BAG – 2 AZR 464/84

Darlegungspflichten bei der Sozialauswahl

Bundesarbeitsgericht,  Urteil vom 08.08.1985 – 2 AZR 464/84

Leitsatz des Gerichts:

Der Ausschluß der ordentlichen Kündigung älterer gewerblicher Arbeitnehmer (nach Vollendung des 55. Lebensjahres und einer ununterbrochenen Betriebszugehörigkeit von mindestens 10 Jahren) wird bei fehlendem Widerspruch des Betriebsrates nach § 2 Abs. 2 Buchst. b) TV-Nordrhein vom 8. Mai 1974 auch dann aufgehoben, wenn die Kündigung mit einer durch eine Rationalisierungsmaßnahme bedingten Personalreduzierung begründet wird, die nach § 111 BetrVG eine Betriebsänderung mit wesentlichen Nachteilen für die Belegschaft ist und nach § 112 BetrVG zu einem Sozialplan geführt hat.

Kennt der Arbeitnehmer selbst die Zahl und die Namen der vergleichbaren Arbeitnehmer sowie deren Sozialdaten, dann genügt es nicht, wenn er seine Rüge der nicht ausreichenden sozialen Auswahl, bei der der Arbeitgeber entscheidend auf die Unterhaltsverpflichtungen abgestellt hat, allein damit begründet, die Mehrzahl der vergleichbaren Arbeitnehmer sei hinsichtlich des Alters oder der Dauer der Betriebszugehörigkeit weniger schutzbedürftig. Er muß in diesem Falle vielmehr unter Angabe ihrer individuellen Sozialdaten (insbes. Alter, Betriebszugehörigkeit und Unterhaltsverpflichtungen) diejenigen Arbeitnehmer namentlich benennen, die nach seiner Meinung die Kündigung weniger hart treffen würde als ihn.

 

Tatbestand

Der am 7. Dezember 1926 geborene Kläger war bei der Beklagten, einer Tuchfabrik, seit dem 19. Mai 1969 beschäftigt. Er ist für ein Kind unterhaltspflichtig, seine Ehefrau ist ebenfalls berufstätig. Der Kläger arbeitete zuletzt als Einrichter in der Weberei zu einem Stundenlohn von 13,50 DM. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien sind kraft beiderseitiger Tarifbindung die Tarifverträge der nordrheinischen Textilindustrie anzuwenden. Das gilt auch für den Tarifvertrag zur Sicherung älterer Arbeitnehmer vom 8. Mai 1974 (TV-Nordrhein), dessen § 2 folgenden Inhalt hat:

"Kündigungsschutz

1.
Einem gewerblichen Arbeitnehmer kann nach Vollendung des 55. Lebensjahres und einer ununterbrochenen Betriebszugehörigkeit von mindestens 10 Jahren bis zur Bewilligung des Altersruhegeldes, längstens jedoch bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres das Beschäftigungsverhältnis nur noch aus wichtigem Grund gekündigt werden.

Bei Betriebsstillegung ist die ordentliche Kündigung erst zum Zeitpunkt der endgültigen Produktionseinstellung zulässig.

2.
Wenn der Betriebsrat nicht widerspricht, kann von Ziffer 1 abgewichen werden:

a)
bei Stillegung wesentlicher Betriebsteile

b)
in anderen sachlich begründbaren Fällen.

Erhebt der Betriebsrat Widerspruch, so hat er diesen sachlich zu begründen. Kommt zwischen Ge- schäftsleitung und Betriebsrat keine Einigung zustande, so werden die Tarifparteien angerufen.

Bleiben auch deren Einigungsbemühungen erfolglos, so steht der Rechtsweg offen.

3.
Für Änderungskündigungen gelten die Bestimmungen des Betriebsverfassungsgesetzes mit der Maßgabe, daß die von einer Maßnahme nach § 99 BVG betroffenen Arbeitnehmer Anspruch auf die Leistungen nach § 3 Ziff. 2 und 3 dieses Tarifvertrages haben.

Die Tarifparteien sind übereinstimmend der Auffassung: Entsprechend dem Verfahren nach § 102 BetrVG teilt der Arbeitgeber dem Betriebsrat die Absicht der Kündigung mit. Für den Betriebsrat gilt dann eine Frist von einer Woche. Äußert er sich in dieser Zeit nicht, so gilt die Kündigung als unwidersprochen."

Die Beklagte, die zur M-Gruppe gehört, stellte im September 1982 gemeinsam mit den übrigen Unternehmen dieser Gruppe beim Amtsgericht den Antrag auf Einleitung des Vergleichsverfahrens. Mit Ausnahme der Beklagten ist für alle übrigen Unternehmen im Januar 1983 das Anschlußkonkursverfahren eröffnet worden. Die Beklagte ist vor Eröffnung des Anschlußkonkurses aus der M-Gruppe ausgegliedert worden und wird aufgrund eines neuen Unternehmenskonzeptes fortgeführt, das von einer Beratungsgesellschaft entwickelt worden ist. Die Geschäftsleitung der Beklagten beschloß, das Unternehmen in stark reduzierter Form zu erhalten und den Absatz auf ausbaufähige und ertragbringende Artikel zu konzentrieren. Das Sanierungskonzept der Beklagten sah neben einer Umsatzreduzierung von 54 Millionen DM im Geschäftsjahr 1982/83 auf 44,2 Millionen im Geschäftsjahr 1983/84 eine entsprechende Personalreduzierung auf 250 Beschäftigte vor. In einer bis zum 30. Juni 1983 laufenden Übergangsphase wurde die Zahl der Beschäftigten bei der Beklagten zunächst um 35 Arbeitnehmer, d.h. von 304 auf 269 Beschäftigte zurückgeführt. Darauf hatten sich die Geschäftsleitung und der Betriebsrat der Beklagten mit Zustimmung des vorläufigen Vergleichsverwalters in einem Interessenausgleich und Sozialplan vom 28. Februar 1983 geeinigt. Im Rahmen des Interessenausgleiches hat der Betriebsrat den für die Übergangsphase vorgesehenen Kündigungen – auch der beabsichtigten Kündigung des Klägers – zugestimmt. Für die Weberei wirkte sich der beschlossene Umsatz- und Personalabbau dahin aus, daß statt der bisher eingesetzten zwanzig künftig nur noch achtzehn Einrichter benötigt und beschäftigt wurden. Nach dem Sozialplan steht dem Kläger eine Abfindung in Höhe von 4.708,00 DM zu.

Die Beklagte hat dem Kläger mit Schreiben vom 28. Februar 1983 aus betriebsbedingten Gründen zum 30. April 1983 gekündigt.

