutzprozeß nicht geändert: Für die Rechtfertigung der Kündigung kommt es auf die objektive Lage bei Ausspruch der Kündigung an. Ob im Streitfall bei Zugang der Kündigung eine negative Gesundheitsprognose gerechtfertigt war oder nicht, hat nichts damit zu tun, ob die Klägerin vorprozessual ihre Ärzte von der Schweigepflicht entband. Die Entbindung von der Schweigepflicht hat weder Auswirkungen auf den Gesundheitszustand noch auf dessen Beweisbarkeit. Auch eine etwa vom behandelnden Arzt vorprozessual abgegebene Prognose bindet keine der Parteien im etwa sich anschließenden Prozeß. Nicht der Gesundheitszustand der Klägerin und damit die Rechtfertigung der Prognose wurde durch das Verhalten der Klägerin beeinflußt, sondern allein die Möglichkeit der Beklagten, vor Prozeßbeginn Kenntnis über den Gesundheitszustand der Klägerin zu erlangen und damit ihre Prozeßaussichten einzuschätzen.

c)

Gem. § 242 BGB kann die Geltendmachung von Rechten auch dann unzulässig sein, wenn sich die handelnde Partei zuvor selbst vertragsuntreu verhalten hat. So ist dem Verkäufer im Prozeß die Berufung auf einen vertraglichen Selbstbelieferungsvorbehalt nicht gestattet, wenn er das Deckungsgeschäft nicht mit der nötigen Sorgfalt abgeschlossen hat (BGH 14. November 1984 – VIII ZR 283/83 – BGHZ 92, 396). Indes führt nicht jeder Vertragsverstoß zum Verlust eigener Rechte. Das ist nur dann der Fall, wenn die vertraglichen und gesetzlichen Bestimmungen nicht ausreichen, um die anspruchstellende Partei zur Vertragstreue anzuhalten. Ist der Arbeitnehmer verpflichtet, sich ärztlich untersuchen zu lassen, so kann der Arbeitgeber ihn auf Erfüllung in Anspruch nehmen und bei Weigerung eine Abmahnung oder ggf. auch eine Kündigung aus verhaltensbedingten Gründen aussprechen (BAG 6. November 1997 – 2 AZR 801/96 – AP BGB § 626 Nr. 142 = EzA BGB § 626 nF Nr. 171; Hess. LAG 18. Februar 1999 – 12 Sa 716/97 – LAGE § 1 KSchG Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 70; vgl. auch KR-Etzel 6. Aufl. § 1 KSchG Rn. 368). Ob darüber hinaus ein Arbeitnehmer, der rechtswidrig und schuldhaft eine Fehleinschätzung des Prozeßrisikos beim Arbeitgeber verursacht, diesem zum Ersatz des entstandenen Schadens (vergeblich aufgewandte Rechtsverfolgungskosten) verpflichtet ist, steht hier nicht zur Entscheidung. Die Beklagte ist jedenfalls nicht rechtlos gestellt. Einer weiteren Sanktionierung durch Verlust prozessualer Rechte der Klägerin bedarf es nicht.

6.

Mit der Annahme, eine erhebliche Beeinträchtigung betrieblicher Interessen liege auf der Grundlage der bisher getroffenen Feststellungen vor, verletzt das Landesarbeitsgericht § 286 Abs. 1 ZPO, wie die Revision zutreffend rügt. Das Landesarbeitsgericht hat bei Prüfung der Frage, ob betriebliche Interessen beeinträchtigt seien – 2. Stufe –, die schriftliche Aussage des sachverständigen Zeugen Dr. M zu Unrecht dahingehend gewürdigt, die Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit der Klägerin sei bei Ausspruch der Kündigung im Juni 2000 völlig ungewiß und mit einer anderen Prognose für die nächsten 24 Monate sei nicht zu rechnen gewesen.

a)

Eine vom Berufungsgericht gem. § 286 Abs. 1 ZPO vorgenommene Würdigung des gesamten Inhalts der Verhandlung und des Ergebnisses einer Beweisaufnahme ist durch das Revisionsgericht nur beschränkt nachprüfbar. Dieses kann lediglich überprüfen, ob das Berufungsgericht die Voraussetzungen und die Grenzen des § 286 Abs. 1 ZPO gewahrt und eingehalten hat. Revisionsrechtlich von Bedeutung ist deshalb nur, ob das Berufungsgericht tatsächlich den gesamten Inhalt der Verhandlungen berücksichtigt und alle erhobenen Beweise gewürdigt hat, ob die Beweiswürdigung in sich widerspruchsfrei sowie frei von Verstößen gegen Denkgesetze und allgemeine Erfahrungssätze ist und ob sie rechtlich möglich ist (BAG 1. Oktober 1997 – 5 AZR 685/96 – BAGE 86, 347 mwN). Dabei verlangt die Berücksichtigung des Ergebnisses einer Beweisaufnahme nicht eine Würdigung jeder Einzelausführung eines Zeugen oder Sachverständigen. Es reicht aus, daß insgesamt widerspruchsfrei und umfassend zum Ergebnis der Beweisaufnahme Stellung genommen wird (BAG 25. Februar 1998 – 2 AZR 327/97 – nv., zu II 1 der Gründe mwN; 21. März 2001 – 5 AZR 352/99 – AP MuSchG 1968 § 3 Nr. 16 = EzA MuSchG § 3 Nr. 7).