Der Kläger hat zur Begründung seiner gegen die Wirksamkeit dieser Kündigung gerichteten Klage vorgetragen, es seien zwar dringende betriebliche Erfordernisse für die Kündigung von zwei der zwanzig Einrichter in der Weberei der Beklagten anzuerkennen. Die Kündigung sei aber gleichwohl deswegen unwirksam, weil sich die Beklagte nicht auf einen Kündigungstatbestand berufen könne, der sie nach dem TV-Nordrhein zur Kündigung berechtige. Auch wenn der Betriebsrat der Kündigung nicht widersprochen habe, fehle es doch an einem anderen sachlich begründbaren Fall i.S. dieses Tarifvertrages. Darunter sei nur ein Kündigungssachverhalt zu verstehen, der gewichtiger sei als die in § 1 Abs. 2 KSchG genannten Gründe. Es sei Sinn und Zweck der tariflichen Unkündbarkeit, einen über das KSchG hinausgehenden Kündigungsschutz zu gewähren. Soweit sich die Beklagte auf dringende betriebliche Erfordernisse berufen könne, möge sie die Gesichtspunkte darlegen, unter denen sie die soziale Auswahl getroffen habe.

Der Kläger hat beantragt,

festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 28. Februar 1983 nicht aufgelöst werde, sondern über den 30. April 1983 fortbestehe.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie hat vorgetragen, der TV-Nordrhein stehe der Wirksamkeit der Kündigung nicht entgegen. Von einem sachlich begründbaren Fall sei u.a. dann auszugehen, wenn es – wie vorliegend – um ein dringendes betriebliches Erfordernis zur Kündigung und damit um einen Kündigungsgrund nach dem KSchG gehe. Durch die Alterssicherung werde der Bestandsschutz gegenüber dem KSchG nur insofern verstärkt, als bei einem Widerspruch des Betriebsrates eine ordentliche Kündigung auch dann ausgeschlossen sei, wenn sie nach dem KSchG möglich sei. Die Kündigung des Klägers sei zudem im Rahmen einer sozialplanpflichtigen Betriebsänderung nach § 111 BetrVG ausgesprochen worden und deswegen auch durch den ausdrücklichen Vorbehalt im TV-Nordrhein gedeckt.

Sie habe auch die soziale Auswahl korrekt vorgenommen, indem sie den Kläger mit den übrigen bei ihr beschäftigten Einrichtern verglichen habe. Die soziale Auswahl habe insbesondere deshalb auf den Kläger fallen müssen, weil bei ihr "fast ausschließlich" Einrichter beschäftigt seien, die "Alleinverdiener" seien. Die Mehrzahl dieser Alleinverdiener habe darüber hinaus noch Unterhaltsverpflichtungen gegenüber ein bis drei Kindern. Der Kläger habe hingegen als "Doppelverdiener" nur für ein Kind zu sorgen. Im übrigen habe der Kläger erhebliche krankheitsbedingte Fehlzeiten aufzuweisen, die an sich auch eine krankheitsbedingte Kündigung gerechtfertigt hätten.

Auf diesen Vortrag der Beklagten hat der Kläger folgendes erwidert: Die Beklagte beschränke sich auf den unzureichenden Hinweis, die übrigen achtzehn ungekündigten Einrichter seien "fast ausschließlich" sogenannte "Alleinverdiener" und mehrheitlich gegenüber mehreren Kindern unterhaltspflichtig. Damit räume die Beklagte ein, daß sie auch noch einzelne kinderlose Einrichter mit berufstätigen Ehefrauen beschäftige. Das genüge für die Annahme einer falschen sozialen Auswahl, ohne daß er – was er auf keinen Fall tun möchte – weniger schutzbedürftige Kollegen namentlich zu benennen brauche.

Die Beklagte hat daraufhin ihren Vortrag zur sozialen Auswahl wie folgt ergänzt: Sie sei nur verpflichtet, diejenigen Gründe anzugeben, die zu der von ihr selbst getroffenen sozialen Auswahl geführt hätten. Dieser Verpflichtung sei sie bereits in der Klageerwiderung nachgekommen. Ergänzend sei darauf zu verweisen, daß bei ihr lediglich ein kinderloser Einrichter mit einer berufstätigen Ehefrau weiter beschäftigt werde. Dieser Arbeitnehmer sei im Jahre 1928 geboren, bei ihr seit 1946 beschäftigt und darüber hinaus Mitglied des Betriebsrates. Wenn der Kläger demgegenüber betone, er wolle nicht vortragen, im Verhältnis zu welchem bestimmten Arbeitnehmer er die soziale Auswahl rüge, dann verzichte er damit auf einen ausreichenden Sachvortrag.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Landesarbeitsgericht zunächst Auskünfte der Tarifvertragsparteien darüber eingeholt, ob bei Abschluß des TV-Nordrhein erörtert worden sei, welche Kündigungsgründe von § 2 Ziffer 2 b erfaßt werden sollten.

Zur sozialen Auswahl hat der Kläger vor dem Landesarbeitsgericht vorgetragen, von den zwanzig Einrichtern seien allenfalls drei oder vier seit mindestens zehn Jahren ununterbrochen im Betrieb und 55 Jahre alt; die übrigen Einrichter seien alle jünger und einige seien noch keine zehn Jahre im Betrieb, er möge nicht den Namen desjenigen nennen, der seiner Ansicht nach sozial bessergestellt sei.

Die Beklagte hat erwidert, von den zwanzig Einrichtern seien einschließlich des Klägers sieben älter als 55 Jahre. Diese älteren Einrichter seien bis auf einen Arbeitnehmer auch schon mindestens zehn Jahre ununterbrochen im Betrieb tätig.

Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klageziel weiter, während die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet.

A.

Dem Kläger ist aus dringenden betrieblichen Erfordernissen i.S. des § 1 Abs. 2 KSchG gekündigt worden.

I.

Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, die Kündigung sei betriebsbedingt und auch nach dem Tarifvertrag zur Sicherung älterer Arbeitnehmer zulässig, weil ein "sachlich begründbarer Fall" i.S. des Tarifvertrages vorliege. Die ausdrückliche Erwähnung der Stillegung wesentlicher Betriebsteile als Kündigungsgrund rechtfertige nicht den Schluß, daß tariflich damit jeder weitere betriebsbedingte Kündigungsgrund auch bei fehlendem Widerspruch des Betriebsrates ausgeschlossen sein solle. Wenn neben der Stillegung nur noch personenbedingte Kündigungsgründe erheblich sein sollten, dann hätte es nahegelegen, daß die Tarifpartner das klar zum Ausdruck gebracht hätten. Eine Kündigung nach § 2 Abs. 2 b des Tarifvertrages erfordere bei einer Kündigung aus betriebsbedingten Gründen auch keine gewichtigeren Tatsachen, als bei einer Kündigung nach dem KSchG. Die Tarifpartner hätten zwar die Kündigungsmöglichkeit auf "zwingende betriebliche Gründe" wie z.B. den Fortfall jeglicher Beschäftigungsmöglichkeit beschränken können. Dieser Wille sei jedoch dem Tarifvertrag nicht zu entnehmen. Eine Kündigung sei vielmehr nach allgemeinem Sprachgebrauch dann als "sachlich begründbar" anzusehen, wenn Umstände vorlägen, die nach § 1 KSchG aus objektiver Sicht eine Kündigung rechtfertigten. Das ergebe sich auch aus den bei Abschluß des Tarifvertrages zum Ausdruck gekommenen Vorstellungen der Tarifpartner. Nach der Auskunft der Gewerkschaft Textil-Bekleidung hätten die Tarifpartner den Willen gehabt, den verstärkten Kündigungsschutz für ältere Arbeitnehmer so zu gestalten, daß hierdurch die sogenannte "59-er Regelung" möglich bleibe. Darunter sei zu verstehen, daß bei betrieblich notwendigen Kündigungen insbesondere solche Arbeitnehmer ausscheiden sollten, die das 59. Lebensjahr vollendet hatten, weil diese Arbeitnehmer nach einem Jahr der Arbeitslosigkeit vorgezogenes Altersruhegeld beziehen konnten. Diese Möglichkeit würde weitgehend ausgeschlossen, wenn bei älteren Arbeitern eine Kündigung nur aus zwingenden betriebsbedingten Gründen zulässig wäre.

Zudem enthalte der Tarifvertrag zur Sicherung älterer gewerblicher Arbeitnehmer im Bereich Baden-Württemberg eine dem hier maßgeblichen Tarifvertrag vergleichbare Regelung. Die Parteien dieses vergleichbaren Tarifvertrages hätten aber in ihren gemeinsamen Erläuterungen zum Tarifvertrag ausdrücklich die durch dringende betriebliche Erfordernisse bedingte Kündigung als sachlich begründbaren Kündigungsfall erwähnt. Es sei davon auszugehen, daß der vorliegend anzuwendende Tarifvertrag für den Bezirk Nordrhein-Westfalen keine weitergehendere Wirkung haben sollte. Er habe vielmehr den älteren Arbeitnehmern nur insoweit einen verstärkten Kündigungsschutz geben sollen, als bei Widerspruch des Betriebsrates eine Kündigung zunächst nicht möglich sei. Da der Betriebsrat der Kündigung des Klägers nicht widersprochen habe, scheitere die Wirksamkeit der Kündigung des Klägers nicht an seinem verstärkten Kündigungsschutz.

II.

Dieser Würdigung des Kündigungssachverhaltes und der Auslegung des Tarifvertrages zur Sicherung älterer Arbeitnehmer ist im Ergebnis zuzustimmen.

1.

Wie bei der Auslegung eines Gesetzes ist auch bei der Auslegung eines Tarifvertrages zunächst vom Wortlaut auszugehen und über den reinen Wortlaut hinaus der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien und der damit von ihnen beabsichtigte Sinn und Zweck der Tarifnormen zu berücksichtigen, sofern die Vorstellungen der Parteien in den tariflichen Normen ihren Niederschlag gefunden haben (BAG Urteil vom 12. September 1984 – 4 AZR 336/82 – EzA § 1 TVG Auslegung Nr. 14, die Entscheidung ist auch zum Abdruck in der Amtlichen Sammlung des Gerichts bestimmt). Dabei ist insbesondere auch auf den tariflichen Gesamtzusammenhang abzustellen, weil sich häufig nur daraus und nicht aus den einzelnen Tarifnormen auf den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien schließen läßt. Verbleiben nach der Berücksichtigung dieser Auslegungskriterien noch Zweifel an der wirklichen Bedeutung einer Tarifnorm, dann kann zur Ermittlung des Willens der Tarifvertragsparteien auf weitere Kriterien wie auf die Entstehungsgeschichte und die praktische Tarifübung zurückgegriffen werden.

2.

Nach diesen Auslegungskriterien bestehen Bedenken gegen die Annahme des Berufungsgerichts, im Bereich der betriebsbedingten Kündigung liege ein sachlich begründbarer anderer Fall i.S. des § 2 Abs. 2 b des Tarifvertrages immer schon dann vor, wenn ein dringendes betriebliches Erfordernis i.S. des § 1 KSchG gegeben sei und der Betriebsrat der beabsichtigten Kündigung eines älteren Arbeitnehmers nicht widersprochen habe.

a)

Diese Auslegung schränkt den erkennbaren Schutzzweck des § 2 des Tarifvertrages vom 3. Mai 1974 sehr stark ein, weil sie bei fehlendem Widerspruch des Betriebsrates eine ordentliche Kündigung älterer gewerblicher Arbeitnehmer auch dann ermöglichen würde, wenn z.B. nur der Bedarf für die Beschäftigung eines oder weniger Arbeitnehmer entfallen ist. Im Streitfall kann das Bedenken, ob ein gegenüber dem KSchG verstärkter Bestandsschutz für ältere Arbeitnehmer nur bei einem Widerspruch des Betriebsrates eingreift, allerdings auf sich beruhen.

b)

Es geht nämlich vorliegend um einen Kündigungssachverhalt, der auch nach dem Regelungsgehalt des Tarifvertrages zur Sicherung älterer Arbeitnehmer eine Einschränkung der "Unkündbarkeit" rechtfertigt.

aa)

Nach § 2 Abs. 1 Satz 2 des Tarifvertrages ist in Erweiterung des Kündigungsschutzes nach § 15 Abs. 4 KSchG eine ordentliche Kündigung "unkündbarer Arbeitnehmer" bei Betriebsstillegungen stets erst zum Zeitpunkt der endgültigen Produktionseinstellung zulässig. Diese Kündigungsmöglichkeit ist unabhängig von der Stellungnahme des Betriebsrates. Ein fehlender Widerspruch des Betriebsrates wird hingegen vorausgesetzt, um nach § 2 Abs. 2 a des Tarifvertrages bei einer Stillegung wesentlicher Betriebsteile die "Unkündbarkeit" der älteren gewerblichen Arbeitnehmer aufzuheben. Diesen beiden ausdrücklich geregelten Kündigungstatbeständen ist gemeinsam, daß aufgrund von Unternehmerentscheidungen innerbetriebliche Gründe zur Kündigung vorliegen, die nicht nur einzelne Arbeitnehmer betreffen, sondern die der Weiterbeschäftigung aller oder einer Mehrzahl von Arbeitnehmern entgegenstehen und die in Betrieben mit mehr als zwanzig wahlberechtigten Arbeitnehmern mitbestimmungspflichtige Betriebsänderungen i.S. des § 111 BetrVG darstellen. Es kann dahingestellt bleiben, ob nicht aus dieser Regelung auf die Vorstellung der Tarifpartner zu schließen ist, nur bei Betriebsänderungen i.S. des § 111 BetrVG oder vergleichbaren Sachverhalten im Bereich der betriebsbedingten Kündigungen einen anderen sachlich begründbaren Fall i.S. des § 2 Abs. 2 b des Tarifvertrages anzuerkennen.

bb)

Möglich und geboten ist jedenfalls folgende Auslegung: Sachlich begründbar ist die ordentliche betriebsbedingte Kündigung eines älteren Arbeitnehmers zumindest dann, wenn es um die Auswirkung einer Betriebsänderung geht, die zu einem Sozialplan und einem Interessenausgleich für die davon betroffenen Arbeitnehmer geführt hat.

Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt. Es handelt sich nicht um eine "herausgreifende Kündigung" allein des Klägers, sondern um eine Entlassung, die im Rahmen einer von der Beklagten beschlossenen und durchgeführten Personalverminderung von zunächst 304 auf 269 Arbeitnehmer erfolgt ist. Diese aufgrund einer unternehmerischen Maßnahme durchgeführte Verminderung der Belegschaft um 35 Arbeitnehmer ist nach der Rechtsprechung des Ersten Senates des Bundesarbeitsgerichts, der sich der erkennende Senat anschließt, eine Betriebsänderung i.S. des § 111 BetrVG gewesen (BAG 32, 14;  32, 339;  ebenso die herrschende Auffassung im Schrifttum vgl. Richardi, ZfA 1984, 177, 179 m.w. N.).

Maßgeblich für die Frage, wann ein erheblicher Teil der Belegschaft von einer Betriebseinschränkung in Form einer Personalreduzierung betroffen wird, sind die Zahlen- und Prozentangaben der Neufassung des § 17 Abs. 1 KSchG durch das Zweite Gesetz zur Änderung des KSchG vom 27. April 1978 (BGBl I, 550; vgl. BAG 35, 160). Bei der damaligen Belegschaftsstärke der Beklagten (304 Arbeitnehmer) sind im Rahmen der Entlassungswelle, von der auch der Kläger betroffen worden ist, mehr als 10 % der im Betrieb regelmäßig beschäftigten Arbeitnehmer gekündigt worden. Es ist unerheblich, ob der in § 17 KSchG festgelegte Zeitraum von 30 Kalendertagen eingehalten worden ist, weil es für eine Betriebseinschränkung nach § 111 BetrVG nur darauf ankommt, wieviele Arbeitnehmer voraussichtlich von der geplanten unternehmerischen Maßnahme insgesamt nachteilig betroffen werden können, und zwar auch dann, wenn die Durchführung der Maßnahme stufenweise erfolgt und sich über einen längeren Zeitraum hinzieht (BAG 32, 14, 26).

Die Kündigung des Klägers wird auch unstreitig von dem für die Kündigung von 35 Arbeitnehmern in der Übergangsphase bis zum 30. Juni 1983 vereinbarten Interessenausgleich und Sozialplan vom 28. Februar 1983 erfaßt.

cc)

Eine betriebsbedingte Kündigung im Rahmen der Entlassung eines erheblichen Teils der Belegschaft, die durch einen Sozialplan ergänzt worden ist, steht auch nach den Vorstellungen der tarifschließenden Gewerkschaft der ordentlichen Kündigung eines altersgeschützten Arbeitnehmers nicht entgegen. Das ergibt sich aus dem Schreiben der Gewerkschaft Textil-Bekleidung (Bezirk Nordrhein) vom 20. April 1983, in dem es u.a. heißt, als sachlich begründbarer Fall sei seinerzeit hauptsächlich die damals noch mögliche 59er-Regelung diskutiert worden. Damit man in den Betrieben auch im Interesse einer gesunden Altersstruktur, natürlich unter Berücksichtigung von vernünftigen Abfindungsbeträgen, auch ältere Arbeitnehmer "freisetzen" könne, habe die Gewerkschaft über den Fall der Betriebsschließung hinaus auch die Kündigung solcher Personen möglich machen müssen.

c)

Diese Auslegung des Tarifvertrages zur Sicherung älterer Arbeitnehmer trägt auch ausreichend dem Anliegen der Revision Rechnung, nur Sachverhalte als sachlich begründbare Fälle heranzuziehen, die mit den im Tarifvertrag genannten Gründen vergleichbar sind. Sachlich vergleichbar mit der Stillegung wesentlicher Betriebsteile ist jedenfalls eine Betriebseinschränkung in Form einer erheblichen Personalreduzierung. Die weitergehende Annahme der Revision, betriebsbedingte Kündigungen seien nur zulässig, wenn die Beschäftigungsmöglichkeit für die älteren Arbeitnehmer insgesamt entfalle und eine soziale Auswahl deswegen nicht in Betracht komme, ist weder aus dem Wortlaut noch aus dem Zweck des Tarifvertrages noch aus seiner Entstehungsgeschichte herzuleiten. Wie die Revision insoweit übersieht, ist auch bei dem ausdrücklich geregelten Tatbestand der Stillegung wesentlicher Betriebsteile schon nach dem KSchG zu prüfen, ob eine Versetzung der betroffenen älteren Arbeitnehmer auf vergleichbare Arbeitsplätze in andere Betriebsabteilungen möglich ist. Auch eine soziale Auswahl scheidet in diesem Fall nicht von vornherein aus, weil sie nicht auf Betriebsabteilungen beschränkt, sondern auf den ganzen Bereich des Betriebes eines Arbeitgebers zu erstrecken ist (Urteil des Senates vom 25. April 1985 – 2 AZR 140/84 – EzA § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung Nr. 35, die Entscheidung ist auch zum Abdruck in der Amtlichen Sammlung des Gerichts bestimmt; Färber, NZA 1985, 175 m.w.N.).

d)

Da der vorliegende Fall noch nach der Rechtslage vor der Einführung des § 112 a BetrVG durch Art. 2 BeschFG 1985 vom 26. April 1985 (BGBl I, 710) zu beurteilen ist und auch ein für den Kläger einschlägiger Sozialplan vereinbart worden ist, brauchte der Senat nicht zu entscheiden, ob ein anderer sachlich begründbarer Fall zur Kündigung auch dann anzuerkennen ist, wenn zwar eine Betriebsänderung nach § 111 BetrVG vorliegt, aber nach § 112 a BetrVG kein Sozialplan erzwingbar ist.

e)

Die von der Beklagten beschlossene und durchgeführte Umsatz- und Personalreduzierung in der Übergangsphase hat unstreitig auch ein dringendes betriebliches Erfordernis zur Kündigung von zwei Einrichtern begründet.

III.

Die dem Kläger deswegen aus dringenden betrieblichen Erfordernissen i.S. des § 1 Abs. 2 KSchG ausgesprochene Kündigung ist auch nicht wegen fehlender sozialer Auswahl nach § 1 Abs. 3 KSchG sozialwidrig.