b)

Auch diesem eingeschränkten Überprüfungsmaßstab hält die Würdigung durch das Landesarbeitsgericht nicht stand. Der sachverständige Zeuge hat in seiner schriftlichen Aussage vom 15. Januar 2001 wörtlich ausgeführt:

“Es war zum damaligen Zeitpunkt nicht absehbar, daß die AU noch so lange andauern würde.”

Dies ist das Gegenteil dessen, was das Landesarbeitsgericht als durch die Aussage des Zeugen erwiesen angesehen hat. Die Würdigung des Landesarbeitsgerichts ist auch widersprüchlich, weil das Berufungsurteil an anderer Stelle die Prognose des sachverständigen Zeugen ausdrücklich als “günstig” bezeichnet. Auch soweit das Landesarbeitsgericht seine Gesamtwürdigung mit angeblichen Widersprüchen in den Stellungnahmen des Zeugen begründet, kann ihm nicht gefolgt werden. In seiner ersten Stellungnahme vom 11. Januar 2001 hat der Zeuge eine Prognose nach dem Stand Januar 2001 abgegeben. Die Erwartung einer Genesung der Klägerin in den nächsten acht Wochen hat er mit einer allmählichen Besserung, einem Nachlassen pathologischer Heilreaktionen und dem Einsatz zusätzlicher Therapien begründet. Darin liegt kein Widerspruch zu der schriftlichen Aussage vom 15. Januar 2001. Ebensowenig durfte das Landesarbeitsgericht seine Beweiswürdigung damit begründen, die vorausgegangene Weigerung der Klägerin, die Ärzte von der Schweigepflicht zu entbinden, wirke nach. Die Weigerung der Klägerin hatte ersichtlich weder Einfluß auf ihren Gesundheitszustand noch auf die Aussage des Zeugen.

7.

Soweit das Landesarbeitsgericht in seiner Hilfserwägung angenommen hat, die betrieblichen Interessen seien hier deshalb beeinträchtigt, weil es angesichts der langjährigen Vorerkrankung der Klägerin ausreichen müsse, daß die negative Prognose für die Dauer einer halbjährigen Kündigungsfrist beschrieben sei, ist wiederum § 1 Abs. 2 KSchG verletzt.

a)

Von einer Beeinträchtigung betrieblicher Interessen ist in aller Regel auch ohne weitere Darlegungen dann auszugehen, wenn bei Ausspruch der Kündigung für die nächsten 24 Monate nicht mit einer günstigeren Prognose zu rechnen ist. Der Arbeitgeber kann nämlich für diesen Zeitraum eine Ersatzkraft einstellen (vgl. Senat 29. April 1999 aaO – s. jetzt § 14 Abs. 2 TzBfG).

b)

Damit ist zwar nicht ausgeschlossen, daß sich die Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen auch aus anderen Gründen ergeben kann. Vielmehr ist lediglich – im positiven Sinne – eine Regel angegeben, mit deren Hilfe die Beeinträchtigung betrieblicher Interessen leicht festgestellt werden kann. Soweit aber das Landesarbeitsgericht auf die langjährige Vorerkrankung der Klägerin und die von der Beklagten geübte Zurückhaltung abhebt, haben diese Umstände keinen Zusammenhang mit der zukünftigen Beeinträchtigung betrieblicher Interessen. Allein darum geht es aber auf dieser Stufe. Die personenbedingte Kündigung ist keine Sanktion für vergangene Vertragsstörungen. Sie ist zukunftsbezogen und gibt dem Arbeitgeber die Möglichkeit, zu erwartenden betrieblichen Beeinträchtigungen zuvorzukommen. Für die betrieblichen Beeinträchtigungen kommt es auf den künftigen Handlungsspielraum des Arbeitgebers im Zeitpunkt der Kündigung an, nicht aber darauf, ob er, wie das Landesarbeitsgericht anführt, in der Vergangenheit Zurückhaltung geübt hat. Der vom Landesarbeitsgericht herangezogene Zeitraum der längsten Kündigungsfrist hat demgegenüber keinen erkennbaren Bezug zu der Frage, ob dem Arbeitgeber eine Überbrückung der zu erwartenden Krankheitszeiten zugemutet werden kann. Die Kündigungsfrist muß der Arbeitgeber ohnedies von Gesetzes wegen einhalten.