1.

Nach der Auffassung des Landesarbeitsgerichts hat der Kläger eine fehlerhafte soziale Auswahl nicht ausreichend dargelegt. Das Berufungsgericht hat insoweit ausgeführt, die Kündigung sei nicht schon deswegen unwirksam, weil die Beklagte trotz Aufforderung nicht im einzelnen die sozialen Daten der mit dem Kläger vergleichbaren zwanzig Einrichter mitgeteilt habe. Die Angaben der Beklagten entsprächen zwar nicht den Anforderungen, die an die Erfüllung eines Auskunftsverlangens nach § 1 Abs. 3 Halbsatz 2 KSchG zu stellen seien. Die Verletzung der Darlegungslast der Beklagten wirke sich vorliegend gleichwohl für sie nicht nachteilig aus, weil die hinsichtlich der Sozialdaten unvollständige Auskunft nicht ursächlich dafür sei, daß vom Kläger keine weniger schutzwürdigen Arbeitnehmer benannt worden seien. Die Darlegungslast gehe nur dann auf den Arbeitgeber über, wenn der Arbeitnehmer nicht in der Lage sei, substantiiert zur sozialen Auswahl vorzutragen und aus diesem Grunde den Arbeitgeber auffordere, die Gründe mitzuteilen, die ihn zur Auswahl veranlaßt hätten. Vorliegend sei die unvollständige Auskunft der Beklagten nicht der Grund dafür gewesen, daß der Kläger keine Arbeitnehmer namentlich benennen konnte, die nach seiner Meinung sozial weniger schutzwürdig seien als er. Wie sich aus der Erklärung des Klägers im Termin am 2. November 1983 ergebe, habe er die sozialen Daten der übrigen Einrichter gekannt. Aus seiner mehrfach im Rechtsstreit abgegebenen Erklärung, er wolle keine Namen nennen, ergebe sich ferner, daß ihm auch die Namen der nach seiner Meinung weniger schutzwürdigen Arbeitnehmer bekannt waren. Wenn der Kläger aber seine Darlegungslast bezüglich der sozialen Auswahl hätte erfüllen können, ihr aber nur aus kollegialen Gründen nicht habe nachkommen wollen, dann könne er aus der unvollständigen Auskunft der Beklagten keine Rechte für sich herleiten. Eine Verschiebung der Darlegungslast sei in diesem Falle nicht eingetreten.

2.

Auch dieser Würdigung des Landesarbeitsgerichts ist nur mit einer Einschränkung zuzustimmen, weil es zu Unrecht von einer Verletzung der Auskunftspflicht der Beklagten nach § 1 Abs. 3 Halbsatz 2 KSchG ausgegangen ist.

a)

Das Berufungsgericht hat bei seiner Begründung im Ausgangspunkt zutreffend auf das Urteil des erkennenden Senates zur abgestuften Verteilung der Darlegungslast bei der Rüge der fehlerhaften sozialen Auswahl im Urteil vom 24. März 1983 (BAG 42, 151 = AP Nr. 12 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung, mit insoweit zust. Anm. v. Meisel = EzA § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung Nr. 21; ebenso BAG Urteil vom 21. Dezember 1983 – 7 AZR 421/82 – EzA § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung Nr. 29) abgestellt. Nach der insoweit übereinstimmenden Rechtsprechung des Zweiten und des Siebten Senates hat der Arbeitgeber im Umfang seiner materiellrechtlichen Auskunftspflicht (§ 1 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 KSchG) auf Verlangen des Arbeitnehmers auch im Kündigungsschutzprozeß die Gründe darzulegen, die ihn zu der von ihm getroffenen sozialen Auswahl veranlaßt haben. Im übrigen trägt der Arbeitnehmer nach § 1 Abs. 3 Satz 3 KSchG die Darlegungs- und Beweislast für die Tatsachen, aus denen sich ergeben soll, daß der Arbeitgeber bei der Auswahl soziale Gesichtspunkte nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt hat.

b)

Da die Begründung und die Auswirkungen der abgestuften Darlegungslast im Schrifttum zu Fehldeutungen geführt haben, hält es der Senat für angezeigt, folgende Mißverständnisse klarzustellen:

aa)

Eine ungenaue Diktion in dem Urteil des Senates vom 24. März 1983 (aaO) hat Falkenberg (DB 1984, 1988) zu der Kritik veranlaßt, der Senat fordere zu Unrecht neben dem "Bestreiten" der korrekten Auswahl durch den Arbeitgeber als zweite Voraussetzung für den einstweiligen Übergang der Darlegungslast auf den Arbeitgeber ein Auskunftsverlangen des Arbeitnehmers. Der erkennende Senat hat zwar in der Begründung des angezogenen Urteils von einem "Bestreiten" des Arbeitnehmers gesprochen, damit aber kein prozessuales Bestreiten i.S. des § 138 Abs. 2 ZPO gemeint, weil sich seine Ausführungen insoweit noch auf den Verfahrensabschnitt beziehen, in dem die Darlegungslast noch voll beim Arbeitnehmer liegt. Im Urteil vom 24. März 1983 (aaO) hat der Senat zwischen zwei möglichen Ausgangslagen beim Streit über die ausreichende soziale Auswahl unterschieden. Wenn der Arbeitnehmer die Namen vergleichbarer Kollegen und deren Sozialdaten kennt, muß er unter Benennung weniger schutzbedürftiger Arbeitnehmer substantiiert die Fehlerhaftigkeit der sozialen Auswahl geltend machen. Zur Erfüllung seiner substantiierten Darlegungslast, die er ohne Auskunft des Arbeitgebers erfüllen kann, muß der Arbeitnehmer unter Angabe der Sozialdaten die oder den Arbeitnehmer (namentlich) benennen, dem oder denen an seiner Stelle hätte gekündigt werden müssen (Urteil des Senates vom 18. Oktober 1984 – 2 AZR 543/83 – EzA § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung Nr. 34, die Entscheidung ist auch zum Abdruck in der Amtlichen Sammlung des Gerichts bestimmt). Diese genaue und individuelle Bezeichnung der nach Meinung des Arbeitnehmers weniger schutzwürdigen anderen Arbeitnehmer ist deswegen erforderlich, weil das Gericht nicht "von Amts wegen" eine Auswahl treffen darf, die sonst gerade auf den Arbeitnehmer fallen könnte, den der gekündigte Arbeitnehmer keinesfalls verdrängen will (Urteil des Senates vom 18. Oktober 1984, aaO).