8.

Die Verletzung von § 1 Abs. 2 KSchG und § 286 Abs. 1 ZPO führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils, das sich nicht aus anderen Gründen als richtig erweist (§ 563 ZPO). Voraussetzung der sozialen Rechtfertigung der streitgegenständlichen Kündigung ist in jedem Fall eine negative Gesundheitsprognose (1. Stufe). An dieser fehlt es bisher ebenso wie an Tatsachen, aus denen sich eine Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen ergäbe (2. Stufe).

III.

Der Rechtsstreit ist auf der Grundlage der vom Landesarbeitsgericht getroffenen Feststellungen nicht zur Endentscheidung reif (§ 565 Abs. 3 Nr. 1 ZPO).

1.

Ob die Klage begründet ist, kann bisher nicht beurteilt werden. Hierzu fehlt es an tatsächlichen Feststellungen.

a)

Ob im Streitfall eine negative Gesundheitsprognose – 1. Stufe – im oben wiedergegebenen Sinne gestellt werden kann, hängt vom Ausgang der vom Landesarbeitsgericht durchzuführenden Beweisaufnahme ab. Die Beklagte hat Beweis durch Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens angeboten. Dem wird das Landesarbeitsgericht nachzugehen haben.

b)

Hinsichtlich der Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen – 2. Stufe – hat das Landesarbeitsgericht bezweifelt, aber letztlich – von seinem Standpunkt aus folgerichtig – offengelassen, ob der Vortrag der Beklagten ausreichend ist, eine weitere vertretungsweise Überbrückung sei unzumutbar. In der Tat reicht der bisherige Vortrag der Beklagten zur Unzumutbarkeit einer weiteren Überbrückung nicht aus, um eine Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen anzunehmen. Die Beklagte müßte hierzu konkret darlegen, welche betrieblichen Störungen zu befürchten sein mögen.

Indes wird das Landesarbeitsgericht zu beachten haben, daß, wie ausgeführt, von einer Beeinträchtigung betrieblicher Interessen in aller Regel ohne weiteres auszugehen ist, wenn in den nächsten 24 Monaten mit einer günstigen Prognose nicht gerechnet werden kann. In diesem Fall steht nämlich die Ungewißheit der Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit einer krankheitsbedingten dauernden Leistungsunfähigkeit gleich (BAG 29. April 1999 aaO). Dem hierzu von der Beklagten angetretenen Beweis durch Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens wird das Landesarbeitsgericht daher nachzugehen haben, wenn die Beklagte nicht auf andere Weise eine Beeinträchtigung betrieblicher Interessen darlegt und ggf. beweist.

c)

Die Klage ist auch nicht deshalb begründet, weil die Abwägung der beiderseitigen Interessen – 3. Stufe – zu Gunsten der Klägerin ausgehen müßte. Die vom Landesarbeitsgericht vorgenommene Interessenabwägung ist auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Die in Betracht kommenden Umstände sind berücksichtigt und in vertretbarer Weise gegeneinander abgewogen worden. Dabei hat das Landesarbeitsgericht angenommen, der Arbeitsplatz müsse aus betrieblichen Gründen dauerhaft besetzt werden. Die von der Revision hiergegen erhobene Aufklärungsrüge ist unzulässig. Die Revision hat zwar ausreichend deutlich gemacht, sie halte die richterliche Hinweis- und Aufklärungspflicht (§ 139 Abs. 1, § 278 Abs. 3 ZPO) für verletzt. Mit ihren Ausführungen hat die Revision aber keine Tatsachen, aus denen sich der Verfahrensmangel ergeben soll, bezeichnet. Bei der Rüge unterlassener Fragestellung (§ 139 Abs. 1 ZPO) oder des unterbliebenen Hinweises nach § 278 Abs. 3 ZPO muß die Revision die unterlassene Frage oder den übersehenen rechtlichen Gesichtspunkt bezeichnen und angeben, wie darauf reagiert worden wäre (vgl. zB Senat 20. Januar 2000 – 2 AZR 65/99 – AP KSchG 1969 § 2 Nr. 56 = EzA KSchG § 2 Nr. 39; 11. August 1994 – 2 AZR 9/94 – AP KSchG 1969 § 1 Krankheit Nr. 31 = EzA BGB § 622 nF Nr. 51 mwN; Zöller/Gummer ZPO 22. Aufl. § 554 Rn. 14). An all dem hat es die Revision fehlen lassen.

 

 

Rost       Bröhl       Schmitz-Scholemann

Engel       Bühler

 

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Vorinstanzen:

LAG Hamm, 7 Sa 1833/00, Urteil vom 16.01.2001
ArbG Bielefeld, 4 Ca 2029/00, Urteil vom 18.10.2000

 

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Fundstellen:

BAGE 101, 39