Wenn der Arbeitnehmer nicht weiß, welche Arbeitskollegen mit ihm vergleichbar sind oder wenn er deren Sozialdaten nicht kennt, hilft ihm entgegen der Auffassung von Falkenberg (aaO) kein Bestreiten der ausreichenden Sozialauswahl mit Nichtwissen nach § 138 Abs. 4 ZPO. Den Arbeitnehmer trifft nämlich die Darlegungslast und nicht nur die Erklärungspflicht nach § 138 Abs. 1 und 2 ZPO. Die Erfüllung seiner Darlegungslast wird ihm jedoch durch die prozessuale Auswirkung der Auskunftspflicht des Arbeitgebers erleichtert: Der Arbeitnehmer genügt zunächst seiner Darlegungslast, wenn er pauschal die soziale Auswahl beanstandet und zugleich vom Arbeitgeber die Mitteilung der Gründe verlangt, die diesen zu seiner Entscheidung veranlaßt haben. Diese nur aus der abgestuften Darlegungslast herzuleitende Rechtsfolge verkennt Falkenberg, wenn er einwendet, das Auskunftsverlangen sei ein Arbeitnehmerrecht und keine Arbeitnehmerpflicht und das Verlangen allein ermögliche dem Arbeitnehmer noch keinen Tatsachenvortrag zur sozialen Auswahl. Gerade dieser an sich erforderliche Tatsachenvortrag wird dem Arbeitnehmer zunächst abgenommen, wenn er den Arbeitgeber auffordert, die Gründe anzugeben, die zu der getroffenen sozialen Auswahl geführt haben.

An das Auskunftsverlangen des Arbeitnehmers sind im übrigen keine übertriebenen formalen Anforderungen zu stellen. Es genügt vielmehr jeder Vortrag des Arbeitnehmers, der seine Erwartung erkennen läßt, zunächst möge der Arbeitgeber die von ihm für maßgeblich gehaltenen Gründe für die Auswahl nennen (Urteil des Senates vom 18. Oktober 1984 – 2 AZR 61/83 – EzA § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung Nr. 33).

bb)

Unbegründet sind auch die Bedenken von Dudenbostel (AuR 1984, 298), der Senat überfordere den Arbeitnehmer indem er im Regelfall verlange, daß er schon von sich aus weniger schutzwürdige Arbeitnehmer benenne und damit nur ausnahmsweise zunächst dem Arbeitgeber die Darlegungslast auferlege. Diese Auslegung findet in der bisherigen Rechtsprechung des Senates keine Grundlage. Der Senat hat nicht beabsichtigt, ein solches Verhältnis zwischen einer vermeintlichen Regel und einer Ausnahme aufzustellen und etwa vom Arbeitnehmer zugleich mit dem Auskunftsverlangen den Nachweis seiner Unkenntnis von den sozialen Daten vergleichbarer Arbeitnehmer zu verlangen. Es kommt für die Berechtigung des Auskunftsverlangens vielmehr nicht allein darauf an, ob und wieviele soziale Daten vergleichbarer Kollegen der gekündigte Arbeitnehmer kennt, weil der Arbeitgeber nicht nur die Auswahlkriterien, sondern auch mitzuteilen hat, nach welchen Bewertungsmaßstäben er die soziale Auswahl vorgenommen hat (Urteil des Senates vom 24. März 1983, aaO). Das kann der Arbeitnehmer zumeist auch bei Kenntnis der Sozialdaten nicht ohne entsprechende Auskunft des Arbeitgebers beurteilen. Die Rechtsprechung des Senates zur abgestuften Darlegungslast führt deswegen regelmäßig dazu, daß der Arbeitgeber auf Verlangen des Arbeitnehmers die Gründe für die von ihm getroffene Sozialauswahl vorzutragen hat.

cc)

Die Würdigung des Landesarbeitsgerichts ist ersichtlich von einem weiteren Mißverständnis über die Bedeutung der Grundsätze für die abgestufte Darlegungslast beeinflußt, weil es der Beklagten eine Verletzung ihrer Mitteilungspflicht angelastet hat. Nach der auch insoweit übereinstimmenden Rechtsprechung des Zweiten und des Siebten Senates (Urteile vom 24. März und vom 21. Dezember 1983, aaO) ist der Arbeitgeber aufgrund der Auskunftspflicht des § 1 Abs. 3 KSchG nur verpflichtet, die Gründe anzugeben, die ihn (subjektiv) zu der getroffenen Auswahl veranlaßt haben. Weil seine Mitteilungspflicht insoweit "subjektiv determiniert" ist (Berkowsky, BB 1983, 2057 ff.; Dudenbostel, aaO), wird sie vom Arbeitgeber auch dann erfüllt, wenn er alle von ihm angestellten Auswahlüberlegungen darlegt, sich aus seiner Auskunft aber ergibt, daß er nicht alle erheblichen Sozialdaten berücksichtigt oder auf ungeeignete Kriterien abgestellt hat. Ebenso wie bei der Mitteilungspflicht nach § 102 Abs. 1 BetrVG gegenüber dem Betriebsrat (vgl. dazu BAG 34, 309, 315 bis 316; 45, 277, 283 bis 285) ist auch bei der Erfüllung der Auskunftspflicht nach § 1 Abs. 3 KSchG zwischen ihrer subjektiven Verletzung durch den Arbeitgeber und der im Ergebnis unvollständigen oder fehlerhaften Berücksichtigung der objektiv erheblichen Auswahlkriterien und Bewertungsmaßstäbe zu unterscheiden.

Diese Unterscheidung ist auch für die Rechtsfolgen wichtig, die sich einerseits aus einer Verletzung der Auskunftspflicht des Arbeitgebers und andererseits aus der Unvollständigkeit oder Fehlerhaftigkeit der mitgeteilten Auswahlüberlegungen ergeben. Wenn der Arbeitgeber die von ihm angestellten Auswahlüberlegungen nicht oder nicht vollständig darlegt, dann bleibt der Arbeitnehmer von der ihm nach § 1 Abs. 3 Satz 3 KSchG obliegenden Darlegungs- und Beweislast insoweit befreit, als er die Rüge der fehlerhaften Auswahl gerade und nur deswegen nicht weiter konkretisieren kann, weil der Arbeitgeber seiner Auskunftspflicht hinsichtlich der von ihm angestellten Auswahlüberlegungen nicht nachgekommen ist (Urteil des Siebten Senates vom 21. Dezember 1983, aaO). Diese beschränkte Befreiung von der Darlegungslast ist sachlich gerechtfertigt und geboten, weil es hinsichtlich der Umstände, die dem Arbeitnehmer unabhängig von der Auskunft des Arbeitgebers bereits bekannt sind, keiner Abstufung der Darlegungslast bedarf.

c)

Die Anwendung dieser Grundsätze führt im Ergebnis zur Bestätigung der Würdigung des Landesarbeitsgerichts.

aa)

Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts, die von der Revision nicht mit Verfahrensrügen angegriffen worden und deswegen für den Senat bindend sind, hat der Kläger die Zahl, die Namen und die Sozialdaten der vergleichbaren Einrichter gekannt. Unter diesen Umständen ist die Darlegungslast aufgrund des Auskunftsverlangens des Klägers nur insoweit auf die Beklagte übergegangen, als es um die Frage ging, wie die Beklagte die Sozialdaten im einzelnen gewichtet hat, d.h. nach welchem Bewertungsmaßstab sie die verschiedenen Sozialdaten gegeneinander abgewogen hat.

Dieser Verpflichtung ist die Beklagte nachgekommen. Ihre Auskunft in der Klageerwiderung war allerdings sowohl objektiv wie subjektiv noch unvollständig, weil sie zunächst nur vorgetragen hatte, die soziale Auswahl habe insbesondere deshalb auf den Kläger fallen müssen, weil bei ihr fast ausschließlich Einrichter beschäftigt würden, die Alleinverdiener seien. Das ließ noch die Möglichkeit offen, bei ihr seien auch noch einzelne kinderlose Einrichter mit berufstätigen Ehefrauen beschäftigt. Diese Unklarheit hat die Beklagte dann aber ausgeräumt, indem sie darauf verwiesen hat, bei ihr sei nur ein kinderloser Einrichter mit berufstätiger Ehefrau tätig, der als Mitglied des Betriebsrates nicht in die soziale Auswahl einzubeziehen sei.

bb)

Entgegen der Würdigung des Landesarbeitsgerichts entsprechen diese Angaben der Beklagten zur sozialen Auswahl den Anforderungen, die an die Erfüllung eines Auskunftsverlangens nach § 1 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 2 KSchG zu stellen sind. Die Auskunft ist zwar immer noch objektiv unvollständig, weil sie sich nicht auf alle sozialen Daten aller Einrichter, sondern nur auf deren Familienstand und ihre Unterhaltsverpflichtungen bezieht. Diese objektive Unvollständigkeit ändert jedoch nichts daran, daß die Beklagte jedenfalls ihre "subjektive" Mitteilungspflicht erfüllt hat und dem Kläger damit wieder die volle Darlegungslast zugefallen ist.

Die von der Beklagten getroffene Auswahl ist zwar möglicherweise nach ihren eigenen Angaben objektiv unrichtig, weil sie die Dauer der Betriebszugehörigkeit und das Lebensalter der vergleichbaren Arbeitnehmer völlig unberücksichtigt gelassen hat. Sie hat zudem eingeräumt, bei der Auswahl auch krankheitsbedingte Fehlzeiten des Klägers mitberücksichtigt zu haben, was nach der Rechtsprechung des Senates nur dann zulässig ist, wenn die Voraussetzungen für eine krankheitsbedingte Kündigung vorliegen (grundlegend Urteil vom 24. März 1983, aaO). Die Möglichkeit einer auch im Ergebnis unrichtigen Sozialauswahl hat jedoch vorliegend die Substantiierungspflicht des Klägers nicht abgeschwächt, weil er nach der ergänzenden Mitteilung des Bewertungsmaßstabes ohne weiteres die behaupteten Fehler bei der Auswahl konkret hätte darlegen können.

cc)

Dieser Darlegungslast ist der Kläger nach der zutreffenden Auffassung des Landesarbeitsgerichts nicht nachgekommen.

Der Kläger hat seine Rüge der fehlerhaften sozialen Auswahl dahin konkretisiert, von den 18 Einrichtern seien alle diejenigen, die das 55. Lebensjahr noch nicht vollendet hätten und dem Betrieb noch nicht mindestens zehn Jahre lang angehörten, sozial weniger schutzwürdig als er. Das trifft nach seinen Angaben auf 16 oder 17 und nach der von ihm anschließend nicht bestrittenen Darstellung der Beklagten auf 13 von den ehemals zwanzig Einrichtern zu. Bei den vom Kläger damit angesprochenen Arbeitnehmern handelt es sich somit um diejenigen, die nach dem Tarifvertrag vom 8. Mai 1974 wegen geringerer Betriebszugehörigkeit oder Lebensalters noch nicht unkündbar sind, aber unstreitig als Alleinverdiener gegenüber ihren Ehefrauen und ein bis drei Kindern unterhaltspflichtig sind.

Dieser Vortrag des Klägers wäre nur dann ausreichend, wenn bei der sozialen Auswahl dem Alter und der Dauer der Betriebszugehörigkeit gegenüber dem Auswahlkriterium der Unterhaltsverpflichtung ein genereller und absoluter Vorrang zukäme. Eine solche schematisierende Betrachtung ist aber mit der Grundwertung des § 1 Abs. 3 KSchG nicht zu vereinbaren, weil der Kündigungsschutzprozeß und auch die Frage der sozialen Auswahl aufgrund der Besonderheiten des Einzelfalles zu entscheiden ist und stets die individuellen Unterschiede zwischen den vergleichbaren Arbeitnehmern zu berücksichtigen und die drei Grunddaten Betriebszugehörigkeit, Alter und Unterhaltsverpflichtungen konkret gegeneinander abzuwägen sind (so grundlegend das Urteil des Senates vom 24. März 1983, aaO; vgl. auch KR-Becker, 2. Aufl., § 1 KSchG Rz 353-356).

Wenn nach den Vorstellungen des Klägers die für den Ausschluß der ordentlichen Kündigung maßgebliche Verbindung zwischen Betriebszugehörigkeit und Lebensalter die ausschlaggebende Bedeutung hätte, dann wäre im übrigen noch nicht einmal bei Berücksichtigung dieser zwei Sozialdaten eine ausreichende soziale Auswahl gewährleistet. Die "Unkündbarkeit" des Klägers beruht nämlich nicht allein oder ausschlaggebend auf seiner Betriebszugehörigkeit von knapp 14 Jahren, sondern insbesondere darauf, daß er älter als 55 Jahre ist. Dem Lebensalter wird damit für die Einschränkung der ordentlichen Kündigung eine Bedeutung zugemessen, die es bei der Prüfung der sozialen Schutzbedürftigkeit bei der gegenwärtigen Lage auf dem Arbeitsmarkt nicht mehr hat (Urteil des Senates vom 24. März 1983, aaO). Anderenfalls wäre der Kläger stets als schutzwürdiger anzusehen als z.B. ein 54 Jahre alter Arbeitnehmer mit einer Betriebszugehörigkeit von 30 Jahren. Das wäre ein unerträgliches Ergebnis (vgl. Herschel/Löwisch, KSchG, 6. Aufl., § 1 Rz 223).

Das gilt um so mehr, wenn darüber hinaus auch die Unterhaltsverpflichtungen gegenüber der "Unkündbarkeit" generell unerheblich wären. Auch bei den Unterhaltsverpflichtungen der vergleichbaren Arbeitnehmer handelt es sich allerdings um "ambivalente Größen" (KR-Becker, aaO, Rz 356). Es ist nur aufgrund ihrer konkreten Auswirkungen zu ermitteln, ob sich aus den Unterhaltsverpflichtungen eine unterschiedliche soziale Schutzbedürftigkeit ergibt (Urteil des Senates vom 24. März 1983, aaO). Ohne individuellen Vergleich zwischen dem gekündigten Arbeitnehmer und den einzelnen, in die Sozialauswahl einzubeziehenden Arbeitnehmern ist es nicht möglich, dem Alter, der Betriebszugehörigkeit oder den Unterhaltsverpflichtungen den entscheidenden Stellenwert zu geben. Das gilt auch für das Kriterium der Unterhaltsverpflichtung, weil es nicht gerechtfertigt wäre, Doppelverdiener grundsätzlich als nicht besonders schutzwürdige Arbeitnehmer einzustufen. Wenn der Doppelverdienst notwendig ist, um die Existenzgrundlage der Familie des Arbeitnehmers aufrechtzuerhalten, dann ist er für die Sozialauswahl unerheblich. Das gilt auch dann, wenn der in die soziale Auswahl einzubeziehende Arbeitnehmer der Haupternährer der Familie ist, während der Verdienst des Ehegatten zum Unterhalt der Familie nicht ausreicht (vgl. Herschel/Löwisch, aaO, § 1 KSchG Rz 226).

Andererseits kann der Kläger jedoch als Doppelverdiener gerade wegen seiner geringeren Unterhaltsverpflichtungen und der ungeklärten Möglichkeit, den Lebensunterhalt mit dem Einkommen seiner Ehefrau zu bestreiten, durchaus sozial weniger schutzwürdig sein, als jüngere Alleinverdiener mit einer geringeren Dauer der Betriebszugehörigkeit. Diesen nur im Einzelfall zu bestimmenden vorrangigen Stellenwert der Unterhaltsverpflichtung hat bereits der Siebte Senat in seinem Urteil vom 12. Oktober 1979 (- 7 AZR 959/77 – AP Nr. 7 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung) anerkannt. Auch vorliegend ist diese Möglichkeit nach dem zu unsubstantiierten Vortrag des Klägers nicht auszuschließen, weil kein konkreter Vergleich zwischen dem Kläger und den übrigen Einrichtern möglich ist. Es ist vielmehr durchaus denkbar, daß alle übrigen 17 Einrichter (das Mitglied des Betriebsrates scheidet wegen seines besonderen Kündigungsschutzes aus dem Vergleich der vergleichbaren Arbeitnehmer aus: Herschel/Löwisch, aaO, § 1 Rz 222) schutzwürdiger sind als der Kläger, weil sie Alleinernährer von Familien sind und ihre vom Kläger nicht näher dargelegten Unterschiede hinsichtlich Alter und Betriebszugehörigkeit demgegenüber unerheblich sind.

d)

Der Kläger kann sich zur Begründung seiner größeren Schutzbedürftigkeit auch nicht darauf berufen, es entspreche der Wertung der Parteien des Tarifvertrages vom 8. Mai 1974 die Kriterien des Lebensalters und der Betriebszugehörigkeit jedenfalls bei der sozialen Auswahl in der Weise zu berücksichtigen, daß ihnen gegenüber Unterhaltsverpflichtungen der Vorrang einzuräumen sei.

aa)

Diese Überlegung ist bereits im Ausgangspunkt verfehlt, weil zu unterscheiden ist zwischen dem tariflichen Ausschluß oder der Einschränkung der ordentlichen Kündigung und Richtlinien über die personelle Auswahl, die in einem Tarifvertrag aufgestellt werden (vgl. dazu BAG 28, 40 = AP Nr. 1 zu § 95 BetrVG 1972; Galperin/Löwisch, BetrVG, 6. Aufl., § 95 Rz 28). Der Tarifvertrag vom 8. Mai 1974 beschränkt nur das Recht der Arbeitgeber zur ordentlichen Kündigung gegenüber den älteren Arbeitnehmern auf bestimmte Gründe. Bei dieser Regelung handelt es sich nicht zugleich um Richtlinien über die personelle Auswahl bei betriebsbedingten Kündigungen nach Maßgabe des § 95 BetrVG (so zutreffend GK-Kraft, BetrVG, § 95 Rz 31; KR-Wolf, 2. Aufl., Grunds. Rz 435; Weiss, BetrVG, 2. Aufl., § 95 Rz 7). Unterschiedlich wird im Schrifttum nur die Frage beurteilt, ob Kündigungsbeschränkungen auch in Auswahlrichtlinien nach § 95 BetrVG zwischen den Betriebspartnern vereinbart werden können (vgl. GK-Kraft, aaO, § 95 Rz 31 m.w.N.; Gnade/Kehrmann/Schneider/Blancke, BetrVG, 2. Aufl., § 95 Rz 8; Kammann/Hess/Schlochauer, BetrVG, § 95 Rz 28; Fitting/Auffarth/Kaiser, BetrVG, 14. Aufl., § 95 Rz 9). Wenn die Tarifpartner auch bei den Kündigungssachverhalten, die eine ordentliche Kündigung von unkündbaren Arbeitnehmern rechtfertigen, eine Berücksichtigung der Unkündbarkeit im Rahmen der Sozialauswahl vorsehen wollten, dann hätte das wegen des systematischen Unterschiedes zwischen Kündigungsbeschränkungen und Auswahlrichtlinien im Tarifvertrag deutlich zum Ausdruck kommen müssen. Diese Voraussetzung fehlt jedoch, weil die Tarifpartner die Unkündbarkeit auch für Kündigungsgründe (Stillegung wesentlicher Betriebsteile) aufgehoben haben, bei denen durchaus die Weiterbeschäftigung kündbarer Arbeitnehmer möglich ist, soweit sie nach der Grundwertung des § 1 Abs. 3 KSchG schutzwürdiger sind.

bb)

Im übrigen ist darauf hinzuweisen, daß Auswahlrichtlinien in dem Sinne, wie sie der Kläger dem Tarifvertrag vom 8. Mai 1974 unterstellt, unbeachtlich wären, weil sie dann allein auf das Lebensalter und beschränkt auf die Dauer der Betriebszugehörigkeit abstellten, ohne die übrigen Sozialdaten zu berücksichtigen, und deswegen gegen die Grundwertung des § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG verstießen (BAG 28, 40, 44 und Urteil des Senats vom 20. Oktober 1983 – 2 AZR 211/82 – AP Nr. 13 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung; Dietz/Richardi, BetrVG, 6. Aufl., § 95 Rz 39; GK-Kraft, aaO, § 95 Rz 33 und KR-Wolf, aaO, Rz 442).

 

Hillebrecht       Röhsler       Weller,
Jansen       Kirchner

 

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Fundstellen:

NZA 1986, 679
NJW 1986, 3105
BB 1987, 472